Wer kennt sie nicht, die immer neuen Social-Media-Trends? Mal sind sie harmlos, mal witzig oder positiv, mal komplett unnötig. Und viel zu oft auch fragwürdig. Neuester Hype: der sogenannte Chubby-Filter, der User:innen digital ein paar Kilo mehr auf die Hüften zaubert.
Die Idee dahinter wirkt auf den ersten Blick witzig gemeint – doch viele User:innen sind entsetzt. Der Vorwurf: Bodyshaming in Reinform. Expert:innen zeigen sich alarmiert. Auch die Influencerin Louisa Dellert warnt eindringlich vor der Wirkung des Filters – und wird dabei ungewöhnlich deutlich.
Der Chubby-Filter simuliert auf Knopfdruck ein dickeres Gesicht und einen fülligeren Körper – für jene, die ihn nutzen, ist es ein Lacher. Für einige ein Schock. Doch gerade das stößt vielen sauer auf. In einem eindringlichen Instagram-Video positioniert sich Louisa Dellert klar gegen den viralen Trend: "Dieser Filter geht gerade auf Social Media viral und er ist ein perfektes Beispiel für alltägliche Fettfeindlichkeit. Er ist nicht nur ein harmloser Spaß", sagt sie.
Dellert sieht hinter dem Filter ein gesellschaftliches Problem: "Er ist Teil einer größeren Struktur, die dicke Körper als abwertend und minderwertig darstellen." Solche Tools seien nicht einfach Unterhaltung, sondern könnten tiefgreifende Folgen für das Selbstwertgefühl junger Menschen haben.
Das Prinzip des Filters ist simpel – aber eben auch verletzend. Auf Tiktok kursieren unzählige Vorher-Nachher-Bilder, begleitet von Kommentaren wie "Oh mein Gott, ich sehe aus wie ein anderer Mensch!" oder "Zum Glück sehe ich nicht wirklich so aus."
Neben Dellert äußern sich auch viele weitere Tiktok-User:innen kritisch. Die BBC hat mit mehreren von ihnen gesprochen. Auch mit jenen, die sich von dem Trend verletzt fühlen – darunter Sadie aus Bristol. "Es fühlte sich an wie: 'Ich hab gewonnen, weil ich dünn bin – und fett zu sein wäre das Schlimmste überhaupt'", erzählt sie. Sadie hat 66.000 Follower:innen auf Tiktok und fordert, den Filter komplett zu verbannen.
Einige ihrer Followerinnen hätten ihr sogar geschrieben, dass sie Tiktok gelöscht hätten, weil sie sich durch den Filter unwohl fühlten. "Ich finde einfach nicht, dass man sich beim Öffnen einer App wegen seines Körpers ausgelacht fühlen sollte", sagt sie.
Und Nina aus Nordwales erklärt im Gespräch mit der BBC: "Der Filter stärkt ein Narrativ, das Aussehen mit Selbstwert gleichsetzt – das ist ein toxischer Blickwinkel, von dem ich dachte, wir hätten uns davon entfernt." Emma aus Ayr äußert sich ähnlich: "Menschen wurden als 'eklig' bezeichnet, nur weil sie auf dem Filterbild dicker aussahen. Für mich als kurvige Frau war das einfach entmutigend."
Auch aus wissenschaftlicher Sicht ist der Filter höchst problematisch. Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Emma Beckett sagt gegenüber der BBC: "Es ist ein großer Rückschritt im Kampf gegen Gewichtsstigmatisierung." Sie erklärt, dass der Filter alte, falsche Klischees zementiere – dass Menschen mit größeren Körpern faul und fehlerhaft seien und unbedingt vermieden werden müssten.
Laut Beckett können solche Inhalte gesellschaftlich weitreichende Folgen haben. "Die Angst vor Gewichtszunahme trägt zu Essstörungen und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bei, fördert eine toxische Diätkultur und öffnet Tür und Tor für Scam-Produkte und Crash-Diäten."
Louisa Dellert hält ihre Wut auf den Filter nicht zurück und stellt in ihrem Video klar: "Niemand schuldet euch, dünn zu sein. Du bist einfach ein Arsch, wenn du dich über den Körper anderer Menschen lustig machst und ihn abwertest."
Die Influencerin kritisiert zudem die Doppelmoral vieler User:innen: "Ihr habt anscheinend kein Problem damit, wenn Menschen täglich rauchen, Alkohol trinken oder zu schnell fahren und damit andere Menschen gefährden – aber wenn jemand nicht eurem Schönheitsideal entspricht, dann ist auf einmal die Gesundheit das große Thema?"
Für sie ist klar: Der Filter ist kein harmloser Trend und jede:r, der ihn benutzt, trägt zum Problem bei. In ihrem Instagram-Video appelliert sie deshalb an die Instagram-Community: "Wenn ihr diesen Filter feiert und benutzt, dann seid ihr einfach Teil des Problems – und denkt vielleicht noch mal darüber nach, warum."