Emilio Sakraya ist hier in seiner neuen Netflix-Rolle zu sehen.Bild: netflix / Gordon Timpen
Interview
Emilio Sakraya zählt zu den erfolgreichsten Jungschauspielern Deutschlands. Bereits mit neun Jahren stand er das erste Mal vor der Kamera. Seitdem übernahm er die Kinorolle des jungen Bushido in "Zeiten ändern dich", Auftritte im "Tatort" oder die Darbietung des Issam in "4 Blocks". Mittlerweile ist durch die eine oder andere internationale Netflix-Produktion ein großes Publikum auf ihn aufmerksam geworden.
2019 spielte er in der erfolgreichen Serie "Warrior Nun" mit, die es bis auf Platz eins der Weltcharts brachte. Jetzt können ihn seine Fans in der dystopischen Netflix-Serie "Tribes of Europa" sehen, die von den "Dark"-Machern produziert wurde.
Im Interview mit watson spricht Emilio, der seit seinem Debütalbum "Roter Sand" auch mehr und mehr als Musiker in Erscheinung tritt, über seinen härtesten Dreh, die Corona-Krise und die Instagram-Welt, von der er sich eindeutig distanziert.
watson: Bei "Tribes of Europa" spielst du Kiano. Die Serie ist angesetzt im Jahr 2074. Hast du Zukunftsängste, wenn du siehst, was dort passiert?
Emilio Sakraya: Nein, gar nicht. Ich bin ein Mensch, der in der Gegenwart lebt. Ich versuche, mich nicht in der Vergangenheit rumzutreiben, geschweige denn in der Zukunft. Und jetzt gerade geht es mir richtig gut, es ist alles in Ordnung.
Du wirst in der Serie von deinen Geschwistern getrennt und bist in harten Kampfszenen zu sehen. Bist du körperlich und mental bei der Serie an deine Grenzen gegangen?
Definitiv. Ich bin an meine Grenzen gekommen. Aber am Ende hat es sich gelohnt. Es war ein langer Drehzeitraum. Es war ständig kalt und wir haben viele, wenn nicht sogar ausschließlich Nachtdrehs gehabt. Alles verschiebt sich und die Energie so lange zu halten, ist natürlich nicht ohne. Es ist körperlich, es ist emotional. Kiano wird versklavt und fast umgebracht. Das war schon taff.
War das dein härtester Dreh, den du je hattest?
Ja, definitiv. Das war bis jetzt mein härtester Dreh, den ich je hatte.
"Wir sind noch genau vor Corona durchgekommen."
Du sagtest, Set-Romanzen sind die Schönsten aber für Nacktszenen schämst du dich. Was hat der Zuschauer hinter den Kulissen verpasst?
Ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Ich war am Schlafen, wenn ich jetzt nicht gerade am Drehen war. Es war wirklich ein anstrengender Dreh. Wir haben im August 2019 angefangen und waren im Januar fertig. Also sechs Monate Drehzeit insgesamt. Da ist nichts passiert, was irgendwie spannend sein kann auf irgendeine Art und Weise.
Wie sehr hat dich Corona bei dieser Produktion beeinträchtigt?
Schließlich wurde die Serie in Prag und in Kroatien gedreht. Wir sind noch genau vor Corona durchgekommen. Das heißt, bei uns war Corona noch nicht existent, zumindest nicht beim Drehen.
Darum geht es in "Tribes of Europa"
Netflixstart: 19. Februar 2021
Die Serie spielt im Jahr 2074. Das Europa von heute gibt es nicht mehr. Aufgrund einer Katastrophe ist der Kontinent in kleine Staaten zerfallen. Die verschiedenen Stämme, die Tribes of Europa, kämpfen nun um die Machtposition. Im Zentrum des Geschehens stehen die drei Geschwister Liv (Henriette Confuris), Kiano (Emilio Sakraya) und Elja (David Ali Rashed) vom Tribe der Origines. Auf dramatische Weise werden sie plötzlich voneinander getrennt.
Deine Tour musste 2020, wie bei vielen anderen Künstlern auch, abgesagt werden. Wie sehr berührt dich das Thema persönlich?
Gar nicht, weil ich tatsächlich jemand bin, der sagt, Situationen sind so, wie sie sind. Man muss weitermachen und gucken, wie man es anders machen kann oder was man stattdessen machen kann. Und wenn ich mir anschaue, was in der Zeit alles passiert ist, dann passt das schon alles so, wie es gekommen ist. Es ist natürlich für all die Leute schade, die zum Beispiel zur Tour kommen wollten und natürlich auch für mich, weil es meine erste Tour sein sollte. Aber es wird einen Zeitpunkt geben, wo wir das Nachholen und dann wird es umso mehr Spaß machen.
"Und wenn dann so ein Dreh wegfällt, ist das natürlich dramatisch."
Hat dich die Corona-Krise auch finanziell wie viele deiner Kollegen aus der Branche getroffen?
Ich würde definitiv sagen, dass ich im Gegensatz zu anderen Leuten oder auch Kollegen, wie ich es mitbekommen habe, eher Glück hatte. Bei mir haben bestimmte Projekte trotzdem noch stattgefunden. Es gibt natürlich viele Freunde oder Schauspieler, bei denen Projekte verschoben werden mussten, die nicht wussten, wann sie drehen. Und wenn dann so ein Dreh wegfällt, ist das natürlich dramatisch.
Die Serie ist jetzt deine zweite Netflix-Produktion. Nutzt du den Streamingdienst als Sprungbrett, um mehr und mehr international erfolgreich zu sein?
