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Dschungelcamp: RTL mit neuer Strategie – "Wir brauchen keine Sprachpolizei"

Jolina Mennen.

Die Verwendung des sendungsbezogenen Materials ist nur mit dem Hinweis und Verlinkung auf RTL+ gestattet.
Jolina Mennen will durch ihre Teilnahme am Dschungelcamp anderen trans Personen Mut machen. Bild: RTL+
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Experte erklärt neue RTL-Strategie beim Dschungelcamp: "Brauchen keine Sprachpolizei"

24.01.2023, 19:3824.01.2023, 19:41
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Im Dschungelcamp müssen die Teilnehmenden oft erniedrigende Prüfungen über sich ergehen lassen, jeder Streit und jede emotionale Ausnahmesituation wird gezeigt – und vom Duo Sonja Zietlow und Jan Köppen humorvoll kommentiert. Auf dem Instagram-Kanal von "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" zeigt sich indes ein anderes Bild: Dort werden Info-Posts geteilt, etwa zu den Themen Achtsamkeit, Umgang mit Konflikten oder auch trans*sensibler Sprache.

Das kommt bei einigen richtig gut an. Dschungelkönig Prince Damien schreibt etwa: "Ich finde, eure Social-Media-Abteilung leistet dieses Jahr besonders gute Arbeit! Sehr Gen-Z- und Millennial-freundlich." Ein anderer Insta-Nutzer kritisiert jedoch: "Was betreibt Ihr hier für eine Bigotterie? Setzt einen Cast zusammen, der möglichst viel Beef generiert und kommt hier mit gewaltfreier Kommunikation?"

Was hat es mit dieser Dissonanz zwischen TV-Sendung und Instagram-Kanal auf sich? Das hat watson den Medienpsychologen Jo Groebel gefragt. Der Wissenschaftler gilt als einer der Mitbegründer der modernen internationalen Medienpsychologie. Seine Expertise umfasst die Wirkung von TV, Film und Internet auf Handeln, Denken, Fühlen und soziale Interaktion sowie auf das Verhalten von Verbrauchern im Markt.

Jo Groebel ist einer der bekanntesten Medienwissenschaftler:innen Deutschlands.
Jo Groebel ist einer der bekanntesten Medienwissenschaftler:innen Deutschlands. bild: jo groebel

watson: Das Dschungelcamp gilt als "Krawall-Format", in dem Grenzen überschritten werden. Auf dem Instagram-Account wird auf Konfliktlösungsstrategien und sensible Sprache hingewiesen. Wie passt das zusammen?

Jo Groebel: Die meisten aktiven Teilnehmer und Teilnehmerinnen beim Dschungelcamp leben nicht unbedingt das Ideal des Bildungsbürgertums. Zuschauer und Zuschauerinnen aber entstammen der ganzen Bandbreite der Gesellschaft. Die Jüngeren und Gebildeteren werden dann nochmal gezielt zum Beispiel durch Instagram und die "Stunde danach" angesprochen. Der ursprüngliche, inzwischen schon traditionelle Trash-Kult verbindet sich also mit etwas mehr Trendiness und sogar einer Dosis Tiefe.

Warum postet RTL derartige Inhalte gerade bei Instagram?

Bei Instagram ist es eine jüngere Generation, die das Dschungelcamp als Kult-Sendung noch nicht jahrelang kennt und die das lineare TV nicht mehr erreicht. Die sollen über Instagram angesprochen werden und sind sensibler gegenüber bestimmten sozialen Themen. Hinzu kommt die sogenannte Line Extension: Man hat eine Marke, in diesem Fall das Dschungelcamp, und nutzt verschiedene Kanäle, und neue, die Marke erweiternde Formate, um breitere Aufmerksamkeit zu bekommen. Aus publizistischer Sicht schafft RTL eine weitere Ebene, auf der Publicity für die Sendung gemacht wird.

Trifft die Erklärung auf Instagram die richtigen Leute? Müssen die Personen dort noch solche Inhalte erklärt bekommen?

Das ist nicht der Hintergrund. Die Selbstwahrnehmung des Senders ist sicher nicht, dass hier viel erläutert, gar eine Art Beschönigung angeboten werden muss. Das mag auch eine Rolle spielen, aber ich denke nicht, dass das das primäre Motiv ist. Die Sendung wird kaum noch öffentlich hinterfragt, von daher muss man sich auch nicht gegen mögliche Angriffe absichern. Aber etwas größere gesellschaftspolitische Sensibilität steht dem Sender auch bei solch einem Format gut zu Gesicht und stärkt nebenbei auch noch das Image.

