Der Impfstoff war die große Hoffnung in der Pandemie – doch im Laufe der letzten Wochen hat er immer mehr Probleme bereitet. Erst war zu wenig da, jetzt wird zu wenig geliefert. Im Mittelpunkt steht derzeit der Streit zwischen der EU und dem schwedisch-britischen Konzern Astrazeneca. Und dieser Streit beschäftigte am Donnerstagabend im ZDF die Gäste bei "Maybrit Illner".
Die Runde bei "Maybrit Illner":
Doch zunächst möchte die Moderatorin über die verschärften Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen sprechen, die wohl am Freitag von Innenminister Seehofer konkretisiert werden sollen.
Ob das ein deutscher Alleingang in Europa ist, will Illner von Peter Altmaier wissen. Der wehrt sich gegen die Aussage. Also ein deutscher Alleingang mit der Hoffnung, dass andere nachziehen – ob das eine so gute Idee ist?
Das müssen andere beurteilen. Zumindest FDP-Chef Christian Lindner ist dagegen. "Ich würde raten, dass man nicht auf europäische Alleingänge setzt", sagt er. Seiner Meinung nach sei ein neuer Versuch der europäischen Verständigung der richtige und bessere Weg.
Doch Europa und dabei vor allem die Europäische Kommission und der Europäische Rat hat momentan nicht die besten Argumente auf seiner Seite. Denn der Impf-Streit um das schwedisch-britische Unternehmen Astrazeneca beschäftigt nicht nur Deutschland, sondern auch einige andere europäische Staaten.
Was ist passiert? Astrazeneca hatte der EU vertraglich zugesichert, in einer ersten Charge 80 Millionen Dosen ihres Impfstoffs zu liefern. Dann die bittere Nachricht, dass Astrazeneca nicht genug liefern könne, lediglich 30 Millionen Dosen stünden zunächst einmal zur Verfügung. Doch nicht nur das, zusätzlich wurde bekannt, dass die EU zwar erhebliche Einbußen hinnehmen muss, was die gelieferte Menge angeht, aber Großbritannien etwa weiterhin die verabredete Menge bekommt.
Es ist ein Aufregerthema. Auch der Publizist Daniel Cohn-Bendit regt sich auf. Und zwar an mehreren Stellen. Ihm ist die Debattenkultur an diesem Abend offenbar zu Deutschland-zentriert.
Der nicht immer skandalfreie Cohn-Bendit saß 20 Jahre im Europaparlament, ist ein Vorzeige-Europäer – und plädiert deshalb auch dafür, das Impf-Thema europäisch zu diskutieren. "Alle haben zu wenig Impfstoff", betont er. Man dürfen Astrazeneca-Streit nun nicht auf einzelne Länder runterbrechen.
Und auch wenn zu wenig Impfstoff vorhanden ist – überhastete Impfstoff-Zulassungen befürwortet der Publizist deshalb nicht. Im Gegenteil: Dass unter anderem in Großbritannien und den USA Impfstoffe Notfallzulassungen bekamen, bereitet ihm Sorge. Und er spricht von großem Glück, dass bislang alles gut ging.
"Ich möchte nicht in einem Staat leben, der so auf Risiko geht", sagt er und meint damit Großbritannien. Christian Lindner stimmt dem Grünen-Politiker auffallend häufig zu und unterstützt ihn in seinen Wortbeiträgen.
Von denen es viele gibt an diesem Abend. Cohn-Bendit sieht nämlich noch ein weiteres, großes Problem in der Impfstoff-Frage.
Sein Fazit: "Ich schäme mich."
Ein Blick in die Länder, in denen der Impfstoff wohl langsamer knapp wird als in Deutschland, zeigt, dass auch dort längst nicht alles Gold ist was glänzt. Die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook stellt dar, dass die USA zwar früh sehr viel Impfstoff gekauft hätten, die Impf-Politik der Trump-Administration aber dennoch ein mittleres Desaster zurückgelassen habe. Nun arbeitet Neu-Präsident Joe Biden dieses Desaster auf – hat dabei aber noch sehr viel Arbeit vor sich.
Und Großbritannien? Da ist die Schadenfreude über das Astrazeneca-Thema groß, Europa-Gegner und Brexit-Treiber Boris Johnson inszeniert die Impf-Fortschritte der Briten als riesigen Erfolg, wie ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann erzählt. Doch Krisengewinner werden die Briten wohl nicht mehr – dafür sind die Todeszahlen einfach zu hoch und die Versäumnisse zu gravierend.