Am Mittwoch wandte sich Wladimir Putin in einer TV-Ansprache an das russische Volk. Der Präsident verkündete eine Teilmobilmachung, mit der 300.000 Reservisten zum Dienst an der Waffe verpflichtet wurden. Gleichzeitig drohte Putin den westlichen Staaten erneut mit dem Einsatz von Atomwaffen.
Der Krieg in der Ukraine läuft nicht nach den Vorstellungen des Kremls, weshalb Putin immer härtere Maßnahmen ergreift. "Der Krieg eskaliert – wie gefährlich ist Putins Schwäche?", fragte Maybrit Illner deshalb am Donnerstagabend die Gäste ihrer ZDF-Talkshow.
Mit folgenden Gästen diskutierte Maybrit Illner am 22. September 2022:
Die Talkshow von Maybrit Illner am Donnerstagabend verlief lange Zeit ruhig. Die sechs geladenen Gäste waren sich in vielen Punkten einig, immer wieder wurde zustimmend mit den Köpfen genickt. Illner hatte keine Probleme, die Runde zu moderieren, alle ließen sich gegenseitig ausreden. Erst als die Journalistin Sabine Adler auf die verfehlte Energiepolitik zu sprechen kam, krachte es plötzlich im Studio.
Zunächst ging es um Teilmobilmachung in Russland, die Putin von allen Anwesenden als Schwäche ausgelegt wurde. "Putin war noch nie so unter Druck wie jetzt", sagte Rüdiger von Fritsch: "International wie auch innenpolitisch. Das führt zu dem tragischen Schluss, dass Putin diesen Krieg nicht verlieren darf, denn er kämpft um seine eigene Macht."
Auch Norbert Röttgen bezeichnete die Teilmobilmachung als kontraproduktiv, da Putin seinem eigenen Volk Angst gemacht habe. Der SPD-Politiker Lars Klingbeil stimmte seinem CDU-Kollegen zu, der russische Machthaber habe den Krieg an die russischen Küchentische getragen.
Im ganzen Land kam es zu Protesten. Der Militärexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala prophezeite den mobilisierten Reservisten ein düsteres Schicksal. Es fehle an geeigneter Ausrüstung und Ausbildung, Putin schicke somit "jede Menge Kanonenfutter an die Front".
Das Momentum scheint aktuell ohnehin bei der Ukraine zu liegen, die zuletzt die russische Armee an vielen Orten zurückdrängen konnten. Die ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf sprach darüber, wie die russische Propaganda ihre Wirkung in der Ukraine verloren habe. "Es haben Menschen in der Ukraine tatsächlich geglaubt, dass die ukrainische Armee ihre Kinder tötet. Das ist jetzt nicht mehr so", sagte Eigendorf: "Mittlerweile wird Russland ganz klar als Feind gesehen."
Auch China und Indien seien von Russland abgerückt und hätten Putin deutlich vor dem Einsatz von Atomwaffen gewarnt. "Der Preis für den Einsatz von Atomwaffen ist für Putin extrem hoch", erklärte Masala: "Er ist kein suizidaler Akteur. Der Einsatz von Atomwaffen muss ein strategisches Ziel haben." Und dieses sei im Moment nicht gegeben, weshalb der Militärexperte nach Putins Rede kein gestiegenes Risiko für den Einsatz von Atomwaffen sieht.
Etwas mehr als eine Dreiviertelstunde war zu diesem Zeitpunkt vergangen, die Runde war sich bis dahin durchgehend einig. Doch dann wechselte die Journalistin und Autorin Sabine Adler das Thema und plötzlich wurde es hitzig.
"Die gesamte politische Klasse hat den Fehler gemacht, dass niemand die Energiepolitik, die seit 2005 mit voller Kraft in die falsche Richtung marschiert ist, gestoppt hat", sagte Adler und warf der SPD unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder vor, den Grundstein für die Abhängigkeit von Russland gelegt zu haben. Unter Schröders Nachfolgerin Angela Merkel sei weiter in die falsche Richtung gegangen worden.
"Die Zeche dieser jahreslangen falschen Energiepolitik zahlt jetzt jeder einzelne Bundesbürger. Es werden Leute in tiefe Armut stürzen. Und es wird generell eine Verarmung der Bevölkerung geben", prophezeite Adler und gab die Schuld der SPD und der CDU/CSU. Nun müsse Ross und Reiter genannt werden, forderte Adler: "Die Bürger wollen wissen, wer ihnen diese Suppe eingebrockt hat."
Er sei nun als Parteivorsitzender in der Position, aufzuarbeiten, was schiefgelaufen sei, kündigte Klingbeil an. "Was werden Sie tun?", fragte Adler. "Ich weiß nicht, ob das jetzt die Fernsehzuschauer interessiert", antwortete Klingbeil. "Doch", hakte Adler nach. Klingbeil ging jedoch nicht ins Detail.
Die SPD habe die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 gewollt, stichelte nun Röttgen gegen den einstigen Koalitionspartner. Außerdem trage die deutsche Industrie Schuld, so Röttgen, die einen "brutalen Lobbyismus" betrieben habe, um an billiges Gas zu kommen und nicht an die Abhängigkeit von Russland gedacht habe. Mit Blick auf China befürchtete Röttgen, dass es wieder ein "kurzfristiges, egoistisches Denken" der Industrie gebe, dass in die nächste Abhängigkeit führen könnte.
Woraufhin Illner das nächste Thema anschnitt und behauptete, Bundeskanzlerin Merkel habe dazu beigetragen, mit Hilfe der umstrittenen Klimaschutzstiftung in Mecklenburg-Vorpommern von Präsident Donald Trump verhängte US-Sanktionen zu umgehen.
"Die hat Frau Schwesig gegründet", tat Röttgen den Vorwurf mit einem Lachen ab und verwies auf die Verantwortung der SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. "Mir ist das ein bisschen zu banal, dass das alles die SPD gewesen soll", warf der verärgerte Klingbeil ein: "Das waren wir beide, wir haben beide Fehler gemacht.“
Maybrit Illner beendete die gegenseitigen Schuldzuweisungen schließlich und leitete wieder zum ursprünglichen Thema Russland und Ukraine-Krieg über. Woraufhin sich die Diskussion in den letzten Minuten der Sendung wieder deutlich abkühlte.