Günther Jauch ist als Kommentator bei Sandra Maischberger zu Gast.bild: screenshot ard
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18.05.2022, 06:2318.05.2022, 07:09
Ukraine-Krieg, Gasversorgung und die Wahl in NRW: Sandra Maischberger surft in ihrer ersten Sendung in dieser Woche durch die Themen des Wochenanfangs. Mit dabei hat sie einen überraschend prominenten Moderator als Kommentator. Die Schaltung zu einem anderen Gesprächspartner klappt dafür nicht. Das sind ihre Gäste:
- Wolfgang Ischinger, Präsident des Stiftungsrates der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz
- Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur
- Günther Jauch, Fernsehmoderator
- Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios
- Helene Bubrowski, Parlamentskorrespondentin der "FAZ"
Maischberger (re.) mit ihren Kommentatoren Helene Bubrowski, Tina Hassel und Günther Jauch (v. li.).bild: screenshot ard
Normalerweise geben die politischen Gäste Sandra Maischbergers Sendung ihr Gewicht. Diesmal ist es einer ihrer Kommentatoren, der den wohl größten Namen in der Runde hat: Günther Jauch sitzt bei Maischberger am Diskussionstresen. Polit-Talk ist für den "Wer wird Millionär?"-Moderator durchaus vertrautes Terrain: Von 2012 bis 2015 hatte er in der ARD seinen eigenen Polittalk auf dem Sendeplatz von "Anne Will".
Polit-Junkie ist er geblieben, auch wenn er heute vor allem Unterhaltungsshow moderiert. Bei der NRW-Wahl habe er ab 17.30 Uhr vor dem Fernseher gesessen, bekennt Jauch. Ebenso gibt er zu, dass er die Saarlandwahl geschwänzt und bei Schleswig-Holstein erst um 19 Uhr eingeschaltet hat. Aber die NRW-Wahl sei eben wichtig. Für ihn liegt das schlechte Ergebnis der SPD auch an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich in den Wahlkampf aktiv eingebracht hatte. "Er kann sich keinen schlanken Fuß machen", dafür sei sein Gesicht in NRW zu oft plakatiert gewesen.
Lambrecht und andere "Problembären"
Ein anderes Problem der SPD heißt Christine Lambrecht. Die Verteidigungsministerin hat eine Liste von Pannen und Ungeschicklichkeiten angehäuft wie kein anderer aktueller Minister, zuletzt der zwar legale, aber instinktlose Hubschrauberflug mit ihrem Sohn. "Sie ist ist inzwischen fast nur noch zur Selbstverteidigungsministerin geworden", findet Jauch. Schuld an der Personalie Lambrecht sei "dieses schreckliche Proporzsystem". Weil es fürs Verteidigungsministerium eine Frau von der SPD sein musste.
Ihm wären da Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Lars Klingbeil (SPD) oder auch Jürgen Trittin (Grüne) als bessere Kandidaten in den Sinn gekommen. "Dieses Proporzdenken ist für meine Begriffe immer ganz schlecht. Soll übrigens auch in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelegentlich...", stichelt Jauch, der inzwischen nur noch bei RTL zu sehen ist. Maischberger entgegnet kurz und ironisch: "Habe ich noch nie etwas von gehört." Jauch trocken: "Ich verstehe."
Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, findet, dass Lambrechts Hubschrauberflug eigentlich "Peanuts" seien, aber eben auch ein Patzer von vielen. Lambrecht habe "keinerlei Gespür für Auftritte". Aber es gebe ja noch weitere "Problembären" im Kabinett.
Jauch fällt da sofort Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein. "Man hatte schon den Eindruck, dass Scholz ihn nicht wollte", Lauterbach sei vor allem durch öffentlichen Druck in sein Amt gekommen. Jauchs Urteil über Lauterbachs bisherige Arbeit:
"Er ist nicht gerade ganz vorne dabei, ein Ministerium zu organisieren."
