Das Investigativ-Format "Team Wallraff" beschäftigte sich in der Sendung vom 28. September mit den Zuständen in deutschen Kindertagesstätten. Dabei kam mitunter erschreckendes zutage: Immer wieder wurde die Überforderung des Kita-Personals deutlich, teils gingen die Erzieher:innen sehr schroff mit den Kindern um.
Bei Social Media wurden parallel zur TV-Ausstrahlung kritische Stimmen laut. Ein Vorwurf lautete: Die Undercover-Reporterin Alesia, die RTL für das Projekt ausgesandt hatte, schaute lange nur zu – statt in kritischen Situationen einzugreifen. Auf watson-Nachfrage stellt der Sender nun einiges klar.
Alesia machte sich in mehreren Kitas als Praktikantin ein Bild, RTL filmt die Arbeit der Angestellten. Zuvor hatten Günter Wallraff und sein Team mehr als 70 Hinweise auf Missstände in Einrichtungen erreicht. Schon der Beginn der Sendung bereitet Bauchschmerzen: Keine der Kitas möchte vor Arbeitsbeginn eine Kopie von Alesias Personalausweis sehen.
Und danach wird es nicht besser. Unter anderem beobachtet die Reporterin, dass auf weinende Kinder nicht eingegangen wird. Eine Mitarbeiterin droht einem Kind damit, es allein in den Schlafraum zu schicken, wenn es nicht ruhig ist. Eine andere Erzieherin reagiert sogar körperlich und umklammert einen Jungen mit ihren Beinen, sodass er sich nicht befreien kann.
Insbesondere Kinder mit einem erhöhten pädagogischen Förderbedarf werden in deutschen Kitas nur unzureichend betreut – so lautet ein trauriges Fazit der Recherche. Eine Kollegin Alesias gesteht schließlich auch offen, überfordert zu sein, nachdem sie kurz zuvor einen Jungen unsanft an Kopf und Arm zum Wasserhahn gezerrt hatte. An anderer Stelle weigert sich eine Erzieherin, ein Mädchen zu wickeln, da dieses zu sehr nach "ausländischem Essen" rieche.
Auf X (ehemals Twitter) sorgte die Reportage für Entsetzen – auch, aber nicht nur, aufgrund der schockierenden Enthüllungen des Teams. Vielmehr wurde daneben das Vorgehen der RTL-Verantwortlichen infrage gestellt.
"Warum schickt man eine Reporterin da rein, die so sensibel ist und nichts sagt?", wundert sich ein Zuschauer und bringt sogar das Stichwort "unterlassene Hilfeleistung" ins Spiel. Eine Person antwortet darauf trocken: "Das gibt nicht so gute Bilder."
Andere wiederum befürchten, dass durch die Sendung womöglich ein ganzer Berufsstand pauschal in Verruf gebracht werde. Eine Zuschauerin kritisiert insbesondere, dass "Team Wallraff" nicht ausreichend auf die schlechten Ausbildungs- und Berufsbedingungen für Erzieher:innen eingeht, die die Missstände überhaupt erst ermöglichen.
Zudem meldet sich eine Userin zu Wort, die offenbar selbst in dem Bereich arbeitet. Sie schreibt auf X: "Ich hatte gehofft, dass auf unsere Arbeitsbedingungen eingegangen wird. Aber jetzt stehen wir dank dieser Doku alle unter Generalverdacht." Sie bezeichnet die Sendung als "Reinfall".
Auf Anfrage von watson reagiert eine RTL-Sprecherin ausführlich auf die Vorwürfe. "Durch die Offenlegung von Missständen in einzelnen Kitas wollen wir eine Diskussion auslösen, was sich konkret und nachhaltig in diesem System verbessern muss", heißt es zunächst mit Blick auf die Zielsetzung des Formats. Zur Arbeit der Reporterin wird klargestellt:
Weiterhin erklärt die Sprecherin: "Unsere Reporterin hat selbst erfahren, wie anstrengend und teilweise überfordernd es sein kann, als Erzieherin zu arbeiten. Das wurde in der Sendung ebenso thematisiert wie ein Positiv-Beispiel." Nicht zuletzt sei in der Ausgabe darauf hingewiesen worden, dass momentan mehr als 98.000 Stellen nicht besetzt werden können.
Tatsächlich wurde bei "Team Wallraff" auch eine Kindertagesstätte in Ostdeutschland vorgestellt, die vom "Deutschen Kita-Preis" mit dem zweiten Platz ausgezeichnet wurde. Der Gesamteindruck, den das Format vermittelt, ist dennoch eher niederschmetternd – und für Teile des Publikums anscheinend nur schwer zu ertragen.