Frederick Lau ist seit über 20 Jahren im Filmgeschäft. Seinen großen Durchbruch feierte er 2008 mit "Die Welle". Im Laufe seiner Karriere wurde er zweimal mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Auf der Kinoleinwand spielt er immer mal wieder den Kumpeltypen oder Draufgänger, der nach dem richtigen Platz im Leben sucht. In der Realität hat er den schon längst gefunden. Seit 2015 ist der 32-Jährige mit Moderatorin Annika Lau verheiratet, die beiden haben drei gemeinsame Kinder.
In seinem neuesten Kinofilm "Wolke unterm Dach" spielt der Berliner erstmals einen Familienvater, der vom Schicksal hart getroffen wird. Seine Rolle erinnert diesmal ganz und gar nicht an die romantischen Komödien, an denen er mitwirkte. Im Interview mit watson spricht Frederick offen über seinen Umgang mit dem Tod, sagt, wie seine Familie Abschied von seinem Vater nahm und offenbart, wieso seine jüngste Kinorolle ihm sehr zu schaffen machte.
watson: Du hattest Corona und warst danach auch körperlich angeschlagen. Wie geht es dir mittlerweile?
Frederick Lau: Ich hatte eine Entzündung, auch in den Beinen. Das war ganz schlimm, wie bei einem Blutstau. Ich musste immer wieder meine Beine hochheben, ein bisschen rumlaufen, damit das Blut besser zirkuliert. Corona habe ich zum Glück gut überstanden. Ich hatte einen milden Verlauf.
Derzeit bewegt die Ukraine-Krise die ganze Welt, viele Menschen haben ihr Leben verloren. Wie gehst du auch mit Blick auf Social Media damit um?
Ich glaube, dass der Krieg mit jedem etwas macht. Krieg ist schrecklich, man versucht positiv zu bleiben, damit man sich nicht in negativen Gedanken verliert. Ich tausche mich außerhalb von Social Media mit meiner Familie über die schlimme Situation aus und bin auf Instagram eher privat unterwegs.
In deinem neuesten Projekt "Wolke unterm Dach" spielst du den Krankenpfleger Paul, der einen schweren Schicksalsschlag verkraften muss. Kernelemente im Film sind das Leben und der Tod, die unmittelbar zusammenhängen. Was war für dich bei dem Film die größte Herausforderung?
Es war beim Dreh die Herausforderung, jeden Tag aufzustehen und zu wissen, dass man sich jetzt nicht mit etwas Positivem beschäftigt. Normalerweise hast du echt immer Spaß und Freude bei den Dreharbeiten, aber dieses Mal war das anders. Das war ein Dreh, bei dem immer eine graue Wolke dabei war und der dich schon ganz schön schlucken hat lassen.
Man sieht dich in dem Film ungewohnt ernst. Wie viel Frederick steckt in deiner Rolle des Paul?
Insgesamt war ich natürlich die ganze Zeit in einer Extrem-Situation gefangen, was schon belastend war. In diesem Moment, als meine Filmtochter die Wolke sieht und mit ihr kommuniziert, wäre ich wahrscheinlich eher jemand, der das zulassen würde und das als wichtig empfindet. Trotzdem trauert jeder Mensch anders. Ich bin jemand, der jegliches Gefühl zulässt. Insofern würde ich intensiver trauern. Es ist erstmal so, dass man bei Paul ein Verdrängen sieht. Aus diesem Grund steckt da jetzt nicht so viel von Freddy drin.
Ihr seid allerdings beide Väter.
Es ist natürlich schön, dass ich selbst eine Tochter habe und mich in die Situation gut hineinversetzen kann. Sonst ist es um einiges schwerer, einen Vater zu spielen, weil man sich das nicht richtig vorstellen kann, wie es eigentlich mit einem Kind ist. Als Nicht-Vater Väter zu spielen, ist es in Bezug auf den richtigen Umgang schwieriger.
