In der Ampel rumort es heftig bei der Frage, ob man deutsche Kampfpanzer an die Ukraine liefern solle. Derweil sorgen sich viele Menschen und Unternehmen vor einer Energieknappheit im Winter. Und selbst wenn die Energie fließt, werden die gestiegenen Kosten viele Menschen stark belasten und einige an den Rande der finanziellen Existenz bringen. Sandra Maischberger bespricht die Situation mit ihren Gästen, darunter auch zwei Damen, die so gar nicht miteinander können.
Eigentlich meiden Politiker anderer Parteien Gespräche mit Vertretern der AfD. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Anges Strack-Zimmermann hat sich bereiterklärt zu einem Streitgespräch mit der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel. Und Moderatorin Sandra Maischberger startet mit einer Schnellfragegrunde, die sofort zeigt, dass die Positionen kaum gegensätzlicher sein könnten.
Strack-Zimmermann ist dafür, Panzer an die Ukraine zu liefern, Weidel dagegen. Und bei den Sanktionen gegen Russland verhält es sich genauso. Nicht einmal bei der Einschätzung von Russlands Präsident Wladimir Putin sind sie sich einig: Strack-Zimmermann will Putin so schnell wie möglich vors Kriegsverbrechertribunal nach Den Haag schicken: "Muss unbedingt abgeführt werden, wenn er sein Land verlässt."
Weidel sagt, dann müssten da viele andere auch stehen, und sie will sich nicht einmal festlegen, ob er ein Diktator und Massenmörder ist. "Das wird die Geschichte sehen." Der russische Krieg gegen die Ukraine sei zwar "ein völkerrechtswidriger Angriff", aber die ganze Debatte werde viel zu verkürzt geführt", auch angesichts der gerade jüngst wieder entdeckten Massengräber müsse es erst eine objektive Aufklärung geben.
Nur als es um die Atomkraft geht, ahnt Strack-Zimmermann schon: "Ich befürchte, an dieser Stelle sind wir einer Meinung." Und in der Tat: beide finden, die AKW sollten in der Krisenzeit weiterlaufen, um Gas vorm Verstromen zu bewahren und die Preise wenigstens etwas niedriger zu halten.
Doch das soll die einzige Gemeinsamkeit bleiben. Moderatorin Sandra Maischberger bittet zwar schon zu Beginn des Gesprächs darum, auf das Ritual aus unterbrechen und "lassen Sie mich ausreden" zu verzichten. Aber es bringt nur wenig. Immer wieder muss Maischberger beide Damen ermahnen und Strack-Zimmermann kann sich Spitzen gegen Weidel nicht verkneifen. "Wissen Sie, Frau Weidel, ich weiß ja nicht, wann Sie in ihrem Leben falsch abgebogen sind …" Weidels Politik basiere auf "braunem Humus".
Alice Weidel findet, die Bundesregierung hätte sich grundsätzlich nicht im Ukraine-Krieg "einmischen" dürfen und müsse nun unbedingt verhindern, Kriegspartei zu werden, und damit "die Eskalationsspirale" nicht weiterzudrehen und "einen dritten Weltkrieg mit zu provozieren". Waffenlieferungen, besonders schwere Waffen, sind für sie ein Tabu.
Strack-Zimmermann betrachtet das Ganze eher aus ukrainischer Opfer-Perspektive:
Außerdem sei es nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen das ganze westliche Wertesystem. Sie ist sich sicher, wenn man Putin jetzt nicht stoppe, greife er auch bald das Baltikum an.
Weidel hingegen glaubt, Olaf Scholz und Annalena Baerbock hätten "doch schon lange den Weg zu einer Friedenslösung einschlagen müssen". Strack-Zimmermann fragt provozierend, wie sie sich das denn vorstelle. "Die rufen jetzt an und sagen Wladi: 'Wir reden jetzt mal!'"
