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Ist "7 vs. Wild" Staffel 4 zu gefährlich? Die Lehren aus dem Brand

In der vierten Staffel "7 vs. Wild" gerät die Lage komplett außer Kontrolle.
In der vierten Staffel "7 vs. Wild" gerät die Lage komplett außer Kontrolle.Bild: Amazon
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Ist "7 vs. Wild" Staffel 4 zu gefährlich? Die Lehren aus dem Brand

28.10.2024, 20:01
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An Reality-Shows ist meist eher wenig real. Im Dschungelcamp können bei Starkregen die Betten der Teilnehmenden vielleicht mal etwas feucht werden. Aber selbst die Scheren der Hummer, die die Stars in ihren Prüfungen peinigen, werden mit durchsichtigen Plastikschlaufen gebändigt. Das ist gut so, den Stars soll natürlich nichts Ernstes zustoßen. Deshalb gibt es ein dickes Sicherheitsnetz in solchen Formaten.

Das Sicherheitsnetz bei "7 vs. Wild" war von Beginn an etwas durchlässiger. Die Youtube-Show versprach bei ihrem Start im Jahr 2021 die unmittelbare Konfrontation seiner Kandidaten mit den Kräften der Natur. Die sieben Männer, darunter Show-Gründer Fritz Meinecke, filmten sich in der schwedischen Einöde selbst und waren wirklich komplett allein – es gibt kein Kamerateam, wie das Intro vor jeder Folge betonte.

Auf einem an den Körper gespannten Kommunikationsgerät können die Teilnehmer:innen mittlerweile im Notfall einen "Code Red" absenden. Dann rückt aus der Ferne Hilfe an, was unter Umständen aber dauern kann. Also verletzt man sich in der Show einfach lieber nicht.

"7 vs. Wild" liebt die Gefahr und verbrannte sich daran

"7 vs. Wild" wuchs in den letzten drei Jahren, es gewann einen größeren Ausstrahlungspartner und professionalisierte sich. Aber das Sicherheitskonzept "Not-Knopf drücken, Hilfe kommt" blieb im Großen und Ganzen gleich. Denn: Echte Gefahr ist der Brennstoff von "7 vs. Wild".

In den ersten drei Staffeln ging das noch gut, weil die Umgebungen in Schweden, Panama und Kanada eher harmlos daherkamen. Dort wurde jedes Rascheln im Gehölz und jeder desinteressiert vorbeiflanierende Wolf inszeniert wie die Ankunft des Hais in "Der weiße Hai". Nach dem Motto: "Gleich geht es hier richtig zur Sache!" (Tat es nicht.)

In Staffel 4 von "7 vs. Wild" geht es zur Sache, aber mal so richtig.

Die Kurzfassung des Camp-Brandes in "7 vs. Wild": Die sieben Teilnehmer:innen schlafen in den Überresten eines Flugzeugwracks, denn die Staffel simuliert das Szenario eines Absturzes. Das Wrack liegt in einer verlassenen Gegend von Neuseeland, es ist Winter.

Die Gruppe muss sich warmhalten und entzündet direkt am Wrack ein Lagerfeuer. In der dritten Nacht fangen Teile des Wracks an zu brennen. Aus Holzscheiten, die einer der Promis zum Trocknen in die Nähe der Feuerstelle gelegt hatte, entspringt wohl eine Stichflamme.

Die Bilder der brennenden Flugzeugteile mit flüssigem, glühenden Plastik, das auf die Schlafplätze tropft, sind erschreckend. Ich habe wirklich viele Reality-Shows geschaut in meinem Leben und ich konnte schlicht nicht fassen, was ich sehe. Weil sowas im Fernsehen einfach nicht passiert. Nicht passieren sollte.

"7 vs. Wild": Wer am Feuer schuld ist, tut nichts zur Sache

Die Brandsituation ist unübersichtlich, sie wirkt gerafft, für das Publikum aufbereitet. Wie schlimm es wirklich war, lässt sich schwer beurteilen. Wenn man jedoch im Nachhinein den "7 vs. Wild"-Teilnehmer:innen bei ihren Reaktionsvideos so zuhört, dann entsteht der Eindruck, dass in dem Moment tatsächlich Lebensgefahr für einige der Personen bestand.

Teilnehmer Joe Vogel etwa deutet in einem etwas pathetischen Ton an, er glaubte, die drei Personen, die im Wrack schliefen, seien bereits an einer Rauchvergiftung verendet.