Der Wunsch ist natürlich da, mehr international zu drehen. Es muss jetzt gar nicht Hollywood sein, es kann auch einfach eine spanische oder französische Produktion sein oder irgendwas anderes in Europa. Natürlich hat man mit Netflix ein Tool, was länderübergreifend ist. Das macht die Plattform ja auch so spannend. Ich schaue einfach, was als nächstes passiert.
Die Serie "Warrior Nun", die du davor für Netflix gedreht hast, war auf Platz eins in den Weltcharts. Hat Hollywood schon angerufen?
Ich darf dazu noch nichts sagen. Es sind aber weitere internationale Projekte in Planung. Ich weiß jetzt natürlich nicht, wie es in ein, zwei Monaten wegen der Pandemie aussieht. Aber momentan stehen schon für dieses Jahr ein paar Sachen fest.
"Aber es ist auch wichtig, sich selbst Pausen zu geben, gerade auch nach so großen Projekten wie 'Tribes of Europa'."
Mit 19 Jahren standest du kurz vor dem Burnout. Heutzutage arbeitest du nicht wirklich weniger, bist auch als Musiker viel beschäftigt. Wie gehst du jetzt mit der Gefahr um und warst du noch mal an diesem Punkt?
Ja, das stimmt, ich arbeite nicht weniger. Aber mir geht es wesentlich besser. Man muss einfach lernen, wie man mit bestimmten Sachen umgeht beziehungsweise wie man mit sich selbst umgeht. Bei mir ist es eher der Fall, dass ich auch hier und dort mal sage, ich habe jetzt auch mal eine Pause und jetzt mache ich nicht weiter. Ich arbeite aber einfach gerne und mag, was ich mache. Aber es ist auch wichtig, sich selbst Pausen zu geben, gerade auch nach so großen Projekten wie "Tribes of Europa".
Von "Bibi und Tina", "Zeiten ändern dich" über "4 Blocks" bis hin zum "Tatort": Du bist in die unterschiedlichsten Charaktere geschlüpft. Dein Repertoire reicht somit vom Badboy zum Teeniestar. In welcher Rolle würdest du dich eher sehen?
In gar keiner. Ich glaube, gerade als Schauspieler ist es das Ziel, divers zu sein, verschiedene Sachen zu spielen und nicht immer das Gleiche zu machen. Deswegen gibt es da für mich keine Schublade, in die ich mich einordnen würde. Ich finde es eher spannend, zu sagen, in welcher Rolle ich noch nicht zu sehen war und mit welcher ich noch nicht in Verbindung gebracht wurde.
Deine Mutter hat dich streng muslimisch erzogen. Zu Hause hattest du keine Privatsphäre, wurdest streng kontrolliert. War für dich die Schauspielerei der ideale Ausgleich zu deinem realen Leben?
Ich glaube nicht wirklich, weil dafür habe ich damals noch nicht genug gedreht. Es sind zwei verschiedene Welten und diese Welten haben mittlerweile auch ihre Harmonie gefunden.
"Aber das Interessante ist: Mir war es schon immer egal, was Leute über mich gesagt haben."
Du wurdest in der Schule gemobbt, hast die falschen Freunde kennengelernt. Rechtzeitig hast du den Absprung geschafft. Heute feierst du große Erfolge. Wie schwer ist es für dich nun, mit Kritikern umzugehen und beschäftigst du dich damit? Schließlich erreicht dich nicht zuletzt auf Instagram viel Feedback.
Ja, da muss man sich dann immer mehr mit auseinandersetzen. Aber das Interessante ist: Mir war es schon immer egal, was Leute über mich gesagt haben. Deswegen ist das nie so richtig ein Thema für mich. Manchmal beschäftigt das einen und man denkt darüber nach, warum Leute irgendwas sagen, aber eigentlich ist es mir richtig, richtig egal, was andere von mir denken.
Muss dich dann auch mal wieder jemand auf den Boden der Tatsachen zurückholen, wenn ein großer Hype rund um deine Person passiert?
Ich habe einen sehr, sehr kleinen Kreis an Leuten, die in meinem privaten Leben stattfinden. Das sind die Menschen, mit denen ich Zeit verbringe, wenn ich nicht am Arbeiten bin. Da bin ich Emilio und niemand anderes. Von daher ist mein kleiner privater Kreis mein Anker.
Du bist 24 Jahre und spielst schon seitdem du neun Jahre alt bist. Dementsprechend konntest du dir in all den Jahren eine große Fanbase aufbauen. Für was möchtest du deine Reichweite besonders nutzen?
Ich möchte authentisch sein. Ich zeige einfach, dass ich auch nur ein ganz normaler Mensch bin, der, wie jeder andere, morgens seinen Kaffee trinkt. Auch mir kann es schlechtgehen, auch ich kann überfordert sein. Es soll nicht nach außen so wirken, als wenn ich von morgens bis abends nur Sport mache und arbeite. Ich habe auch mal einen Tag, wo ich morgens aufstehe und sage, heute geht es mir einfach nicht gut, ich habe keinen Bock und bleibe zu Hause im Bett liegen.
Nutzer auf Instagram zeigen ja auch gerne eine Schein- und Glitzerwelt.
Ganz viele Leute, gerade im Influencerbereich, kommunizieren, ich brauche dieses Auto, ich brauche diese Schuhe, damit ich glücklich bin. Und das ist einfach wirklich nicht der Fall. Daher kommt auch meine Musik und auch diese offene Kommunikation über gewisse Themen. In der Musik spiele ich keine Rolle und da bin ich einfach nur Emilio. Das ist der große Unterschied zu Filmen.