Diskussion um Ukraine-Sieg beim ESC
Dann macht Maischberger einen kleinen Themenschlenker und fragt Jauch, ob er denn den ESC ganz gesehen habe. Er verneint lachend. "Mir fallen schon Sendungen schwer, die ich selber mache, die 3, 4, 5 Stunden dauern." Bei fremden Sendungen wäre das noch schlimmer. "Dafür bin ich zwischenzeitlich zu alt." Aber natürlich hat er vom Sieg der Ukraine gehört. "Ein schönes Zeichen, wenn damit ganz Europa zeigt, auf welcher Seite es steht", findet Jauch.
Die "FAZ"-Journalistin Helene Bubrowski sieht das eher kritisch. "Ich habe manchmal den Eindruck, wir machen es uns so bequem." Von den Ukrainern mit denen sie spreche, erfahre sie, dass die eigentlich genug von Solidaritätsbekundungen hätten, die bräuchten Hilfe und Waffen. Sie vergleicht die Situation mit dem Klaschen fürs Pflegepersonal während Corona. Es erfülle sie mit "leichter Bitterkeit, weil ich denke, wir machen das am Ende für uns".
Jauch fand Alice Schwarzers Brief "daneben"
Diesen Vorwurf mussten sich auch die Unterzeichner des ersten offenen Briefs an Olaf Scholz in der "Emma" gefallen lassen. Auch Jauch sei gefragt worden, ob er den von Alice Schwarzer initiierten Schrieb gegen Waffenlieferungen unterschreibe. Er habe lange überlegt, sagt er, und erzählt, dass er ja auch zwei Kinder aus Sibirien adoptiert habe. "Ich fand es tatsächlich daneben, was dieser Brief von Frau Schwarzer wollte." Denn eigentlich sei es die Kapitulation der Ukraine gewesen. Und dabei sei historisch falsch argumentiert worden, dass man einen Krieg gegen eine Atommacht nicht gewinnen könne.
"Die Geschichte zeigt, dass es anders ist." Die Amerikaner hätten in Vietnam verloren, die Russen 1979-1989 in Afghanistan und jüngst seien sogar drei Atommächte aus Afghanistan abgezogen und die Taliban hätten die Macht übernommen. Für Jauch ist es dringend notwendig, Putin in seine Grenzen zurück zu weisen.
"Wenn sich alle flach legen, wird es nicht bei der Ukraine bleiben, fürchte ich. Wenn sich gegen Hitler niemand gewehrt hätte, wie würde es in Europa aussehen?"
Günther Jauch
Zögern und zaudern gegenüber Putin gibt es vor allem von Deutscher Seite nicht nur wegen der Atomwaffen. Bei der Gasversorgung ist Deutschland auf Russland angewiesen. Durch die Umstände ist das Heizen mit Gas bereits deutlich teurer in Deutschland. Und die Preise werden wohl noch weiter steigen. Jauch befürchtet mit dem Versand der Nebenkostenabrechnungen für 2022 im Frühjahr 2023 "ein Heulen und Zähneklappern" bei vielen. "Ich weiß nicht, ob alle verstanden haben, dass man schon jetzt zurücklegen muss." Jauch ist Besitzer mehrerer Immobilien und hat darin selbst fast ausnahmslos auf Gas zum Heizen gesetzt. Der gut bezahlte Moderator kann die Mehrkosten wohl verschmerzen.
Ischinger vermutet langen Krieg
Wolfgang Ischinger glaubt, der Ukraine-Krieg ist noch lange nicht vorbei.bild: screenshot ard
Noch fünf Tage vor Kriegsbeginn war Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Wolfgang Ischinger in München. Der Präsident des Stiftungsrates der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz vermutet, dass Selenskyj damals schon ein Gespür hatte, was kommt. "Ich glaube, er ahnte es." Er glaubt, nicht, dass der Krieg schnell endet.
"Es geht jetzt um einen sich entwickelnden Stellungskrieg – das kann sich länger hinziehen."