Das zentrale Thema ist der Umgang mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen. Nicht zuletzt mit dem Todesfall deines Vaters musstest du selbst diese Erfahrung machen. Haben dir deine eigenen Erlebnisse bei deiner Rolle geholfen?
Das Schlimmste ist, wenn du jemanden verlierst und du dich nicht verabschieden kannst. Ich konnte mich zum Glück immer verabschieden. Wenn es ganz plötzlich kommt, ist es noch mal was anderes, weil du die ganze Zeit denkst: Was hättest du noch sagen wollen? Ich glaube, dass es in diesem Fall mit einem noch viel mehr macht und es schwieriger ist, damit umzugehen.
Du zeigst dich in dem Kinofilm durch deine Rolle ungewohnt ernst. Ist es dir schwergefallen, nicht den Kumpeltyp und den Draufgänger wie bei "Traumfrauen", "Nightlife" oder "Generation Beziehungsunfähig" zu spielen?
Ich habe mich darauf gefreut, diese Rolle anzunehmen, weil sie ganz anders ist. Ich freue mich immer über Herausforderungen und die Möglichkeit zu haben, in eine andere Welt einzutauchen. Ich glaube aber auch, so eine Rolle zu spielen und sich nur darauf festzulegen, solche Filme anzunehmen, macht einen ganz schön kaputt. Das machst du einmal und dann reicht es erst mal. Ich habe mich schon gefreut, als der Film vorbei war.
Weil der Film an dir gezehrt und dich besonders mitgenommen hat?
Es war jetzt nicht so, dass ich gerne aufgestanden bin, um mich in so eine Situation zu begeben. Du bist die ganze Zeit mit dem Tod konfrontiert und kannst die Rolle auch nicht so schnell ablegen. Insofern war das schon anstrengend.
Erstmals bist du auch auf der Kinoleinwand als Familienvater zu sehen. War es an der Zeit, dass du mit deinen bisherigen Charakteren brichst?
Ich habe total Lust, alles auszuprobieren und ich möchte mich da überhaupt gar nicht auf ein Metier beschränken. Daher ist es so, dass ich mir immer gern alles angucke. Ich habe an fast allem Freude und suche immer nach der Herausforderung.
Du sagst, dass es dir dabei besonders wichtig war, Vertrauen zu deiner Filmtochter Lilly, gespielt von Romy Schroeder, aufzubauen. Hattest du Bedenken, dass das funktioniert? Schließlich war es ihre erste große Rolle.
Berührungsängste hatte ich gar nicht. Meine eigene Tochter war natürlich eifersüchtig. Die fand das mit acht Jahren nicht so cool, dass ich für ein anderes Kind einen Vater spiele. Sie hat gesagt: "Das ist doch mein Papa!" Ich habe ihr das aber ausführlich erklärt. Es hat total viel Freude gemacht, auch wenn man sich natürlich fragt: Wie kommt man dahin, dass das Vater-Tochter-Verhältnis rüberkommt? Romy war total offen, total süß und hat das super gemacht.
Du bist selbst mit 24 Jahren erstmals Papa geworden, hast drei Kinder. Sprichst du mit deinem Nachwuchs offen über das schwierige Thema Tod?
Sie waren dabei. Wir waren alle beim Bruder meines Vaters und haben ihm noch mal "Tschüss" gesagt. Meine Kinder reden auch immer noch darüber und sagen: "Opa Wolfgang ist da." Manchmal kommt das bei ihnen hoch. Gerade mein mittlerer Sohn hat eine Verbindung zu ihm. Dann sagt er plötzlich aus dem Nichts: "Das ist wie mit Opa." Die haben das auf jeden Fall mitbekommen und ich finde, das ist auch wichtig.
Hast du ihnen das beigebracht oder war das ein natürlicher Prozess?
Wir haben ihn besucht und dann hat mein Sohn nach oben geguckt und gesagt: "Guck mal, da fliegt gerade Opa Wolfgang." Direkt, nachdem wir "Tschüss" gesagt haben, ist er gegangen. Es war wirklich so, dass wir gesagt haben: "Jetzt kannst du gehen." Das war total wichtig für mich. Insofern konnte ich besser mit der Situation umgehen, weil wir uns verabschieden und sagen konnten, man lässt ihn gehen. Wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre ich bis heute noch nicht glücklich.
