Tom Beck ist ein "Alphamännchen" für Netflix – aber auch er hat Versagensängste
Was passiert, wenn Männer plötzlich nicht mehr wissen, wie man(n) eigentlich sein soll? Die neue Netflix-Serie "Alphamännchen" wirft einen komödiantischen Blick auf eine Generation, die sich zwischen veralteten Rollenbildern und neuen Erwartungen verliert.
Im watson-Interview spricht Tom Beck über Männlichkeitsklischees, Veränderungen in der Filmbranche und seine eigenen Versagensängste.
watson: Hand aufs Herz: Wie viel von deiner Figur Ulf steckt wirklich in dir? Und gab es einen Moment während des Drehs, in dem du dachtest: "Oh, das bin ein bisschen ich"?
Tom Beck: Es gibt einige Momente, mehr als einem lieb sind. Aber seinen selbst aufgebauten Druck kann ich nicht nachvollziehen – dass er in seiner Welt so gefangen ist und sich damit beauftragt hat, der alleinige Versorger der Familie zu sein. Dass er nur etwas wert ist, wenn er einen Job mit einem bestimmten Stellenwert und gewissem Einkommen hat.
Und andererseits?
Trotzdem glaube ich, Ulf steckt in vielen von uns Männern, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in der Serie. Leider ertappt man sich öfter und denkt: "Das war ganz schön "ulfig" gerade."
Was ist dir schwerer gefallen: Ulfs Ego zu spielen oder es stückweise abzubauen?
Weder noch. Das Schwierigste war es, eine persönliche Ebene herzustellen, auf der ich das nachempfinden kann, was für ihn gerade zusammenbricht. Sich bewusst zu machen, dass er eine wahnsinnig große Angst hat. Diese Angst musste ich in mir selbst suchen und herausfinden, an welcher Stelle ich damit connecten kann. Daraus konnte ich die Figur dann aufbauen. All das zu spielen, ist am Ende ein rein handwerklicher Vorgang.
Hast du mit dem Thema Versagensangst – als Mensch, Vater oder Partner – privat Berührungspunkte?
Versagensängste sind immer da. Als Vater, Ehemann und Mensch möchte ich natürlich den besten Job machen, allen gerecht werden. Ich möchte vor allem für meine Kinder ein gutes Vorbild sein und die richtigen Werte vermitteln. Deswegen kann ich diese Versagensängste total nachempfinden. Nur sind sie bei Ulf sehr materiell und äußerlich geprägt.
Heißt?
Er will seinem Sohn nur das Beste mitgeben, aber es sind veraltete Strukturen, wie "Du darfst nicht Zweiter werden". Es verdeutlicht, wie gefangen er in sich selbst ist und dass er es noch nicht geschafft hat, sich zu reflektieren. Das ist der größte Unterschied zwischen uns. Ich kann im besten Fall – nicht immer zu 100 Prozent, aber meistens – reflektieren, warum ich in vielen Dingen so agiere und wie ich es vielleicht besser machen kann.
Inwiefern hat "Alphamännchen" dein Bild von "Männlichkeit" verändert – oder vielleicht bestätigt?
Bei der Figur Cem habe ich gemerkt, dass auch diese Männer in einer gewissen Struktur gefangen und teilweise toxisch männlich sind. Obwohl man das bei einem Charakter wie ihm nicht erwarten würde. Bei Ulf ist es offensichtlicher. Bei Figuren, die etwas leiser sind, wird sowas erst beim zweiten Hingucken deutlich oder spätestens dann, wenn seine Tochter ihn belehrt. Das sind Dinge, bei denen gerade Männer in meinem Alter, wenn sie das erste Mal darauf aufmerksam gemacht werden, realisieren, dass das eigentlich nicht okay ist.
Wenn du eine "Männerregel" aus deinem Leben streichen könntest – welche wär’s?
Es gibt wenige, die für mich in meinem Leben existent sind. Du darfst keine Gefühle zeigen, du darfst nicht weinen und so weiter … Das gibt es ehrlich gesagt nicht so richtig in meinem Leben, Gott sei Dank.
