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"Into the Ice"-Regisseur gesteht: "Ich hatte Angst um mein Leben"

Campino und Lars Ostenfeld bei der Premiere des Dokumentarfilms Into the Ice im Zoo Palast. Berlin, 24.08.2022 *** Campino and Lars Ostenfeld at the premiere of the documentary Into the Ice at Zoo Pal ...
Lars Ostenfeld (rechts im Bild) und Campino trafen sich erstmals persönlich bei der "Into the Ice"-Premiere.Bild: www.imago-images.de / imago images
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"Into the Ice"-Regisseur Lars Ostenfeld spricht über seinen "Abenteuerfilm": "Hatte Angst um mein Leben"

14.09.2022, 10:54
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Mit seiner Dokumentation "Into the Ice" untersucht der dänische Filmemacher Lars Ostenfeld die Prozesse des Klimawandels im ewigen Eis Grönlands. Er lässt drei Forschende zu Wort kommen und beleuchtet verschiedene Ansätze. Eine Frage lautet beispielsweise, wie genau sich Niederschläge, oder deren Ausbleiben, auf die Eisschicht auswirken. Verschwinden die Eismassen, steigt der Meeresspiegel – mit potenziell verheerenden Konsequenzen für die Menschheit.

Für sein Projekt begab sich Ostenfeld persönlich nach Grönland und filmte seine Protagonist:innen hautnah. Besonders gefährlich wurde es für ihn, als er sich in einen 150 Meter tiefen Eistrichter abseilte, in eine sogenannte Gletschermühle.

"Into the Ice" startet am 15. September 2022 in den deutschen Kinos.

Im Interview mit watson spricht Ostenfeld über seine persönlichen Erfahrungen während der Drehs – und über sein Verhältnis zu Die-Toten-Hosen-Sänger Campino, der die Erzählstimme der deutschen Version des Films ist.

Lars Ostenfeld bezeichnet "Into the Ice" auch als "Abenteuerfilm".
Lars Ostenfeld bezeichnet "Into the Ice" auch als "Abenteuerfilm".Bild: rise and shine

watson: Hat sich deine Perspektive auf den Klimawandel durch die Arbeit zu "Into the Ice" geändert?

Lars Ostenfeld: Vor vier Jahren war es vor allem Neugier, die mich antrieb. Darum habe ich den Film gemacht. Aber nachdem ich dort war, bekam ich Angst. Ich habe vieles gesehen und auch die Reaktionen der Forschenden beobachtet – das hat mich verunsichert. Es sind Prozesse im Gange, und zwar mit hoher Geschwindigkeit. Jedes Jahr, sogar jeden Tag, werden neue Entdeckungen gemacht – und es passiert immer schneller.

"Wenn man nur darüber liest, geht es um Zahlen oder Modelle, aber es vermittelt dir kein Gefühl für die Lage."

Du hättest die Forschenden auch einfach über ihre Erkenntnisse befragen können. Stattdessen bist du persönlich nach Grönland gereist und hast dich großen Gefahren ausgesetzt. Warum?

Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Wenn man nur darüber liest, geht es um Zahlen oder Modelle, aber es vermittelt dir kein Gefühl für die Lage. Ein solches Gefühl wollte ich bekommen. Ich habe im Zuge der Vorbereitungen festgestellt, wie wenig tatsächlich vor Ort auf dem Eis "gearbeitet" wird. Ein großer Teil unseres Wissens über den Klimawandel stammt von Satelliten, Luftaufnahmen oder aus computergenerierten Modellen. Fast niemand aber wagt sich aufs Eis. Das war eine seltsame Erkenntnis. Und ich wollte mich den Forschenden anschließen, die wirklich diesen Schritt gehen.

Du selbst bist allerdings kein Wissenschaftler, sondern "nur" Filmemacher. Hatten die Forschenden Vorbehalte gegen dich?

