Sowohl die Grünen als auch die Linke sind stark in der Friedensbewegung verwurzelt. Doch während sich die Linke am Pazifismus festklammert, haben sich die Grünen angesichts der weltpolitischen Lage erstaunlich schnell umgestellt. Bei Sandra Maischberger treffen Janine Wissler (Linke) und Anton Hofreiter (Grüne) aufeinander. Daneben sind folgende Gäste dabei:
So klar für die Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler ist, dass man der Ukraine humanitär helfen muss, so skeptisch ist sie bei Waffenlieferungen. Waffen würden diesen Krieg nicht schnell beenden, ganz im Gegenteil:
Zudem ist sie überzeugt: "Dieser Konflikt ist militärisch nicht zu lösen", am Ende werde eine Verhandlungslösung stehen. Darum plädiert sie für Sanktionen und deren zielgenauen Einsatz.
Doch damit steht sie ziemlich allein da. Am Freitag soll die nötige Grundgesetzänderung beschlossen werden, damit die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte "Zeitenwende" zur Aufrüstung der Bundeswehr aufgenommen werden können. Die Linken werden dagegen stimmen, kündigt Wissler an. Der Verteidigungshaushalt sei seit 2014 um 50 Prozent gestiegen. "Das macht die Welt nicht friedlicher." Viel eher solle man sich das mangelhafte Beschaffungswesen bei der Bundeswehr ansehen. Die Nato habe das 20-fache Militärbudget von Russland. "Mit 100 Milliarden könnte man alle Schulen in Deutschland sanieren. Wir bräuchten dringend Geld, um Armut zu bekämpfen", findet Wissler.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ist mittlerweile für Waffenlieferungen für die Ukraine, nachdem er dies zunächst abgelehnt hatte. "Wir haben uns in einigen Dingen grundlegend geirrt", gibt er freimütig zu. Warum er nach der Annexion der Krim Waffenlieferungen an die Ukraine abgelehnt hat, weiß er nicht mehr so genau. "Vielleicht war es damals schon naiv", aber nun sei es eben eindeutig angezeigt angesichts des "imperialen, kolonialen Angriffskriegs", den Putin führt. Man müsse "zu Ende denken", was es bedeute, wenn die Ukraine keine Waffen bekäme: Dann würde Russland innerhalb kürzester Zeit die gesamte Ukraine besetzen, die Menschen drangsalieren – und als nächstes in der Republik Moldau weitermachen. "Wir stärken die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine so sehr, dass es sich für Russland nicht mehr lohnt, den Krieg fortzusetzen", hofft Hofreiter.
Der Aufruf zu Verhandlungen allein bringe nichts. "Das Problem ist, wenn der Aggressor nicht bereit ist zu verhandeln, dann hilft es nichts, dem Opfer zu sagen: 'Jetzt verhandelt mal!'" Das würde auch noch zu einer weltweiten Aufrüstung führen. Er würde es sich auch anders wünschen. Aber: "So ist halt die Welt gerade nicht. Wir können uns Putin nicht backen."
In den vergangenen Wochen hat Hofreiter immer wieder bewiesen, dass er sich mit Waffensystemen überraschend gut auskennt. Bis zur Kaliberzahl hat er sich eingearbeitet. Bisweilen hatte es schon etwas sehr Skurriles, wenn Hofreiter über Waffen dozierte. Als Sandra Maischberger ihn darauf anspricht, gibt er zu: "Ich habe halt manchmal ein bisschen was Nerdiges." Aber er wolle eben verstehen, wovon er spricht.
Und so hat er auch Überraschendes festgestellt: "Die Bundeswehr funkt noch immer analog." Als einziges Mitglied der Nato. Es seien Funkgeräte "wie sie Kinder am Schulhof nutzen". Allein, um die Bundeswehr digital auszustatten, brauche man einen zweistelligen Milliardenbetrag. "Sonst kann die russische Armee direkt mithören."
Bundeskanzler Scholz steht nicht nur mit seiner Politik, sondern auch mit seiner wenig direkten Kommunikation für die zögerliche Haltung Deutschlands. Doch Sonia Mikich, ehemalige Leiterin des ARD-Studio Moskau, zeigt sich beeindruckt von Scholz' jüngster Rede bei der Generaldebatte im Bundestag zum Sondervermögen. Für sie war sie "Befreiungsschlag", für seine Verhältnisse habe er "geradezu getobt". Dass er der Ukraine ein Luftabwehrsystem in Aussicht gestellt hat, findet sie gut. "Der Preis muss für Putin hoch sein und dafür braucht es Waffenlieferungen." Aber für sie ist auch klar, dass es nach dem Ende des Krieges keine Zukunft in Europa ohne Russland geben kann. "Das ist der größte Flächenstaat der Erde, das kann nicht zu einem Nordkorea werden."
Die Angaben über die von Deutschland in die Ukraine gelieferten Waffen sind nicht so leicht zu durchblicken. Aber für "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen steht fest:
Bundeskanzler Olaf Scholz bewege sich nur, wenn der Druck auf ihn zunehme, findet Feldenkirchen. Seine Vermutung hinter Scholz' Haltung: "Er versucht immer, eine Balance herzustellen." Natürlich wolle er nicht, dass die Ukraine überrannt werde. Aber: "Man hat nach wie vor Angst, dass Putin, wenn er sich total in die Ecke gedrängt fühlt, zu seinen bösen Atomwaffen greift."
"FAS"-Kolumnist Rainer Hank hat Verständnis für Scholz' Haltung. Als Bundeskanzler habe er seinen Amtseid für alle Deutschen geleistet und da seien eben auch genug darunter, die Waffenexporte problematisch finden. "Deshalb kann er nicht zum militaristischen Stürmer werden." Hank glaubt, dass ein sofortiges Gas-Embargo Deutschland zum einen nicht so schlimm zusetzen würde wie behauptet, zum anderen wäre es "das Stärkste, was Putin treffen könnte". Auf Gas-Sanktionen zu verzichten sei "unaufrichtig und verlogen".
Der Krieg hat auch die Pläne von Geiger David Garrett über den Haufen geworfen. Eigentlich wäre er nun in der Ukraine auf Tournee unterwegs. Konzerte in Charkiw und Odessa waren geplant. Auch in Russland hätte er spielen wollen, doch er sagte ab.
Er habe in Russland auch Freunde, "die ganz andere politischer Meidung sind und es nicht für gut heißen, was Putin da mit seinem Krieg in der Ukraine anrichtet".
Er hat auch ein ganz persönliches Verhältnis zur Ukraine: Seine Großmutter ist in den 40er Jahren aus der Ukraine in den Westen geflohen, nachdem sie enteignet worden war. Das schreibt er in seiner gerade veröffentlichten Biografie "Wenn Ihr wüsstet". Natürlich geht es auch darum, wie er als Kind zum Star-Geiger wurde. Er hat damals schon zwei bis drei Stunden am Tag geübt. Mit "tollen Lehrern, auch aus Russland". Sie hätten ihn "geformt", sagt er, und fügt dann an: "Heute würde man sagen: gedrillt."