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Disney+: Warum "Andor" die beste und erschütterndste Serie 2025 ist

So sieht Faschismus im "Star Wars"-Universum aus.
So sieht Faschismus im "Star Wars"-Universum aus.Bild: Disney
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Warum "Andor" die beste und erschütterndste Serie des Jahres ist

Wie konnte ausgerechnet das zuletzt dumpfe "Star Wars"-Universum eine derart relevante Serie wie "Andor" hervorbringen? Der Wert und die Qualität dieses Werkes sind kaum erfassbar.
04.06.2025, 07:3904.06.2025, 07:39
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Richtig gute Kunst, aber vor allem richtig gute Popkultur funktioniert immer wie ein Trojanisches Pferd. Künstler:innen jubeln ihre Nerdthemen, ihre wunderlichen Leidenschaften, Traumata und Fetische den Leuten unter, die am langen Ende des Tisches das Sagen haben und ihre seltsamen Projekte finanzieren.

So konnte Steven Spielberg in "Indiana Jones 2" seinen Scheidungskrieg aufarbeiten und James Cameron in "Avatar 2" seiner Unterwasser-Obsession freien Lauf lassen.

"Star Wars" war im Grunde schon immer ein Behältnis für Widerstandsgeschichten. Es brauchte nur jemanden, der die Lichtschwerter beiseite räumt und sich auf die faschistischen Strukturen konzentriert, die gruseliger und gefährlicher sind, als es Darth Vader jemals sein könnte.

Es brauchte also jemanden wie Tony Gilroy, der vor ein paar Jahren dem Disney-Board die Serie "Andor" vorschlug – ein Spin-off des erfolgreichen Spin-offs "Rogue One" aus dem Jahr 2016.

"Andor" ist ein kleines Serienwunder

Man weiß nicht so richtig, was das meist blind profitgetriebene Disney eigentlich geritten hat, als es 2018 diesem sperrigen Projekt grünes Licht gab. Wahrscheinlich war man einfach froh, mit einer weiteren Serie den damals nur geplanten Streamingdienst Disney+ füllen zu können.

Sieben Jahre später hat das Unternehmen eine Serie auf seiner Plattform, in der das politisch vielleicht aufgeladenste Wort der Gegenwart fällt: Genozid.

Was ist dieses "Andor"? Warum ist es so gut? Warum tut es so weh, diese Serie zu gucken und warum solltest du in den nächsten Tagen trotzdem nichts anderes tun, als diese Serie zu gucken, auch wenn du vielleicht noch nie irgendwas aus dem "Star Wars"-Universum geschaut hast und eigentlich auch nie schauen wolltest?

All diese Fragen beantworte ich mit leichten Spoilern hier.

Ein kurze Geschichte des "Andor"-Kosmos

Man muss über die "Star Wars"-Welt eigentlich gar nicht so viel wissen, um "Andor" zu verstehen. Es gibt ein Imperium. Es gibt eine Rebellenallianz, in der Figuren wie Luke, Leia und Han Solo unterwegs sind.

Und es gibt einen Todesstern, eine Massenvernichtungswaffe im Grunde, die am Ende des ersten "Star Wars"-Films aus dem Jahr 1977 vom Widerstand zerstört wird.

Der Film "Rogue One" und nun "Andor" befassen sich mit der Vorarbeit, die diesen Sieg ermöglichte. Tony Gilroy erzählt in 24 Folgen die Geschichte namenloser Held:innen, die in den bekannten Epen keine Rolle spielen, weil sie ihr Leben dem Widerstand opferten – und über die man sich ungern Geschichten erzählt, weil sie sich selber schmutziger, aber notwendiger Methoden bedienten.

Neben dem zu Beginn apathischen und sich allmählich radikalisierenden Rebellen Cassian Andor (Diego Luna) ist die wichtigste Figur der Serie ein Spion namens Luthen Rael (Stellan Skarsgård). Luthen organisiert aus der Imperiumshauptstadt Coruscant, eine Art futuristisches Rom, eine Schattenbewegung.

Er führt ein Tarngeschäft, flüstert mit Informant:innen, hegt Informationen wie Schätze, die an anderen Stellen wiederum genutzt werden, um größere Widerstandsbewegungen in Kraft zu setzen: Anschläge, Raubüberfälle, notwendige Morde an den eigenen Leuten, die zu belastend für die Widerstandssache wurden, um weiter existieren zu dürfen.

Stellan Skarsgård als Luthen Rael.
Stellan Skarsgård als Luthen Rael.Bild: Disney

Luthen Rael lebt für den Widerstand. Sein Charakter ist eine Informations- und Geheimnis-Raffinierie. Grausam, entschlossen und effizient, dem Guten so sehr verpflichtet, dass er bereit war, das Gute und Schöne im eigenen Leben auszuradieren. Sein berühmtester Satz fällt in einem Monolog in der ersten Staffel: "Ich verbrenne mein Leben für einen Sonnenaufgang, den ich niemals sehen werde."

