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Interview

Ines Anioli über den Umgang mit toxischen Beziehungen

BERLIN, GERMANY - MAY 05: (EXCLUSIVE COVERAGE) German comedian Ines Anioli performs at the Columbiahalle on May 5, 2022 in Berlin, Germany. (Photo by Frank Hoensch/Getty Images)
Ines Anioli thematisiert in ihrem Comedy-Programm auch ernste Themen. Watson traf sie bei der Spotify-Veranstaltung "All Ears Summit" in Berlin.Bild: Getty Images Europe / Frank Hoensch
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Ines Anioli stellt klar: "Es gibt genug Geschichten über mich, die nicht stimmen"

16.05.2023, 14:4216.05.2023, 16:20
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Die Komikerin und Podcasterin Ines Anioli spricht ganz offen über Themen wie mentale Gesundheit. Sie hat gelernt, damit umzugehen und auf der Bühne kann sie sogar über sich selbst lachen.

Im Interview mit watson erklärt Ines, die gemeinsam mit Moderatorin Visa Vie den erfolgreichen Podcast "Weird Crimes" betreibt, wie schwer es für eine Frau ist, sich im Comedy-Bereich durchzusetzen. Sie spricht über Hasskommentare und Missstände im Business.

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Watson: Wenn du Kritik erfährst, was trifft dich besonders?

Ines Anioli: Rückblickend war das vor allem in Momenten, in denen ich mich geöffnet und mich verletzlich gezeigt habe. Es ist nicht einfach, wenn Menschen dich dann kritisieren. Kritisieren ist noch eine nette Form dafür, es gibt Leute, die dich wirklich beleidigen und schlimme Sachen sagen. Es war für mich neu, zu lernen, damit umzugehen. Das kann ich bis heute nicht gut. Ich ignoriere es einfach.

Mentale Gesundheit rückt auf Social Media in den Fokus. Du gehst offen mit dem Thema toxische Beziehung um, sprichst über Therapie. Warum ist es dir wichtig, auch im Rahmen deines Comedy-Programms, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?

Es ist definitiv schwierig, das zum Thema zu machen. Egal, was man thematisiert, es wird alles angegriffen. Man überlegt sich jetzt fünfmal, ob man irgendwas Sensibles anspricht oder nicht. Für mich war Comedy schon lange Zeit, gerade auch englischsprachige Stand-up-Specials, eine Art Therapie. Ich habe es immer bewundert, wie Comedians es geschafft haben, über ihre Schwächen so zu sprechen, dass man darüber lachen kann.

Wie sieht das bei dir aus?

Nach der ganzen Scheiße, die ich durchgemacht habe, gab es einen Zeitpunkt, als ich das erste Mal darüber oder über irgendwas Bestimmtes, was damit zu tun hat, lachen konnte. Da war mir klar, ich bin weitergekommen, habe den nächsten Schritt erreicht. Für mich gehört es ganz klar dazu, dass man Comedy oder Humor mit schweren Themen verbinden kann.

Also darf man über Therapie und psychische Probleme lachen?

Es kommt immer darauf an, wie man das thematisiert. Wenn man sich als Künstlerin oder Künstler selbst in den Fokus stellt, über sich redet und Witze macht, dann glaube ich, dass man die absolute Berechtigung hat. Wer darf das einem verbieten?

Deine Community bekommt nicht nur die lustige, tanzende Ines zu sehen, sondern du zeigst dich auch in schwachen Momenten.

Für mich ist es wahnsinnig wichtig, authentisch zu sein. Aber um alle Facetten von mir zu zeigen, müsste ich 24/7 eine Kamera auf mich halten. Die Leute haben ein ganz anderes Bild von mir. Den Satz, den ich am meisten höre, lautet: "Ach krass, ich habe dich ganz anders eingeschätzt." Ich habe mir daraufhin selbst meinen Instagram-Account angeguckt und verstanden, woher das kommt.

Woher denn?

Die meisten konsumieren Social Media nur oberflächlich, sehen ein Tanz-Video oder ein trashiges Foto von mir. Dass ich supersensibel, emotional, verletzlich bin, checkt man so nicht. Das ist in den meisten Fällen nicht relevant, gehört aber zu mir. Als ich mich zum Thema toxische Beziehungen geöffnet habe, hatte ich sehr große Angst, mich verletzlich zu zeigen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es anderen Menschen helfen kann – dann fiel es mir leichter.

Du machst dich für Gleichberechtigung stark. Welche Missstände hast du persönlich erfahren?

Ich habe früher beim Radio gearbeitet. Da ist mir aufgefallen, dass es Radiomoderatoren gibt, die sich viel mehr erlauben und rausnehmen dürfen. Ein Radiomoderator hat, während die Songs liefen, Stühle durch das Studio geschmissen. Das war okay. Als ich aber mal zehn Minuten zu spät kam, wurde daraus ein riesiges Ding gemacht.