Nein, überhaupt nicht! Normalerweise werden sie von Medien für Interviews angefragt. Sie stellen sich vor eine Kamera und reden. Mein Ansatz war aber, sie zu begleiten – und das fanden sie toll. Sie haben mich ab dem ersten Tag akzeptiert. Es war genau das, was ich wollte: mit ihnen Essen aufwärmen, Zelte aufstellen, Kaffee aufbrühen – und natürlich auch beobachten, wie sie arbeiten. So ist am Ende sogar ein Abenteuerfilm dabei herausgekommen.

Was genau waren die Herausforderungen?

Die Dreharbeiten waren schwierig: Wie lädt man seine Batterien auf, wie hält man sich warm, was tut man, wenn ein Sturm aufzieht? Wir mussten auf so vieles vorbereitet sein und unsere Crew war sehr klein. Ich habe auch die Kamera geführt, sonst war nur eine Person für den Ton mit dabei.

"Als ich in diese Gletschermühle hinabgestiegen bin, habe ich mir fast in die Hosen gemacht."

Gab es während der Drehs Momente, in denen du Todesangst hattest?

Ja, zweimal hatte ich Angst um mein Leben. Einmal zog tatsächlich ein schwerer Sturm auf. Das Problem ist, dass du auf dem Eis keinen Schutz hast, dich nirgends verstecken kannst. Es ist eine riesige ebene Fläche. Die Forschenden meinten, dass die Zelte nicht halten würden, also haben wir drum herum eine Schneewand gebaut, die den Wind abfangen sollte. In dieser Nacht war ich extrem ängstlich, aber es hat funktioniert.

Und was war der zweite kritische Moment?

Als ich in diese Gletschermühle hinabgestiegen bin, habe ich mir fast in die Hosen gemacht. Nach der Hälfte des Weges war auch schon Schluss für mich, denn ab dem Punkt war es schlicht zu gefährlich. Auch die Forschenden konnten ihr Vorhaben nicht ganz durchziehen, also sind wir ein Jahr später an die exakt selbe Stelle zurückgekehrt – und die Schlucht sah komplett anders aus. Beim zweiten Versuch habe ich es schließlich bis auf den Boden geschafft. Man konnte sich nun in kleinen Schritten vorarbeiten, es war etwas weniger furchteinflößend.

"Ich möchte niemanden belehren. Darum zeige ich auch viele Szenen aus dem Alltag der Dreharbeiten."

Wie ist dein Verhältnis zu Campino? Kanntet ihr euch schon vor dem Projekt?

Ich kannte ihn schon, wenn auch nicht persönlich. Als Erzähler des Films hatte ich ihn nicht direkt auf meinem Radar. Der deutsche Produzent [Stefan Kloos, Anm. d. Red.] kam auf mich zu und erklärte, dass wir eine deutsche Erzählstimme brauchen. Er schlug Campino vor und ich fand die Idee gleich brillant, denn ich wusste, dass Campino sich auch für den Klimaschutz engagiert. Getroffen habe ihn schließlich erst zur Premiere in Berlin.

Stefan Kloos, Campino und Lars Ostenfeld bei der Premiere des Dokumentarfilms Into the Ice im Zoo Palast. Berlin, 24.08.2022 *** Stefan Kloos, Campino and Lars Ostenfeld at the premiere of the documen ...
Produzent Stefan Kloos, Campino und Lars Ostenfeld trafen bei der "Into the Ice"-Premiere aufeinander.Bild: www.imago-images.de / IMAGO / Future Image

Wie stehst du zu Personen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen? Lassen die sich jetzt noch überzeugen?

Ich glaube schon, dass es möglich ist, sie ins Boot zu holen – vor allem, wenn sie irgendetwas mit dem Eis verbinden. Ich möchte nicht, dass sie einfach nur Dinge nachlesen, sondern es nachempfinden. Sie sollen verstehen, was die Eisschicht ist und was sie für unsere Welt bedeutet. Ich möchte aber niemanden belehren. Darum zeige ich auch viele Szenen aus dem Alltag der Dreharbeiten, wie zum Beispiel die Zubereitung von Kaffee mitten auf dem Eis.

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Franca Lehfeldts Karriere begann in der Journalistenschule von RTL, mittlerweile hat sie sich mit einer Agentur für Kommunikation und Marketing selbständig gemacht.

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