Wer am Mittwochabend Markus Lanz sehen wollte, musste sich lange gedulden. Erst um 0 Uhr, genau genommen also schon am Donnerstag, ging die Talkshow im ZDF auf Sendung. Angesichts der späten Uhrzeit waren auch nur zwei Gäste im Studio, die viel mit Eintracht Frankfurt zu tun haben, aber über weitaus mehr als Fußball zu berichten hatten.
Folgende Gäste waren bei Markus Lanz im Studio:
Sowohl Markus Lanz als auch Eintracht-Präsident Peter Fischer sind eigentlich dafür bekannt, gerne und viel zu reden und anderen auch schon mal ins Wort zu fallen. Als Helmut Sonneberg in der Mittwoch-Ausgabe der Talkshow seine Lebensgeschichte erzählte, schwiegen beide aber minutenlang.
Erst im Alter von sieben Jahren hatte "Sonny" erfahren, dass er Jude ist. Was das ist, wusste er zunächst nicht. Was es für ihn bedeutete, musste der Frankfurter aber schon bald schmerzhaft erfahren. Seine Mutter ließ ihn nicht auf die Straße, da er aufgrund des gelben Judensterns von anderen Kindern verprügelt hätte werden können. Wie Freiwild sei er gewesen, erzählte Sonneberg.
"Ich war wie lebend eingemauert", erinnerte sich Sonneberg, auch zur Schule durfte er nicht gehen. "Ich hatte nie einen Freund", berichtete er weiter und brach in Tränen aus. Im Alter von 14 Jahren wurde er von den Nazis gemeinsam mit seiner Mutter in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Hunger und Angst bestimmten den Alltag, bei der Befreiung wog Sonny noch 27 Kilogramm.
Das ganze Leid des Holocausts hat Sonneberg mit eigenen Augen gesehen. "Ich bin ein glühender Pazifist. Aber wenn einer sagt, dass das alles nur gestellt war… dem schlage ich in die Fresse", sagte er entsprechend deutlich in Richtung aller Leugner und Relativierer des Holocausts.
Erst nach dem Krieg fand Sonny über den Fußball und die Eintracht Freunde. Als Fan erlebte er mit, wie die Frankfurter 1959 Deutscher Meister wurden und sich im Jahr darauf erst in einem denkwürdigen Finale des Pokals der Landesmeister Real Madrid geschlagen geben mussten.
Mitglied bei der Eintracht war er dennoch lange nicht. Der Grund dafür war Rudolf Gramlich, der von 1955 bis 1970 Präsident des Vereins aus der Mainmetropole war. Aufgrund seiner Nazi-Vergangenheit als SS-Mann wurde Gramlich 2020 die Ehrenpräsidentschaft entzogen. Sonneberg hingegen bekam von Fischer die Mitgliedschaft auf Lebenszeit verliehen.
"Er ist ein Leuchtturm im Verein", sagte Fischer. Der Präsident positioniert sich immer wieder gegen klar gegen jegliche rechte Tendenzen, so laut und deutlich wie sonst niemand im professionellen Fußballgeschäft. In der Zeit von Fischers Präsidentschaft entwickelte sich die Eintracht zu einem Verein, der sich gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung engagiert und dies auch in seiner Satzung verankert hat. Weshalb Fischer in den letzten Jahren immer wieder klarstellte, dass AfD-Wähler und -Mitglieder bei der Eintracht nicht willkommen sind.
"Es gibt ein Regal mit Leitz-Ordnern in meinem Büro, voll mit bösesten Bedrohungen", berichtete Fischer von den Reaktionen auf seine Haltung. "Mir haben Leute geschrieben: 'Wir bauen die Öfen für dich wieder auf und schieben dich da rein.'" Er habe unbeschreiblichen Hass erlebt und Drohungen gegen seine Familie, auf der anderen Seite aber auch überwältigenden Zuspruch und Solidarität.
Umso bitterer war, was kürzlich bei dem Auswärtsspiel der Frankfurter in der Champions League bei Olympique Marseille passierte. Bei dem von Krawallen überschatteten Spiel zeigten zwei Männer in Eintracht-Kleidung mehrfach den Hitlergruß, die Bilder verbreiteten sich in ganz Europa.
"Diese Bilder beschämen mich zutiefst. Ich habe keine Erklärung dafür", sagte Fischer, der die Zustände in Marseille als bürgerkriegsähnlich beschrieb. Auch Helmut Sonneberg bezeichnete die Hitlergrüße der Eintracht-Fans als "beschämend". Es fällt nicht schwer, sich auszumalen, wie sehr ihn als Überlebenden des Holocausts und lebenslangen Eintracht-Fan die Bilder geschmerzt haben müssen.