Wie bist du damit umgegangen?

Ich kam ständig in einen Konflikt, auch mit Vorgesetzten. Für mich stand das in keinem Verhältnis, wofür ich mich oder sich generell andere Frauen beim Radiosender rechtfertigen müssen.

Wie verlief dort deine berufliche Laufbahn?

Ich wollte immer Talks machen und zu dem Radiosender wechseln, wo auch Jan Böhmermann lange Zeit die "Lateline" moderiert hat. Es war mein großes Ziel, irgendwann ebenfalls diese Sendung zu moderieren. Das habe ich nie geschafft. Dann kam der Podcast, was im Nachhinein viel besser war.

Warum?

Ich sollte dort eigentlich anfangen, doch dann störten sie sich an meiner Persönlichkeit. Eine Person, die dort viel zu sagen hat, rief mich an und sagte mir wortwörtlich: "Ines, wir haben mit Jan Böhmermann auch viele Probleme, aber der ist ein Mann und du bist eine Frau. Deswegen können wir nicht mit dir arbeiten." Während und nach dem Telefonat habe ich sehr viel geweint, weil ich das als krasse Ungerechtigkeit empfunden habe.

"Das hat mich unglücklich gemacht."

Wie gehst du mit Neid im Business um?

Das Problem ist, dass dir viele ihre Meinung nicht ins Gesicht sagen, sondern hinter deinem Rücken über dich sprechen. Es gibt genug Geschichten über mich, die nicht stimmen. Ich war früher, als ich noch beim Radio war, selbst von Neid zerfressen. Das hat mich unglücklich gemacht.

Wie schwer ist es als Frau im Comedy-Bereich?

Ich selbst mache sehr viel autark, weil ich es schon immer musste und es nicht anders geht. Ich weiß aber, wie schwer das ist. Auch in Deutschland gibt es Menschen, die dort vieles kontrollieren. Aber dadurch, dass Comedy eine viel diversere Kultur entwickelt und mehr Aufmerksamkeit durch soziale Netzwerke bekommt, können Leute unabhängig davon ihre eigene Karriere starten. So war es bei mir auch.

Wie bewertest du diesen Prozess?

Vor ein paar Jahren gab es beim Comedypreis einen Shitstorm, weil nur weiße Männer nominiert waren. Vielleicht gibt es mehr witzige Männer, aber man lässt Frauen auch einfach nicht. Carolin Kebekus redet in ihrem Buch "Es kann nur eine geben" darüber. Sie ist in die Struktur reingewachsen, dass sie gerade die eine lustige Frau ist. Was macht das mit einem? Man fängt an, selbst Angst zu bekommen, weil auf einmal andere lustige Frauen da sind. Das ist so schade, man sollte sich doch gegenseitig pushen. Das hat lange Zeit gar nicht existiert. Das kommt jetzt.

"Ich konnte es einfach irgendwann nicht mehr machen."

Du bist bereits seit 2016 im Podcast-Game und hattest verschiedene Projekte wie "Besser als Sex" oder das sehr persönliche "me-time". Was hast du aus der Zeit mitgenommen?

"Besser als Sex" mit Leila Lowfire war für mich ein absoluter Befreiungsschlag, weil wir früh ins Podcast-Game eingestiegen sind und wir allen Kritikern zum Trotz sehr wohl erfolgreich wurden. Jeder definiert Erfolg anders, aber für mich ist es die Freiheit, das zu tun, was ich immer machen wollte.

In "me-time" erzählst du von dem Versuch, das Trauma einer toxischen Beziehung zu bewältigen. Auch damit hast du irgendwann aufgehört.

Ich konnte es einfach irgendwann nicht mehr machen. In der Zeit hat sich "me-time" richtig angefühlt, aber nach einer Staffel war mir klar: Ich will nicht immer wieder über dieses traurige Thema reden. Später kam "Weird Crimes" mit Lottie (Anm. d. Red.: Visa Vie). Ich wusste schnell, dass es etwas werden kann.

"Weird Crimes" ist ein True-Crime-Podcast. Was ist für dich die Faszination daran?

Ich habe mit True-Crime in der schlimmsten Phase meines Lebens angefangen, als es mir sehr beschissen ging. Es hatte für mich etwas Therapeutisches.

Wie geht es dir mittlerweile?

Nachdem ich in ein Loch gefallen bin, geht es mir mittlerweile richtig gut. Ich hätte niemals gedacht, wieder dahin zu kommen, aber mir sind so viele Pakete von meinen Schultern gefallen. Ich fühle wieder eine Leichtigkeit, die ich so lange vermisst habe. Natürlich ist man nicht der gleiche Mensch wie früher, aber es macht alles wieder viel mehr Spaß.

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