Du bist noch jung, gehst aber offen mit dem Thema um. Deinen Kindern musstest du aber nicht mehr viel dabei helfen, mit dem Verlustschmerz umgehen zu können.
Nein, wir haben das jetzt nicht explizit besprochen. Wir hatten Zeit, um uns zu verabschieden. Wir haben es angenommen. Der Tod ist da und es war bei meinem Vater auch echt ok. Er durfte gehen. Und das ist meiner Meinung nach wichtig.
Bist du ein gläubiger Mensch?
Gläubig bin ich nicht, aber ich würde mich schon freuen, wenn wir noch mal wiederkommen.
Hast du Angst vor dem Tod?
Angst vor dem Tod habe ich nicht. Ich möchte natürlich trotzdem lange für meine Kinder, meine Familie da sein. Ich glaube schon, dass es für uns noch weitergeht. Trotzdem muss man auch dann mit sich im Reinen sein, um sagen zu können: Ich habe den Menschen, meiner Familie ein schönes Leben beschert.
Von einer Sekunde auf die andere ist im Film nichts mehr, wie es war. Du musst mit dem Verlust deiner Frau, gespielt von Hannah Herzsprung, umgehen. Welche Botschaft nimmst du daraus mit?
Die Botschaft ist, dass jeder mit solchen Situationen anders umgeht. Man weiß, dass es jederzeit dazu kommen kann. Für mich ist es ganz wichtig, dass man sich in jeder Sekunde Liebe schenkt und eine schöne Zeit hat. Wenn man sich nur mit negativem Zeug beschäftigt, wird das sehr belastend.
Hattest du gleich den Zugang zu der Rolle oder musstest du dich selbst noch mal intensiv darauf vorbereiten? Du bist in der Regel ein Schauspieler, der sehr intuitiv spielt.
Es war schon so, dass wir im Vorfeld viel über die Thematik gesprochen haben. Jeder Mensch durchlebt verschiedene Trauerphasen, bis man das Schicksal auch wirklich annimmt. Zunächst gibt es bei vielen einen ganz langen Verdrängungsprozess. Man versteht lange nicht, dass die Person nicht mehr da ist und denkt, sie kommt gleich zur Tür rein. Ich habe mich viel damit beschäftigt, was in solch einem Fall in einem passiert.
Privat stehst du selbst vor Veränderungen. Deine Frau Annika Lau hat bei RTL einen neuen Job. Müsst ihr künftig euch jetzt anders organisieren?
Sie fliegt jeden Sonntagmorgen einmal nach Köln und kommt abends wieder. Das Gute ist, dass ich dann am Sonntag immer allein mit den Kindern bin. (lacht) Ich freue mich tierisch für sie. Ich unterstütze Annika, das ist eine neue Möglichkeit für sie. Meine Frau kann machen, was sie will. Ich werde immer hinter ihr stehen.
Du bist auch oft bei Dreharbeiten, somit könnte es zu Überschneidungen bei eurem Job kommen.
Am Sonntag habe ich glücklicherweise meistens drehfrei. Das heißt: Jetzt ist der Sonntag der Papa-Tag. Das ist völlig ok, ich freue mich darauf.
Bist du dann, wie deine Filmrolle, auch mehr Mama und Papa zugleich oder habt ihr gar keine klassische Unterscheidung wer für was zuständig ist?
Ich glaube schon, dass eine Mama immer noch was anderes ist als ein Papa und man beides braucht. Die Jungs sind auch viel kuscheliger bei meiner Frau, meine Tochter wiederum bei mir. Das war bei mir auch nicht anders. Ich denke, es ist wichtig, dass sie lernen: Das ist Mama und das ist Papa. Ich bin im Gegensatz zu meiner Frau konsequenter bei der Erziehung und mache auch bei meinen Kindern eine Ansage. Es ist aber auch so, dass wenn Annika sauer ist, ich zu ihr hingehe. Wir sind wie Good Cop, Bad Cop.
