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"Hart aber fair": ARD-Journalistin berichtet von heftiger China-Zensur beim Tee

Tamara Anthony leitet das ARD-Studio in Peking.
Tamara Anthony leitet das ARD-Studio in Peking.bild: screenshot ard
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"Hart aber fair": ARD-Journalistin erzählt von China-Zensur beim Tee

01.02.2022, 16:22
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Unterdrückte Minderheiten, eine drangsalierte Opposition und der Schnee für die Winterspiele kommt zu 100 Prozent aus Schneekanonen. Am Freitag starten die Olympischen Spiele in Peking. Die ARD sendet einen ganzen Themenabend dazu und auch Frank Plasberg diskutiert über die problematischen Aspekte des Austragungsortes mit folgenden Gästen:

  • Christian Neureuther, ehemaliger Skirennläufer, hat dreimal an den Olympischen Winterspielen teilgenommen
  • Tamara Anthony, Leiterin des ARD-Studios Peking
  • Jürgen Hardt, CDU, Außenpolitischer Sprecher
  • Felix Lee, Journalist bei "taz – die Tageszeitung"
  • Marina Schweizer, Redakteurin und Moderatorin Deutschlandfunk

Tamara Anthony, Leiterin des ARD-Studios in Peking, hat sich für "Hart aber fair" extra früh aus dem Bett gequält. Sie ist aus Peking zugeschaltet und dort ist es zum Sendungsbeginn 4 Uhr morgens.

Sie erzählt, dass man mit Ausnahme von ein paar Werbetafeln in Peking nichts von den Olympischen Spielen mitbekommt, die bereits am Freitag beginnen. Und das obwohl das Olympia-Sportgebiet gerade einmal 50 Minuten vom Stadtzentrum entfernt liegt. Für sie sind die Olympischen Spiele fast wie eine "Truman-Show". Da würden nicht nur die Pisten mit Kunstschnee besprüht, sondern auch die übrigen Stellen der staubigen Berghänge, nur um im TV die perfekte Illusion zu erzeugen. Dabei gebe es durchaus richtige Skigebiete in China.

In einer ähnlich künstlichen Blase befinden Berichterstatter und Athleten während der Spiele. Sie wohnen in bestimmten Hotels und dürfen sich nicht frei bewegen. Wegen Corona, lautet die offizielle Begründung. Doch Tamara Anthony sieht das anders.

"Corona ist vielfach auch eine Ausrede geworden."
Tamara Anthony

Sie bemerkt Desinformation durch die offiziellen Stellen in China. So werde die Information verbreitet, dass Corona durch Ausländer verteilt werde. Chinesen würden mittlerweile skeptisch auf sie reagieren. "Manchmal wechseln sie die Straßenseite oder setzen ihre Masken auf."

Der Staat denkt und lenkt. Dass eine zu freie Meinungsäußerung Probleme bereiten kann, hätten die Menschen verinnerlicht. "Wenn man im Park spazieren geht und über Politik redet, drehen sich die Leute erstmal um und gucken, ob jemand hinter einem herläuft."

Wie weit der Arm der Regierung reicht, musste selbst H & M spüren: Als sich der Textilkonzern gegen Baumwolle aus der chinesischen Provinz Xinjiang wandte, weil dort die Minderheit der Uiguren in Straf- und Arbeitslagern gezwungen wird, waren kurz danach alle Hinweise auf die 400 Läden von Kartenapps in China gelöscht. Ob auf offiziellen Befehl oder vorauseilenden Gehorsam, lässt sich nicht sagen. Aber fest stehe: "Alles, was man nicht lesen soll, ist ganz schnell zensiert. Alles, was wir lesen, ist auch das, was wir lesen sollen."

Als Plasberg die ARD-Korrespondentin fragt, ob sie denn befürchten muss, mit ihren Aussagen in seiner Sendung Nachteile zu erfahren, stockt sie. Das kann aber auch an der langen Laufzeit des Bild- und Tonsignals nach Peking und zurück liegen. Dann antwortet sie: "Ähm ja, wir werden hier öfter zum sogenannten ‚Tee‘ eingeladen." Der finde im chinesischen Außenministerium statt und dann würden ihnen erklärt, was sie alles "falsch verstanden" hätten und künftig anders machen sollten. Ein gängiges Mittel der Disziplinierung für ausländische Journalisten sei auch, nur sehr kurze Visa zu vergeben. Manche hätten nur eine Aufenthaltsberechtigung von einem Monat und müssen dann verlängern.

