Ein junges Paar landet in einer Regennacht in einem verwunschenen Schloss, in der eine Gruppe notgeiler Aliens zusammen feiern, vögeln und Experimente an Menschen betreiben, bis sie genug von ihrem erratischen (und erotischen) Anführer, dem "sweet transvestite from transylvania" haben und den Aufstand üben. Kaum zu glauben, dass diese Geschichte seit einem halben Jahrhundert Kulturfans begeistert.
Die "Rocky Horror Show" ist auf Jubiläumstour durch Deutschland und wer Musicals mag, Vampire, Aliens, Horror, B-Movies oder einfach nur Sex, sollte sich das queere Kult-Stück (das bei der Uraufführung vor 50 Jahren bereits als Skandal galt) ruhig gönnen.
Allerdings – und das als Vorwarnung – lohnt sich etwas Vorbereitung, wenn man dieses Musical zum ersten Mal besucht. Denn hier sind die Zuschauer:innen traditionell Teil der Show-Atmosphäre und wer nichtsahnend den Saal betritt, mag sich über die eine oder andere Aktion von Sitznachbar:innen wundern …
So kommen die Besucher:innen oft in freizügigen Kostümen, schreien dem Cast unflätiges Zeug entgegen und werfen mit Gegenständen.
Zur Erklärung: als der Film zum Musical 1975 in die Kinos kam, war die Story um das Spießer-Pärchen Brad und Janet, die beide vom bestrapsten Hausherren Frank'n'Furter entjungfert werden, vielen US-Kinos zu unsittlich und queer. Sie verbannten die Vorführungen auf Mitternacht.
Doch gerade der Skandal zementierte die Popularität der Geschichte und zog einen grellen Fankult in Kinosälen nach sich, die dann ins Musical zurückschwappte.
Patricia Quinn, die als "Magenta" weltberühmt wurde, erinnert sich im Gespräch mit watson noch gut an diese Übergangszeit:
Doch sie gewöhnte sich langsam an das Eigenleben, das die Produktion entwickelt hatte: "Zuerst dachte ich, die sind alle verrückt geworden." Aber über die Jahre hätte sie viele Fans mit ihrem Zimmermädchen-Kostüm und roten Perücken gesehen und zunehmend begriffen, dass sich das ehemals kleine Stück zu echtem Kult entwickelt hatte. "Irgendwie ist es doch außergewöhnlich, dass die Menschen nicht mehr nur eine Figur sehen wollen, sondern sie sogar imitieren", sagt Quinn.
Damit du nicht auch überwältigt wirst, haben wir zusammengefasst, welche fünf Dinge du als "Rocky Virgin" wissen solltest, bevor du das Musical anschaust.
Korsetts, Pailletten und goldene Höschen, Federboas oder schwarze Spitze – nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum gilt der Dresscode der Transvestiten aus Transsilvanien.
Wer Verkleidungen liebt, darf hier richtig aufdrehen und wird damit nicht alleine sein. Natürlich gibt es auch im 0-8-15-Outfit Einlass, aber wo bleibt da der Spaß? Wem das zu nackig ist, findet in Brad und Janet's Preppy Look ein textiles Schlupfloch. Was auch geht? Laborkittel und Gummihandschuhe. Fragt nicht.
Wie bereits erwähnt: bei der Rocky Horror Show ist es üblich, dass die Zuschauer:innen laut die Geschichte oder die Figuren auf der Bühne kommentieren. Brad wird mit einem lauten "Asshole" begrüßt, Janet mit einem saftigen "Slut".
Im Prinzip kann alles kommentiert werden, mit Vorliebe auf vulgäre Art. Besonders viel Gegenwind erfahren aber traditionell die Erzähler:innen, welche in der deutschen Version neben Hugo Egon Balder, Ilka Bessin und Arabella Kiesbauer von Sky du Mont gemimt werden.
Für den Autoren und Comedian, der den Job des Erzählers schon einige Male übernommen hat, war das zu Beginn ebenfalls ein Schock, wie er gesteht:
Von "Geh nach Hause, du Mont!", bis "Sky, ich will ein Kind von Dir" ist alles dabei. Auch wenn er an das Skript gebunden ist, reagiert der Schauspieler wenn möglich auf die Rufe. "Zumindest kleine Gesten gehen schon", sagt er. Und schiebt sich demonstrativ die Brille mit dem Mittelfinger zurück auf die Nase.
Wer also schon in der Schule mit unflätigen Zwischenrufen geglänzt hat und einen Hang zum ungefragten Kommentar besitzt, ist hier genau am richtigen Ort.
Selbst Menschen, die weder Film noch Musical kennen, haben sicher schon einmal den weltberühmten "Time Warp" zu Ohren bekommen. Wenn dieser Song auf der Musicalbühne erschallt, ist es common sense, dass die Zuschauer:innen die Choreografie mittanzen.
Zum Glück ist das nicht weiter schwer, da die Schritte simpel sind: beide Arme werden nacheinander in die Höhe gestreckt (bei "Let's do"), dann auf die Hüften gelegt (the "Time Warp"), dann die Hüfte zu "again" gekreist. Idiotensicher.
Wer darüber hinaus mit Tanzskills trumpfen will, hält sich am besten an die weiteren Anweisungen aus dem Refrain, der da lautet:
Let's do the Time Warp again
Let's do the Time Warp again
It's just a jump to the left
And then a step to the right
Put your hands on your hips
You bring your knees in tight
But it's the pelvic thrust
That really drives you insane
Let's do the Time Warp again
Let's do the Time Warp again
An mehreren Stellen im Musical werden von Fans Accessoires eingebaut. Diese müssen in weiser Vorbereitung mitgebracht werden, sofern man es denn will.
Das deutsche Publikum ist diesbezüglich zwar verhalten im Vergleich mit angelsächsischen Zuschauer:innen, aber du kannst ja mit gutem Vorbild (und das ist natürlich immer das britische) vorangehen.
Damit dein Einsatz nicht daneben geht: Ziemlich bald zu Beginn muss Janet aus dem Auto aussteigen und begibt sich in den strömenden Regen. Um sich zu schützen, hält sie eine Zeitung über ihren Kopf – und die Zuschauer:innen machen es ihr nach. Aus gutem Grund: zuweilen bringen nämlich einige Schelme Wasserpistolen mit, um an dieser Stelle Regen im Saal zu simulieren.
Auch eine Rolle Klopapier gehört in die Handtasche. Wenn der irre Frank'n'Furter nämlich sein geiles Lustobjekt Experiment "Rocky" von Bandagen befreit, schmeißen die Zuschauer:innen Klopapier-Schlangen durch den Raum. Benefit: Sollte keine:r mitmachen, kann dir zumindest kein sanitäres Defizit mehr den Abend verderben.
Weniger Aufwand macht hingegen ein Move, den Konzertgänger:innen, insbesondere Swifties, zur Genüge kennen. Wenn Brad und Janet auf die Suche nach einer Zuflucht gehen (was direkt zu Beginn geschieht), erschallt das Lied: "There's a light over at the Frankenstein place!"
Dies ist der Moment, in dem der Saal voller Lichter sein sollte: Knickstäbe, Taschenlampen, Handys – was leuchtet, gehört in die Luft gestreckt, damit die Helden auch sicher ihren Weg ins Horror-Haus finden, wo der Spaß erst richtig beginnt …