Die Kinder wissen meist genau, zu wem sie gehen müssen, um ihren Willen zu bekommen.
Ja, na klar. Wenn meine Frau mal eine Ansage macht, dann gehe ich runter. Die müssen das verstehen, denn sie brauchen immer eine Anlaufstelle. Das ist wichtig.
Wie deine Frau solltest du vor Kurzem selbst im TV an einem Projekt teilnehmen, konntest aber aufgrund einer Coronainfektion nicht "Schlag den Star" produzieren.
Das war katastrophal. Ich war schon fast in Köln und kurz vor meiner Ankunft kriege ich einen Anruf. Ich dachte: "Ich glaube es nicht!" Ich bin dann mit dem Auto umgedreht, habe mir ein Hotelzimmer genommen und bin für die erforderliche Zeit in Quarantäne, Isolation geblieben. Ich habe mich total darauf gefreut. Ich will das auf jeden Fall machen. Wir haben mit Marteria schon jemanden gefunden, gegen den ich jetzt antreten kann. Er ist auf jeden Fall ein richtig cooler Typ.
Zuletzt hatte dich Steven Gätjen vertreten. Hast du es dir angesehen?
Ja, ich habe es mir angeguckt. Ich war auch unglaublich traurig, ich hätte echt Spaß gehabt. Aber so war es nun mal.
Was sind deine nächsten Projekte?
Ich drehe mit Kida noch "Der Trakt". Dann drehe ich im Sommer eine Netflix-Serie für locker sechs Monate. Das geht bis zum Ende des Jahres und wird richtig gut. Ich darf leider noch nichts dazu sagen, sonst kriege ich Ärger. Nach meinem ersten Netflix-Film kommt jetzt für mich dort die erste Serie. Das wird ein Knaller. Da werden sich alle freuen, man kann sich überraschen lassen.
Bei deinem jüngsten Kino-Projekt konntest du auch zusammen mit Kida Khodr Ramadan spielen. Ihr zwei seid beste Freunde. In euren Rollen seid ihr nicht so aufeinander zugegangen, wie ihr es privat machen würdet. Fällt dir das dann schwerer?
Es ist lustig, wir gucken uns an und denken: Wo sind wir jetzt hier wieder gelandet? Natürlich lachen wir uns kaputt, aber wir müssen es dann so spielen, wie es im Drehbuch steht. Trotzdem haben wir natürlich Spaß dabei.
Mit Hannah Herzsprung hattest du auch schon die eine oder andere Rolle zusammen.
Ja, aber zum ersten Mal waren wir in dieser Konstellation. Sie ist eine ganz fantastische Frau, ich bin ein großer Fan von ihr. Ich sehe ihr total gern beim Spielen zu. Da vergesse ich manchmal kurz selbst zu spielen. Man guckt Hannah an und ist so fasziniert von ihrem Talent.
Gab es noch eine Situation am Set, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, auf jeden Fall. Teilweise sind Kida und ich nicht die Textsichersten. Beim Regisseur mussten wir uns aber immer an jedes Wort halten. Kida wollte das nicht glauben. Ich meinte zu ihm: "Du musst richtig deinen Text lernen. Du wirst sehen, es ist nicht so, dass wir dahin gehen und unser Ding machen. Hier müssen wir richtig arbeiten." Er sagte: "Ja, das mache ich schon." Dann saßen wir an einer Szene vier Stunden, weil er seinen Text noch nicht draufhatte. Wir haben somit für eine Szene so lange gebraucht wie noch nie in unserem Leben.
Wirklich? Aber ihr bereitet euch in der Regel schon darauf vor.
Na klar, aber manchmal lassen wir mal ein "und" weg oder sagen den Satz ein bisschen anders. Da war es allerdings so, dass wir es genauso sagen und spielen mussten wie es geschrieben wurde.