Abgesehen davon, dass Olaf Scholz ja gerade erst kürzlich mit Wladimir Putin telefoniert hat, bleibt Weidel eine Antwort schuldig: "Es sind doch Sprüche. Sie werden mit Putin keine Friedensverhandlungen schaffen", lautet auch das Fazit von Strack-Zimmermann. Alice Weidel entscheidet sich für einen Frontalangriff als Konter:
Die FDP-Politierin sei "Lobbyistin der Rüstungsindustrie" – sie ist Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer – und habe deshalb Interesse am Krieg. Doch dieser widerspreche den Interessen der deutschen Bevölkerung: "Die Menschen sehen es auf ihren Stromrechnungen und in den Läden. Was wir hier betreiben, ist kollektive Selbstschädigung."
Dem hält Strack-Zimmermann entgegen, dass laut einer aktuellen Umfrage 70 Prozent der Bundesbürger trotz massiv gestiegener Kosten, die Sanktionen weitertragen wollen.
Zu befürchten ist, dass dieser Wert mit sinkenden Temperaturen nicht steigen wird.
Und das sehen auch Maischbergers Kommentatoren so. Comedian Oliver Kalkofe findet, die aktuelle Situation mache die Arbeit für Komiker wie ihn nicht leichter. "Da kommt einem auf dem Weg zur Pointe das eigene Moralempfinden in den Weg." Er wolle nicht billig auf Duschtipps von etwa Robert Habeck (Grüne) raufhauen und auch nicht riskieren, dass seine eigenen Witze "von der falschen Seite" missbraucht werden.
Zum Beispiel die Auswirkungen der Russland-Sanktionen in Deutschland. Kerstin Palzer, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio, findet, man müsse "nachjustieren". "Es ist ja schon zu sehen, es funktioniert nicht so wie wir gedacht haben – oder noch nicht." Während aus Russland wenig schlechte Nachrichten nach Westen dringen, sei für Bürger und Industrie in Deutschland die Energiekrise deutlich spürbar. "Viele Menschen stehen so mit dem Rücken zur Wand“, sagt Palzer. Jetzt müsse die Politik liefern.
Gabor Steingart, Herausgeber Media Pioneer, wird noch deutlicher. "Es spricht sich herum, dass sie ein Schuss ins Knie waren – aber nicht von Herrn Putin." Die Sanktionen gegen Russland seien ein "schlimmer Rohrkrepierer", gar "ein Wirtschaftskrieg gegen die eigene Bevölkerung".
Als ehemaliger Botschafter ist Wolfgang Ischinger eigentlich ein Meister der ausweichenden Sprache. Aber zum Krieg in der Ukraine formuliert er deutliche Meinungen. Für ihn steht fest: "Dieser Krieg ist noch lange nicht zu Ende.“ Allerdings spürt er auf russischer Seite eine Nervosität. Er hält die Referenden in der Ostukraine für Ablenkung, weil Russland militärisch-strategisch nichts mehr einfalle. "Niemand auf der Welt, keine Regierung, nicht einmal die chinesische wird dieses Referendum anerkennen."
Seine Hoffnung ist, dass Putin einsehe, dass er keinen baldigen Sieg davon tragen werde und darum innenpolitisch gesichtswahrend erklärt, dass er seine Kriegsziele erreicht habe, in dem er die Ostukraine erobert und der Ukraine schwere Schäden zugefügt hat. Dann wäre die Bahn frei für Verhandlungen, glaubt Ischinger.
Aber ob die Ukrainische Regierung nicht Verhandlungen über die Abgabe von Gebete ausgeschlossen hätten, wirft Maischberger ein. "Die sind ganz ganz realistisch", behauptet Ischinger von Präsident Wolodymyr Selenskyj und dem Rest der Regierung, die er bei einem Besuch in Kiew erlebt hat. Ischingers Eindruck: Die ukrainische Führung könne sich Gebietsabtritte in Friedensverhandlungen vorstellen, will das nur noch nicht offiziell dem eigenen Parlament und der Bevölkerung offiziell kommunizieren. (Ark)