Also hältst du auch nicht viel davon?
Eine generelle Erwartung an die Geschlechter finde ich schwierig, egal ob Mann oder Frau. Ich kann nicht automatisch von jedem Mann erwarten, dass er zu Hause bleibt und ein Kind erzieht. Und genauso wenig kann ich es von einer Frau erwarten. Jeder soll das machen, worauf er Lust hat. In einer Beziehung geht es um die Kompromissbereitschaft. Es kommt darauf an, dass man akzeptiert, was derjenige innerhalb der Beziehung sein möchte, und ob das miteinander einhergeht.
Wie genau meinst du das?
Der moderne Mann muss nicht automatisch Bock haben, den Haushalt zu schmeißen. An sich ist das super, ich mache es voll gern, aber es ist auch okay, wenn er keinen Bock darauf hat. Vor allem, wenn er die Frau findet, die das genauso sieht. Das sollte man akzeptieren. Es ist falsch und nicht zeitgemäß, so geschlechterspezifisch zu denken.
Warum, denkst du, braucht es gerade jetzt eine Serie wie "Alphamännchen" – und warum als Comedy?
Es ist ein Thema, das viele Männer meines Alters und vielleicht auch Frauen, die mit diesen Männern zusammenleben oder sie kennen, betrifft. Ich kenne viele Männer, bei denen diese neuere Form der Männlichkeit, dieses Hinterfragen – "Was darf ich jetzt überhaupt noch sagen?" oder "Wie habe ich zu sein?" – Thema ist. Ich überspitze das jetzt bewusst. Viele haben Angst, weil sie sehen, dass Leute schnell demontiert werden, die damit nicht klarkommen. Ich glaube, viele sind verunsichert.
Somit kommt die Serie genau zum richtigen Zeitpunkt...
Das Thema ist voll zeitgemäß – vor allem, weil man es nicht mit einer Moralkeule behandelt und sagt, so ist es richtig und so ist es falsch. Stattdessen nutzt man Typen, die sich selbst entzaubern. Deswegen heißt es auch "Alphamännchen".
Der Titel ist damit also besonders relevant?
Der Titel ist super gewählt, weil es tatsächlich um kleine Männchen geht, die sich entzaubern. Erst bellen sie ganz laut und am Ende denkt man "Oh, komm' in meinen Arm, du bist ja wirklich die ärmste Sau der Welt". Das Klischee des Alphamanns entzaubert sich und soll im besten Fall von ihnen selbst hinterfragt werden.
Denkst du, man(n) ist schon so weit?
Vielleicht sind wir noch nicht ganz so weit. Aber die Reise der Männer geht hoffentlich dahin, dass sie durch die überspitzte Darstellung ihres Alpha-Daseins und den anschließenden tiefen Fall am Ende geläutert und mit einem neuen Bewusstsein durch die Welt gehen können.
Macht die TV- und Filmwelt aus deiner Sicht insgesamt wirklich Fortschritte?
Auf jeden Fall. Es fängt mit dem Bewusstsein an, was geschaffen werden muss, dass man sich darüber überhaupt Gedanken macht und reflektiert. Ich merke das schon – auch an den Stoffen, die jetzt auf den Markt kommen und gezeigt werden. Da tut sich schon einiges, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, diese Rollen, oder vielmehr Geschlechterklischees, etwas aufzubrechen.
Wie viel Raum ist in deiner eigenen Beziehung für Unsicherheiten, Schwäche oder Kontrollverlust?
Es gibt endlos Raum. Das ist in unserer Beziehung das Wichtigste. Wenn man nicht kommuniziert, kann man nicht wissen, wie es dem anderen geht. Deswegen muss man alles, was einen bedrückt, bestenfalls direkt raushauen – auch, wenn es nicht immer einfach ist. Vielleicht verlässt man dafür auch mal die Komfortzone oder tut dem anderen nicht so gut, weil er etwas aushalten muss. Das gehört dazu und ist wichtig.