Ex-Skirennläufer Christian Neureuther hat sich gegen Peking entschieden.
Ex-Skirennläufer Christian Neureuther hat sich gegen Peking entschieden.bild: screenshot ard

Der ehemalige Skirennläufer Christian Neureuther hat dreimal als Sportler an den Olympischen Winterspielen teilgenommen. Zusammen mit seiner Frau Rosi Mittermaier und dem gemeinsamen Sohn Felix Neureuther sollte die Ski-Dynastie "Testimonial-Familie" für die Olympischen Winterspiele in Peking werden. "Das ist spannend – aber wir schauen uns das an", dachte er sich. Er ist nach Peking gereist, hat sich die Lage angesehen und einen Vortrag über Nachhaltigkeit gehalten. "Aber der hat keinen interessiert." Einziges Anliegen sei gewesen, wie man Junge Leute in den Ski-Rennsport bekommt. Familie Neureuther hat dann abgelehnt.

Neureuthers Kritik an Olympia in Peking ist mehr ökologisch als politisch. "Es ist eine Gegend, die mit Wintersport nichts zu tun hat." In den Bergen in der Nähe der Hauptstadt fänden sich nur "graue Sandflächen", auf denen ein Wintersportgebiet aus dem Boden gestampft worden sei. "Alle mit Kunstschnee, dort regnet’s nie und im Winter fallen höchstens fünf Zentimeter Schnee. Das ist der völlig falsche Ort."

Aufwand und Geld scheinen in China jedoch kein Hindernis zu sein: Die längste Rennrodelbahn der Welt wurde für 2,4 Milliarden Euro gebaut, in München hätte es ein Budget von 1,3 Milliarden für die ganzen Spiele gegeben.

Auch Jürgen Hardt, Außenpolitischer Sprecher der CDU, sagt ganz klar:

"Ich glaube, es war falsch, die Winterspiele nach Peking zu geben – es war eine Sportentscheidung aber hochpolitisch."
Jürgen Hardt

China versuche massiv seinen Einfluss weltweit auszuweiten. Und das auf alle möglichen Arten.

Dazu passt auch das China-Regel bei der Buchhandelskette Thalia, in dem Bücher vom chinesischen Unternehmen CNPIEC platziert werden. Etwa die Biografie des chinesischen Staatsoberhauptes, wie Frank Plasberg empört feststellt.

Journalist Felix Lee glaubt, dass China der Eindruck des Westens egal ist.
Journalist Felix Lee glaubt, dass China der Eindruck des Westens egal ist.bild: screenshot ard

Der "taz"-Journalist Felix Lee sagt zwar amüsiert, dass die Xi-Biographie "zu schlecht übersetzt" sei, um eine Gefahr dazustellen, aber er sieht generell einen einen großen Unterschied zu den Sommerspielen in Peking im Jahr 2008: Damals habe China Zugeständnisse gemacht, diesmal nicht.

"Ich glaube, das westliche Bild interessiert die chinesische Führung überhaupt nicht mehr – das war 2008 noch anders."
Felix Lee

Peking habe als erste Stadt sowohl Sommer- wie auch Winterspiele bekommen. "Das ist ein Triumph und darum geht es. Für die chinesische Führung ist das einfach so ein grandioses Propagandainstrument."

Angesichts der erheblichen Menschenrechtsverletzungen, der Niederschlagung der Proteste in Hongkong und der de facto Aushebelung des Sonderstatus von Hongkong habe das IOC versagt mit seiner Entscheidung für Peking. Es sei die "absolute Krönung" in bei der Wahl von unpassenden Orten.

Das sieht auch Marina Schweizer, Redakteurin und Moderatorin im Deutschlandfunk, so.

"Wir sehen es doch jetzt alle, was da los ist." Und trotzdem habe sich das IOC ganz bewusst für China entschieden. "Das IOC und Peking haben sich da die Hand gegeben, das ist auch ein Symbol." Sie hat aber Verständnis für die Sportler, die nun zu Olympia reisen. "Natürlich ist das das absolute Highlight für Athletinnen und Athletinnen, aber sie befinden sich dort im Klammergriff."

Was helfen könnte, dass das IOC den Austragungsort der Spiele künftig auch nach politischen und sozialen Punkten auswählt, könnte ein Boykott sein. Aber die ARD überträgt trotz ihres kritischen Themen-Abends natürlich das Spor-Großereignis wie alle Olympischen Spiele zuvor. Und auch alle von Plasbergs kritischen Gästen gucken. Mal ohne Eröffnungsveranstaltung (Lee), mal gerade genau diese, um sich ein Bild zu machen (Schweizer). CDU-Mann Hardt will sich auf Biathlon konzentrieren.

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