Wenn er es nicht macht, dann tut es niemand. Das Ein-Mann-Stunt-Kino von Tom Cruise stellt dem grauen CGI-Nebel moderner Blockbuster-Ware seit einigen Jahren eine greifbare Brachialität entgegen.
Tom Cruise, kletternd am Burj Khalifa. Tom Cruise, geschnallt an einen abhebenden Airbus. Tom Cruise beim Basejumpen mit einem Motorrad. Für "Mission: Impossible 8", der seit dieser Woche in den Kinos läuft, hing Tom Cruise an einer Einmotorigen, die etliche Loopings und Sinkflüge absolvierte.
Der Filmstar, so die Message, übereignet seinen Körper einer sterbenden Industrie als Verwertungsmasse. Aber das ist eigentlich untertrieben: Cruise setzt sein Leben für die Rettung des Kinos aufs Spiel.
Das kriselnde Hollywood will unbedingt an die Messias-Kräfte seines vielleicht größten Stars glauben. Dabei wird es höchste Zeit, diesen Mythos zu hinterfragen. Die Gleichung geht nicht mehr auf.
"Mission: Impossible 8" ist in seiner gesamten Unförmigkeit eine filmische Abbildung des Stunt-Kults um Tom Cruise. Denn eine erzählerische Idee, wie auf die Action-Szenen hingeführt werden soll, weist der Blockbuster nicht auf. Er besteht aus zwei großen Set-Pieces, die jeweils circa eine halbe Stunde Laufzeit einnehmen.
Beide Sequenzen werden von Tom Cruise angeführt. Und ja, sie sind beeindruckend, darum geht es nicht. Der Film erweckt aber den Eindruck, nur noch als Vorwand für die waghalsigen Cruise-Nummern zu existieren.
Die tatsächliche Produktionsrealität ist von dieser Annahme übrigens gar nicht so weit entfernt: Die Stunts werden zuerst geplant, danach das Drehbuch fertigstellt. Dieses Problem plagte teilweise schon den Vorgänger.
"Mission: Impossible 8" aber verkommt vollständig zu einer Art Zirkusarena. Der Film ruht sich auf seinen Cruise-Schauwerten aus. Er folgt damit einer schlüssigen, aber selbstzerstörerischen Logik.
Der Kinoretter-Kult um Tom Cruise geht vor allem auf "Top Gun 2" zurück, der das Kino im Jahr 2022 aus dem Corona-Schlaf rüttelte. Das Action-Sequel spielte fast eineinhalb Milliarden US-Dollar ein und wurde zum prägenden Film des ersten geöffneten Kino-Sommers seit Ausbruch des Virus. Die Branche hatte zwei Jahre furchtbar gelitten. Sie sehnte sich nach einem verbindenden Massenerfolg. Tom Cruise lieferte.
Die Werbe-Kampagne von "Top Gun 2" konzentrierte sich auf die handgemachten Spezial-Effekte und Stunts. Cruise und die übrige Besetzung hatten sich in echte Jet-Cockpits gezwängt und vorher ein entsprechendes, magenumstülpendes Training absolviert. "Top Gun 2" war Action-Kino der altmodischen Art und gerade deshalb so erfolgreich. Die Industrie verneigte sich zu Recht vor Tom Cuise, dessen eiserne Disziplin die gesamte Crew mitgerissen haben soll.
Seit "Top Gun 2" kann der Star sich eigentlich alles erlauben. Er verfügt in Hollywood über mehr Macht als die meisten Studiobosse. Paramount verdankt "Top Gun 2" vermutlich sein Überleben.
Nun ist das Studio auch für die "Mission: Impossible"-Filme verantwortlich, deren Budgets zuletzt explodierten.
Tom Cruise und sein Regisseur Christopher McQuarrie erhielten für die letzten beiden "M:IP"-Filme das, was im Blockbuster-Kino einer Carte blanche nahekommt. "Dead Reckoning" (2023) kostete mindestens 290 Millionen US-Dollar. "The Final Reckoning" (2025) soll zwischen 300 und 400 Millionen US-Dollar verschlungen haben: Spielgeld für gewaltige Stunt-Sequenzen.
In diesen Summen spiegelt sich der Glaube wider, dass das Cruise-Stunt-Kino dem Studio den nächsten "Top Gun 2"-Erfolg beschert. Aber: "Dead Reckoning" spielte vor zwei Jahren nur 571 Millionen Dollar ein und hätte an der Milliarden-Grenze kratzen müssen, um Profit zu machen. Kein "M:IP"-Film erreichte über 800 Millionen Dollar. Auch der aktuelle Teil dürfte das nicht schaffen.
Wie teuer ein Blockbuster war und wie viel er einspielt, kann dem Publikum am Ende natürlich egal sein. Aber diese Bereitschaft, das Bruttoinlandsprodukt von Kiribati (279 Millionen Dollar, 2023) in die Cruise-Produktionen zu investieren, wirkt dann doch zu irrational, um da nicht noch mal genauer nachzuhaken.
Hollywood steht vor einem Scheideweg. Die letzten zwanzig Jahre konnte sich die nordamerikanische Filmindustrie auf Franchises verlassen. Die Studios vernachlässigten zugunsten großer Reihen wie dem Marvel Cinematic Universe den Aufbau neuer Filmstars, die in den Jahrzehnten zuvor die Massen in die Kinos lockten. Und Hollywood trainierte sich erfolgreich das naive Zutrauen in Originalität ab.
Letztes Jahr wurde "Top Gun 3" angekündigt, natürlich mit Tom Cruise. Brad Pitt steigt dieses Jahr als über 60-Jähriger für "F1" in ein Formel-1-Cockpit, es ist selbstverständlich einer der teuersten Filme des Jahres. Die alten Recken sollen es richten. Und sie hören so bald auch nicht auf. Tom Cruise hat zuletzt angekündigt, Filme drehen zu wollen, bis er 100 Jahre alt ist.
Aber wer will einen 80 Jahre alten Ethan Hunt sehen, wenn schon der 80 Jahre alte Indiana Jones zuletzt nur noch Hardcore-Fans anzog?
In der Post-Corona-Phase lösen sich die alten Erfolgsformeln auf. Weder Marken noch Stars funktionieren verlässlich. Das Publikum reagiert auf Trends und Events ("Minecraft"). Originalität und Qualität ("Oppenheimer", "Blood & Sinners") erweist sich, wer hätte das gedacht, ebenfalls als wirksam. Auch eine originelle Werbekampagne kann einen Überraschungshit hervorbringen.
Der Markt ist so schwer durchschaubar wie nie zuvor. Wenn Paramount also sein gesamtes Vertrauen (und Geld) in Tom Cruise' Stunt-Show steckt, dann zeigt das vor allem: Das Studio weiß gerade nicht, wohin sonst damit. Es hält lieber an einem alten Glauben fest, als neue Wege zu gehen – und verkauft seine Zukunft mit Milliarden-Ausgaben an die Vergangenheit.