Bei "Stern TV" mit Steffen Hallaschka geht es in dieser Woche um das Geheimtreffen in Potsdam, bei dem unter anderem AfD-Mitglieder Ideen der sogenannten "Remigration" missliebiger Menschen mit Migrationsgeschichte groß diskutiert haben. Seitdem kocht die Diskussion um ein Verbot der Partei wieder hoch.
Als zweites Thema geht es um niedrige Löhne und das Leben vom Bürgergeld. Steffen Hallaschka stellt eine Frau mit zwei Jobs und eine Familie, die von Bürgergeld überraschend sparsam leben kann, gegenüber.
Marco Wanderwitz (CDU), Ex-Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, schätzt die Möglichkeit, dass ein Verbotsantrag gegen die AfD Erfolg hat, auf "8+" von 10 ein. "Ich bin der Meinung, der Zeitpunkt ist gekommen, wo wir das betreiben sollten, die Radikalisierung wird weitergehen", findet Wanderwitz.
Der Rechtswissenschaftler Markus Ogorek ist da weniger eindeutig. Er sieht eine 50:50 Chance, obwohl für ihn feststeht:
Allerdings sei gerade die Bundespartei "clever genug zu formulieren, dass es nicht verfassungsfeindlich ist".
Stattdessen solle man sich lieber einzelne Landesverbände rechtlich ansehen, schlägt er vor. Und auch Wanderwitz gibt zu: "Wir haben es mit einer nicht einfachen Situation zu tun."
"Stern TV" hat sich aufgemacht nach Duisburg zum AfD-Neujahrstreffen. Thema ist dort natürlich auch die "Remigration".
Von den Besuchern des Neujahrsempfangs gibt es auch einige, die augenscheinlich selbst eine Migrationsgeschichte haben. Eine mittelalte Frau mit asiatischen Wurzeln stimmt der Migrationsidee aber zu und suggeriert eine negative Entwicklung Deutschlands angesichts zunehmender Flüchtlingszahlen. "Vor 30 Jahren ist Deutschland noch anders gewesen." Ihr Mann ergänzt: "Man muss da differenzieren. Keiner von uns will ein Drittes Reich, aber die Gesetze müssen eingehalten werden."
Der NRW-Fraktionsvorsitzende der AfD, Martin Vincentz, betont vor der Versammlung, dass die AfD keine rechtsextreme Partei sei. "Rechtsextreme gibt es bei uns nicht – wenn sich jemand in der Tür geirrt hat, fliegt er bei uns raus", sagt der Allgemeinmediziner und fügt an, dass sein Trauzeuge dunkelhäutig sei, um zu belegen, dass er nicht rassistisch wäre.
Bei der Veranstaltung reißt er danach aber einen zweifelhaften Witz. "Humor lebt davon, dass er auch mal schmutzig sein kann. Am besten ist eigentlich der Humor, der so schwarz ist, wie der Amazon-Bote, der ihnen die Pakete bringt", ruft er ins lachende Publikum.
Für die zugeschaltete Journalistin Annette Dowideit vom Recherchezentrum "Correctiv", das das Geheimtreffen aufgedeckt hat, besteht kein Zweifel an der rechtsradikalen Ausrichtung der Partei. Alice Weidels enger Mitarbeiter Roland Hartwig, der nach Bekanntwerden seiner Teilnahme am Treffen entlassen wurde, sei "ein Bauernopfer" gewesen. Der AfD-Mitarbeiter Mario Müller sei ein vorbestrafter Gewalttäter und soll sich auf dem Potsdamer Treffen mit Gewalttaten gegen einen Linksautonomen gebrüstet haben. Und er sei noch immer Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, so Dowideit.
Die Politikwissenschaft-Studentin Sarah Pomane N'Sabaka, die Deutsche mit kongolesischer Migrationsgeschichte ist, bekennt angesichts der Entwicklungen:
Sie sieht einem Verbot der AfD zwiespältig gegenüber, weil sie auch eine Stärkung der Strukturen dadurch für möglich hält und dass sich einfach eine neue radikale Partei gründet.
Auch die "Stern TV"-Zuschauer sind vergleichsweise unschlüssig, was ein Verbot angeht: 43 Prozent stimmen bei der Telefonumfrage für ein Verbot, 55 Prozent dagegen, 2 Prozent enthalten sich.
Beim zweiten Thema geht es um das Leben mit schlecht bezahlten Jobs im Vergleich zum Leben vom Bürgergeld. Die Kölnerin Manuela Jahn hat zwei Jobs und muss trotzdem jeden Euro zweimal umdrehen.
Die 55-Jährige verdient vormittags als Arzthelferin 1327,53 Euro netto und mit dreimal die Woche Nachmittags-Spüldienst in einem Restaurant 501,28 Euro. Die Frau, die schon eine Privatinsolvenz und eine Phase mit Hartz IV hinter sich hat, findet: "Das macht Spaß." Ihr bleiben nach Abzug der Fixkosten 633,80 Euro im Monat. "Ich bin ein aktiver Mensch, ich muss immer was zu tun haben, das ist für meine Seele gut."
Ihr stellt die Redaktion die Familie Nitschke gegenüber. Die beiden Eltern und das Kind leben von Bürgergeld. Mit Bürgergeld, Kindergeld und Unterhalt haben sie 2815 Euro. Nach Abzug der 662 Euro Fixkosten bleiben ihnen 2153 Euro im Monat. Sie haushalten so gut, dass sie pro Monat 1293 pro Monat sparen können.
Carla Lutterbach, Geschäftsführerin des Sozialverbandes in Köln, bemüht sich, diesem krassen Beispiel entgegenzuwirken. Arbeiten sei "ganz wichtig für die Psyche", betont sie. Und: "Die Debatte, dass man Menschen mit Bürgergeld als Schmarotzer darstellt, ist völlig aus der Luft gegriffen." Ihrer Erfahrung nach wollten fast alle Bürgergeldempfänger arbeiten. (Ark)