Für mich war der Mittwoch in dieser Woche ein Tag wie jeder andere – nichts Böses ahnend bin ich zur Arbeit gefahren. Im Büro angekommen war allerdings schon das Chaos ausgebrochen: "Ich bin in der Warteschlange!", "Ich kann bei Eventim nichts anklicken!", "Ich hab's geschafft... glaube ich", schrien sich meine Kolleg:innen zu.
Denn was ich morgens vergessen hatte: Der Weltstar Taylor Swift lädt nächstes Jahr in Deutschland zur Audienz und der Ticket-Vorverkauf für ihre "Eras"-Tour ging los. Aber einfach zum VVK-Start auf Eventim gehen und sich die Karten holen – ging nicht. Man musste sich erst einmal registrieren, um in den elitären Kreis aufgenommen zu werden, der überhaupt die Ehre hat, Taylor-Swift-Karten zu erstehen. Eine Garantie, tatsächlich Tickets zu kriegen, war das aber freilich nicht.
Ziemlich verwundert beobachtete ich schon den Registrierungsprozess vor dem Vorverkauf: Auch wenn ich schon auf etlichen (auch großen) Konzerten war, so einen Aufriss um eine Tour habe ich noch nie erlebt.
Schon bei den Konzerten in den USA rasteten vor allem Kinder derart wegen der "Look What You Made Me Do"-Interpretin aus, sodass Schulen forderten, dass man den Unterricht am Konzerttag doch bitte nicht vergessen solle.
Taylor Swifts Musik kann man sich anhören, keine Frage, aber das Popmusik-Rad hat sie ganz sicher nicht neu erfunden. Ihre Singles gehen einem tagelang nicht mehr aus dem Ohr – und damit zwangsläufig auch irgendwann auf die Nerven. Taylor Swift hat keine außergewöhnliche Stimme wie Mariah Carey, kann nicht so tanzen wie Beyoncé und hat eine Show mit Lichtern und Konfetti zu bieten – also was findet ihr alle an ihr?! Und warum sollen ihre Gigs "die Events des Jahres" sein, die man absolut nicht verpassen darf?
Weil meine Kolleg:innen darauf auch nur antworten können: "Es ist eben Taylor!", bin ich ins Grübeln gekommen – und es gibt ganz schön viele Dinge, die ich lieber machen würde, als auf ein Taylor-Swift-Konzert zu gehen. Hier kommen sieben.
Klar, ich starte mit einem billigen Argument. Aber ich glaube, dass es wirklich bessere (Pop-)Konzerte für weniger Geld gibt. Zur Einordnung: Ein Sitzplatz-Ticket mit guter Sicht für Taylor kostet rund 150 Euro. Das VIP-Paket schlägt teils mit 640 Euro zu Buche. Was für ein Wucher! Spontan fällt mir da stattdessen Nina Chuba ein – eine junge Künstlerin, bei der es sich sicherlich lohnt, sie noch zu sehen, so lange sie noch nicht riesige Arenen füllt. Preis für einen Sitzplatz: um die 55 Euro. Vorab-Registrierung nicht nötig. Für den Taylor-Preis kann man sie sogar gleich dreimal live sehen.
Dass 640 Euro schlichtweg zu viel sind, zeigt auch der Vergleich: In Berlin kann man für zwölf Leute ein Grillfloß mit Wasserrutsche für sieben Stunden mieten – Kostenpunkt am Wochenende: 500 Euro. Taylor Swift kann man beim Grillen und Schwimmen über eine Bluetooth-Anlage hören, wenn's denn unbedingt sein muss. Klingt in meinen Ohren nach der besseren Investition.
...tatsächlich muss ich es nochmal betonen: Es gibt Swifties, die bereit sind, 640 Euro für ein dreistündiges Konzert hinzulegen. Für das Geld hat man zum Beispiel in einer WG in Berlin einen Monat lang ein Dach über dem Kopf.
Anstatt dicht gedrängt mit kreischenden Teenies auf Taylor Swift zu warten, könnte ich mir noch was weiteres, schöneres vorstellen: Ins Freiluft-Kino gehen. Anstatt den okayen Sitzplatz zu kaufen, könnte man 16 Tage in Folge "The Whale" mit Brendan Fraser unter freiem Himmel schauen. Das dürfte ähnlich emotional berühren, wie Taylors Ballade "The Last Time" – nur ohne Fan-Geschrei, aber dafür mit kühlem Bier und Popcorn.
Es mag in den Ohren von Swifties zwar verlockend klingen, für die 640 Euro immerhin frühen Einlass, einen Taylor-Swift-Beutel, Pins, Postkarten, limitierte Poster und drei Stunden Konzert zu bekommen – aber mal ehrlich: Wäre es nicht viel besser, stattdessen mit einer Begleitung von Freitag bis Sonntag nach Rom zu fliegen und dort ein Hotelzimmer inklusive Frühstück zu beziehen? Ich könnte mir zumindest gut vorstellen, dass ein Eis am Kolosseum wesentlich mehr zur Erholung beiträgt, als Taylor bei 35 Grad im Sommer 2024 beim Performen zuzusehen.
Taylor Swift mag ein toller Mensch sein. Aber wie wäre es, wenn man die Stunden, die man auf dem Konzert ist, für etwas wirklich Spektakuläres nutzt? Beispielsweise dauert es lediglich eine halbe bis zwei Stunden, um eine Weltkriegsbombe zu entschärfen. Zugegeben, das wäre für vielleicht etwas zu riskant – aber auf dem Engagementportal von Berlin bin ich auf eine besondere ehrenamtliche Aufgabe gestoßen, die jedes Taylor-Swift-Konzert in den Schatten stellt.
Mit der NABU-Bezirksgruppe Spandau kann man im Februar Biber zählen. "Du solltest Zeit für etwa zwei Einsätze mit jeweils zwei bis vier Stunden einplanen", schreibt die Bezirksgruppe. Und jetzt stell dir vor, wie du das hinterher auf einer Party erzählst – auf einmal ist Taylor dann doch gar nicht mehr so spannend, oder?
Abschließend gibt es noch die ganzen kleinen Dinge, die ich eher in Kauf nehmen würde, als auf ein überteuertes Konzert zu gehen – sei es nun Taylor Swift oder ein anderer Künstler, dessen Gig hunderte Euro kostet. Einfach nach einem stressigen Sommertag mit einem Eis auf der Couch versacken zum Beispiel. Und gar nichts tun.
Als Fan von Taylor Swift sollte man sich meiner Meinung nach fragen, ob es einem der Stress und das viele Geld wert sind, um einen US-Star aus der Ferne zu sehen – denn sollte man wirklich bereit sein, jegliche Schikanen für ein Konzert auf sich zu nehmen? "You Need To Calm Down", Swifties.