Das Gegenstück zu Luthen Rael ist Dedra Meero (Denise Gough), eine hochrangige Offizierin der ISB, dem Imperialen Sicherheitsbüro. Ideologie, Mode, Gebaren, Hierarchien, Vokabular der ISB sind klar und deutlich dem Nazi-Regime entlehnt. Meero ist das perfekte Werkzeug dieser bürokratischen Unter-Organisation: Sie hat einen sechsten Sinn für verdeckte Rebellionsaktivitäten.

Dann ist da noch Mon Mothma, eine Politikerin, die sich im faschistischen Imperium mit ihrer humanistischen Haltung unbeliebt macht und die insgeheim den Widerstand finanziert.

Warum "Andor" bedrückend ist

Diese Figuren sind die Säulen der Serie und ihres Ansinnens, eine universelle Widerstandsgeschichte zu erzählen, die in der Realität keinen Platz hätte.

"Star Wars" ist die bestmögliche Umgebung für diesen Stoff. In der Welt finden Showrunner Tony Gilroy ("Bourne") und Autor Beau Willimon ("House of Cards") reiche Ressourcen vor, die als fiktionale Spiegelungen einer realen Welt dienen, die schleichend in die Hände des Faschismus abgleitet.

Das Imperium bestand in den "Star Wars"-Filmen größtenteils aus pappigen Statisten und Cartoon-Schurken. In "Andor" sehen wir einen technokratischen Überwachungsstaat.

Die Macht von Geheimdiensten, geführt von gierigen Apparatschiks, wächst den demokratischen Institutionen über den Kopf. Organisationen wie die IBS steuern einen autoritären Staat, der eine ganze Galaxis kontrolliert.

Länder sind hier Planeten, aber das macht keinen Unterschied, da sich die Serie ohnehin auf die Schicksale kleiner Menschen konzentriert, die unter dem Regime leiden. Freiheiten werden schleichend beschnitten.

Gezielte Propaganda rechtfertigt Polizeigewalt. Cassian Andor wird in der ersten Staffel bei einer willkürlichen Kontrolle festgenommen, für ein nichtiges Verbrechen zu mehreren Jahren Haft verurteilt und auf einen Gefängnisplaneten verschifft, wo er Zwangsarbeit verrichten muss.

Man erkennt einfach zu viel wieder. "Andor" zu schauen, das ist manchmal wie Doom-Scrolling im "Star Wars"-Universum.

Ein Handlungsbogen in Staffel zwei endet mit einer Massenermordung auf einem Planeten, der zuvor vom Imperium verunglimpft wurde, um dort ungestört wertvolle Bodenschätze abbauen zu können. Das Massaker findet in einem durch hohe Mauern abgesperrten Areal statt, die Menschen können nicht fliehen. Viele sahen darin eine Gaza-Analogie.

In einer Ansprache nennt die Politikerin Mon Mothma (Genevieve O’Reilly) das Massaker einen Genozid. Es ist das Ende ihrer politischen Karriere in Coruscant, sie flüchtet ins Exil und schließt sich der Rebellion an.

Genozid also. Wenn es um das sensible Vokabular in "Andor" geht, wird Tony Gilroy schmallippig. Er will die Serie nicht in eine politische Kontroverse reißen, was natürlich vergeblich ist.

Bei einem Diskussions-Panel spielte sich eine delikate Szene ab: Als Autor Beau Willimon über die Massaker-Szene sagte, es gebe "echte Menschen auf der Straße" und sie (die Szene) "verbindet sich mit ihnen und das ist wichtig", bremst der ebenfalls anwesende Gilroy ihn: "Vorsichtig."

"Star Wars" als politisches Fernsehen

Man sollte Gilroy keinen Standpunkt zu Gaza unterstellen. Ob die Parallelen beabsichtigt sind oder nicht, sich Realität und Fiktion nur zufällig in dieser Form verschränkten, weiß man nicht. Und in der Kunst ist das auch egal. Es kommt darauf was, die Menschen draus machen, wie man also mit dem Inhalt des trojanischen Pferdes umgeht.

Im "New Yorker" (Slide 2) erschien vor kurzem eine Karikatur, die ein Kind zeigt, das sich unter einem Bett versteckt. Ein Mann, wohl der Vater, sagt zu ihm: "Sich vor der Welt zu verstecken ist definitiv eine Option, aber wir tun das, in dem wir Fernsehen schauen, nicht, indem wir unters Bett krabbeln."

Nicht mit "Andor". Diese Art Fernsehen zwingt sein Publikum zu einer Auseinandersetzung mit einer aus den Fugen geratenen Welt. Sie radikalisiert vielleicht nicht, aber sie aktiviert. Das ist anstrengend. "Andor" ist anstrengend – aber es lohnt sich.

Alle 24 Folgen "Andor" sind bei Disney+ verfügbar.

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