Die Promis diskutieren nun seit Tagen die Schuldfrage. Wer hatte wirklich Nachtwache? Wurde überhaupt eine Nachtwache zugeteilt? Hätte das Dach (ein Flugzeugflügel) nicht ohnehin früher oder später Feuer gefangen, auch ohne Stichflamme? Wer wusste von der Holztrocknen-Aktion?

Das sind alles Details, die von der eigentlichen Frage ablenken: War das "7 vs. Wild"-Szenario in Staffel vier nicht von vorneherein viel zu riskant?

Ich bin kein Survival-Experte, aber um auf diese drei Eingebungen zu kommen, muss man das auch nicht sein:

  • Bei bis zu minus sieben Grad Celsius unter freiem Himmel zu schlafen, ist keine gute Idee.
  • Einen halben Meter von einem offenen Feuer entfernt zu schlafen, ist noch blöder, selbst mit Nachtwache.
  • Ein Feuer in der Nähe von brennbarem Kunststoff zu errichten, ist einfach nur fahrlässig.

Das Problem ist: So läuft das wohl in der Wildnis. Unter extremen Bedingungen geht man in die Risikoabwägung. Man tauscht ein Sicherheitsbedürfnis (Distanz vor Feuer) gegen ein paar Grad mehr Wärme ein. Man trifft harte Entscheidungen und schiebt warnende Gedanken beiseite.

Stand die Sicherheit der Kandidaten an erster Stelle?

Nun ist das Szenario in "7 vs. Wild" Staffel vier künstlich und damit grundsätzlich auch die in der Show vermittelte Gefahr. Jemand hat im Vorfeld eingeschätzt, was man den zum Großteil in solchen Situationen ungeübten Menschen zumuten kann – oder eben nicht.

Heißt auch, die Produktion ging wohl vor dem finalen Dreh in eine eigene Abwägung: Wie extrem dürfen die Bedingungen in Neuseeland für die Teilnehmenden sein, bei gleichzeitig größtmöglichem Unterhaltungsfaktor fürs Publikum?

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Bei "7 vs. Wild" und den Eigenarten dieses nach wie vor tollen Formats ist diese Risikoanalyse wesentlich wichtiger als etwa beim Dschungelcamp. Denn nochmal: Das Alleinstellungsmerkmal der Show liegt darin, dass keine TV-Crew die Gruppe begleitet. Damit fehlt eine ausgeruhte, rational denkende Instanz, die die ja bewusst von der Kälte zermürbten Teilnehmer:innen beobachten und zur Not eingreifen kann (wenn zum Beispiel das ganze Camp schläft und sich ein Feuer ausbreitet).

Es hätte noch schlimmer kommen können für LetsHugo und Julia Beautx. Immerhin wurden die Kandidat:innen im Vorhinein gewarnt, dass es kühl werden konnte, wobei die Crew angeblich selber überrascht war von den tiefen Temperaturen. Vor Ort gab es Hilfestellungen. Gar keine Frage, die Produktion macht sich schon ihre Gedanken.

Was ich eigentlich sagen will: Das Format "7 vs. Wild" lebt von der Boshaftigkeit, die die Natur in sich tragen kann. Je ungefilterter man ihre Elemente auf Menschen loslässt, desto schwieriger lässt sich das Ergebnis kontrollieren. Und im Fall von "7 vs. Wild"-Staffel vier ist das Ergebnis ein Camp-Feuer. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich das Abenteuer in Lebensgefahr. Das darf man nicht beschönigen.

Der Camp-Brand bei "7 vs. Wild" muss eine Mahnung sein

Es gibt immer wieder Momente, in denen das Fernsehen die Kontrolle über sein Spektakel verliert. Zum Beispiel, als Samuel Koch 2010 bei einem "Wetten, dass..?"-Stunt verunglückte. Damals wurde die Sendung abgebrochen und der furchtbare Unfall leitete den ersten Abschied von Thomas Gottschalk ein.

Bei "7 vs. Wild" ist jetzt alles nochmal gutgegangen. Und ich weiß, ich klinge, wie eine Spaßbremse, aber aus dem Brand im Camp muss die "7 vs. Wild"-Produktion lernen. Auch, wenn das bedeutet, dass man die Spektakelschraube, untypisch fürs Fernsehen, ausnahmsweise mal zurückdreht. Und damit die Gefahr bei "7 vs. Wild" etwas weniger real wird.

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