Bei der "Stunde danach" wurde in der Moderation gesagt, die Transgender-Kandidatin Jolina Mennen sei "mal ein Mann gewesen". In dem Social-Media-Beitrag wurde zuvor angemerkt, die richtige Formulierung sei in dem Fall, sie "habe als Mann gelebt". Macht es den Social-Media-Auftritt unauthentisch?

Nein, man kann nicht erwarten, dass Menschen sich immer perfekt ausdrücken. Nicht jeder hat eine angemessene Sprache bereits so internalisiert. Das ist ganz normaler Sprachgebrauch von Menschen, die, selbst wenn sie dem Thema gegenüber sensibel sind, Probleme haben, in jedem Moment die richtige Formulierung zu wählen. Es gibt viele Menschen, die angemessen denken und trotzdem die richtigen Worte nicht immer automatisch finden.

"Wir brauchen keine 'Sprachpolizei', die jeden erwischt', der nicht vor dem Reden nachgedacht hat."

Inwiefern ist Kritik dann berechtigt?

Es ist gut, wenn es eine Reaktion gibt, denn die schafft Sensibilität. Aber so ein Ausrutscher kann den Beteiligten einfach passieren. Es ist wichtig, dass man die Sensibilität schafft, aber wir brauchen keine "Sprachpolizei", die jeden "erwischt", der nicht vor dem Reden nachgedacht hat. Es ist löblich, dass ein Bewusstsein dafür vorhanden scheint, aber nicht in dem Sinne, dass alles kontrolliert wird.

Sind das Dschungelcamp und ähnliche Formate als problematisch zu betrachten?

Ich sehe es schon seit Jahrzehnten kritisch, dass man Häme und Schadenfreude zu einem Geschäftsmodell macht und in anderen Formaten sogar Minderbegabte regelrecht öffentlich vorgeführt wurden. Ja, die Menschen machen freiwillig in den Formaten mit. Trotzdem geschieht das auch aus finanziellen Gründen oder aus einer Anerkennungssucht heraus. Das gilt aber für das Genre insgesamt und nicht nur für das Dschungelcamp.

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Welche gesellschaftlichen Folgen hat das?

Es ist ein Propagieren eines unfreundlichen Umgangs miteinander. Der Klatsch und Tratsch, das üble Nachreden und das gegenseitige Fertigmachen, sind generell Bestandteil dieser Formate. Dann muss man sich nicht wundern, wenn viele Menschen einen verletzenden und beleidigenden Umgang miteinander völlig normal finden. Und auch als individuelles Karrieremodell sind Realityshows zweifelhaft. Die klügeren früheren Teilnehmer, besonders des Dschungelcamps, haben den kurzfristigen Ruhm gut für sich nutzen können. Eine Erfolgsformel für Zehntausende ist es nicht.

"Das Dschungelcamp ist nostalgisch und bietet Ablenkung, ohne Doomsday-Szenarien, Katastrophen und Kriege."

Gibt es auch positive Aspekte?

Positiv ist, dass jemand, der oder die immer sehr klischeehaft wahrgenommen wurde, zum Beispiel Djamila Rowe, eine andere Seite zeigen kann. Als Zuschauer sieht man: Das sind Menschen, die äußerst liebenswert und besorgt sind oder sein können. Viele haben sich positiv dargestellt, die vorher vielleicht als "Deppen der Nation" angesehen wurden. Auch beim Publikum kommen die Teilnehmenden besser an, die nicht die gemeinsten, bösartigsten und verrücktesten waren. Das sorgt kurzfristig für eine Sensation. Doch Königinnen oder Könige werden eher die, die soziales Verhalten gezeigt haben. Und das ist eine positive Botschaft.

Das Dschungelcamp kann also auch Gutes bewirken?

Es gibt schon einen gewissen Abnutzungseffekt. Durch die derzeitigen Krisen ist es aber durchaus eine Erleichterung, zu Formaten zurückzukehren, an denen man sich eigentlich sattgesehen hatte, die aber jetzt ganz tröstlich sind. Es ist nostalgisch und bietet Ablenkung, ohne Doomsday-Szenarien, Katastrophen und Kriege. Eine angenehme Erinnerung an scheinbar oder tatsächlich bessere Zeiten.

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