Wolfgang Ischinger
Eine Chance auf Friedensverhandlungen sieht er erst, "wenn beide Seiten zur Überzeugung gekommen sind, dass sie den Krieg auf dem Schlachtfeld nicht mehr gewinnen können – von dem Punkt sind wir weit entfernt."
Das sieht man auch daran, dass es kein allgemein gültiges wirkliches Kriegsziel gibt. Im Moment herrsche "intellektuelles und politisches Chaos" in dieser Frage. "Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir in der Nato zu einer Sprache finden und das Kriegsziel definieren." Ischinger selbst sieht es so: "Die Ziele der Russen verhindern und der Ukraine zur Verteidigung ihrer Grenzen weiter helfen."
Dieser Krieg hat eine historische Dimension. Oft wird gesagt, dass er prägend für das künftige Europa sein wird. Dass er Europa schon jetzt verändert, sieht man daran, dass sich Schweden von 200 Jahren militärischer Neutralität verabschieden will, um in die Nato einzutreten. "Das ist ein Erdbeben für die Schweden und die europäische Sicherheitslandschaft", findet Ischinger. Es sei gut für Europa, die Schweden hätten eine "seht gute Marine" und die Finnen, die ebenfalls in die Nato wollen, seien "sehr gefürchtete Kämpfer". Fazit: "Das stärkt den Norden Europas."
Und wie steht er zu einer Aufnahme der Ukraine in die Nato?
"Nach dem, was sich die Russen geleistet haben, müsste man sagen: 'Jetzt holen wir die Ukraine erst recht in die Nato rein' – wer soll denn diesem Land die Sicherheitsgarantien geben, wenn einmal Frieden geschlossen ist?"
Wolfgang Ischinger
Die Aufnahme-Blockade durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sieht er eher als taktisches Manöver. "Irgendeine kleine Gegenleistung wird er haben wollen." Die werde man ihm geben und damit sei das Problem erledigt.
Klaus Müller hat "Sorgenfalten auf der Stirn"
Klaus Müller sorgt sich um die Gasversorgung.bild: screenshot ard
Eigentlich sollte Igor Wolobujew, ehemaliger Vizechef der Gazprombank, aus der Ukraine zugeschaltet sein, aber weil das technisch nicht klappt, führt Maischberger das geplante Doppelgespräch einfach allein mit Klaus Müller, dem Chef der Bundesnetzagentur. Thema: Die Gasversorgung in Deutschland.
Er schlafe zwar gut, weil er immer gut schlafe, habe aber "eine ganze Reihe von Sorgenfalten auf der Stirn", sagt er angesichts der Versorgungssituation. Die Gasspeicher seien zu 42 Prozent voll, besser als noch vor einigen Wochen, "aber noch nicht richtig gut". Hoffnungen setzt er auf den Bau des schwimmendes Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven, auch wenn er als ehemaliger Grüner Umweltminister Fracking-Gas nicht wirklich gutheißen könne. Derzeit gebe es aber andere Prioritäten:
"Wir leben momentan in einer Situation, wo Versorgungssicherheit ganz zentral ist."
Klaus Müller
Und das Terminal werde so gebaut, dass es künftig auch für die Nutzung mit Wasserstoff bereit ist.
Sein Rat an die Bevölkerung: "Wenn man sich vorbereiten will auf den Herbst, muss man jetzt sparen." Gas sei schon jetzt viel teurer geworden, im Gegensatz zum Benzinpreis sei der aber nicht überall gut sichtbar.
Sollte es irgendwann einmal zu wenig Gas geben, wird erst der Industrie das Gas abgedreht, Privathaushalte und wichtige Infrastruktur werden weiter versorgt. "Aber meine Sauna abstellten könnten sie gar nicht?", fragt Maischberger ironisch für alle besserverdienenden Eigenheimbesitzer. "Nein, aber ich kann appellieren", ist Müllers tapfere Antwort.