Bushido sagte am Montag weiter gegen Arafat Abou-Chaker und dessen Brüder aus.Bild: www.imago-images.de / Olaf Wagner
Vor Ort
26.02.2021, 08:3921.06.2021, 16:07
Nachdem am Mittwoch bereits der 26. Verhandlungstag im Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder anstand und sich die Aussage von Bushido, der als Nebenkläger und Zeuge der Anklage auftritt, zuletzt immer mehr in die Länge gezogen hatte, war eigentlich niemand davon ausgegangen, dass ausgerechnet heute nochmal ein neuer Aspekt auftauchen würde. Doch siehe da, nach einer längeren Einleitung kamen dann doch nochmal Dinge zur Sprache, die bisher nicht Thema gewesen waren. Und nicht nur das: Die im Gerichtssaal Anwesenden wurden auch Zeuge eines emotionalen Ausbruchs von Bushido, dem die Tränen herunterliefen.
Dabei hatte der Verhandlungstag eher trocken begonnen. Die Anwälte des Nebenklägers sowie die Verteidiger der Abou-Chakers lieferten sich mehrere Duelle in Form von Beweisanträgen und Stellungnahmen. Es ging dabei vornehmlich um die Managementverträge, die Bushido mit seinem ehemaligen Freund und Geschäftspartner geschlossen hat. Wie viele es waren und welche davon denn nun genau Gültigkeit hatten, darüber sind sich die Parteien nicht einig. Strittig ist dabei vor allem, ob Arafat Abou-Chaker laut den Arbeitspapieren nun 30 oder 50 Prozent der Anteile am durch die Drittkünstler (Shindy etc.) erzielten Gewinn zustanden.
Bushidos Anwälte beharren darauf, dass der Vertrag über die 30 Prozent der echte sei, bei den anderen müsse es sich demnach um Fälschungen handeln. Laut Bushido ist das allerdings ohnehin egal, da die Verträge seiner Aussage zufolge nicht gelebt worden seien. Arafat hätte sich einfach genommen, was er wolle. Die Verteidigung widerspricht dem und hält entgegen, dass es Verträge, Auflösungsvereinbarungen und neue Verträge gebe – was dem angeblichen Hinwegsetzen über schriftliche Deals durch Arafat entgegensteht.
Darum geht es im Prozess
Laut Anklage soll es zu Straftaten gekommen sein, nachdem Bushido 2017 die geschäftlichen Beziehungen aufgelöst hatte. Abou-Chaker habe dies nicht akzeptieren wollen und von Bushido eine Millionen-Zahlung sowie die Beteiligung an dessen Musikgeschäften für 15 Jahre gefordert, heißt es in der Anklageschrift. Der Rapper sei bedroht, beschimpft, eingesperrt und verletzt worden. Die Brüder im Alter von 39, 42 und 49 Jahren sind als Gehilfen oder Mittäter angeklagt.
Richter befragt Bushido zu seinen polizeilichen Aussagen
Bushido starrte bei diesen Diskussionen mal an die Decke, mal legte er seinen Kopf auf die Tischplatte vor ihm, wie ein demonstrativ gelangweilter Oberstufenschüler in der sechsten Stunde. Nach einer längeren Lüftungspause wurde er dann wieder aus seiner passiven Rolle – die ihm sichtlich nicht liegt – erlöst und in den Zeugenstand gerufen.
Dort allerdings warteten unangenehme Fragen auf ihn. Der Vorsitzende Richter ging mit ihm einige Aussagen durch, die Bushido bei der Polizei gemacht hatte. Wie bald klar wurde, trieb ihn dabei eine bestimmte Kernfrage an: Warum hat Bushido über den angeblichen Vorfall im Januar 2018, bei dem er eingesperrt, bedroht, beleidigt und geschlagen worden sein soll, erst im Januar 2019 ausgesagt? Gelegenheiten hätte er dazu nämlich bereits zuvor einige gehabt.
Denn Bushido hatte schon vor dem Januar 2019 immer wieder bei der Polizei ausgesagt. Der Richter bezog sich konkret auf drei Vernehmungen, die zeitlich zwischen dem angeblichen Vorfall im Januar 2018 und der Vernehmung im Januar 2019 lagen, bei der Bushido zum ersten Mal über den angeblichen Vorfall gesprochen hatte, der nun zur Anklage steht.
Die erste Vernehmung, die der Richter ansprach, war die nach den Schüssen auf das Restaurant "Papa Ari" im Juni 2018. In dieser hatten die Polizeibeamten die Sorge geäußert, dass Arafat die Vermutung haben könne, dahinter stecke – wegen des Streits über die Auflösung der Geschäftsbeziehungen – Bushido.
"Warum haben Sie da dann aber nicht auch den Vorfall am 18. Januar 2018 angesprochen?", wollte der Richter wissen. "Ich habe keine Notwendigkeit gesehen", erwiderte Bushido, zu diesem Zeitpunkt noch äußerlich gelassen wirkend. Er habe gedacht, den Streit mit Arafat über ein Zivilverfahren klären zu können, ohne Polizei. Außerdem sei er überzeugt gewesen:
"Ein Gang zur Polizei hätte meinen Problemen keine Abhilfe verschafft."
Bushido rechtfertigt sich, Richter hakt weiter nach
Der Richter fragte weiter. Die nächste Gelegenheit hätte sich acht Wochen später, im August 2018 ergeben. Im Zuge eines anderen Verfahrens war Bushido da auf seine Kenia-Reise angesprochen. Er hatte diese laut eigener Aussage nach dem angeblichen Vorfall im Januar 2018 unternommen, um den Kopf freizubekommen. Von den Vernehmungsbeamten wurde er gefragt, ob die Reise etwas mit seinem Problem mit Arafat Abou-Chaker zu tun gehabt habe. Er verneinte dies.
"Warum haben Sie da wieder nicht den 18. Januar angesprochen?", fragte der Richter. "Ich habe aufs peinlichste vermieden, darüber zu sprechen", antwortete Bushido. Die Behörden hätten nicht dafür sorgen können, dass sein Leben nach einer Aussage normal weiterlaufe. "Außerdem wurde ich ja nicht danach gefragt."
Der Richter lachte. Er habe sich nicht offenbaren wollen, rechtfertigte sich Bushido weiter. Er habe aber mit seiner Frau vereinbart, wahrheitsgemäß auf alles zu antworten. "Es ging aber um etwas anderes."
Bushido im Gerichtssaal.Bild: ZB / Paul Zinken
Bushido: Habe Informationen bewusst zurückgehalten – um Arafat zu schützen
Aber seine Frau sei doch selbst am 24. Januar 2018, knapp eine Woche nach dem angeblichen Vorfall, zur Polizei gegangen, wandte der Richter ein. Auch das sei ja in der Vernehmung zur Sprache gekommen. Bushido erklärte, das habe er nicht gewusst.
Der Richter fuhr fort. Bushido sei doch in derselben Vernehmung auch gefragt worden, ob Arafat Abou-Chaker ihn bedroht oder ihm Gewalt angetan hätte. Dazu habe er erklärt, er wolle dazu momentan nichts sagen. Bushido erwiderte, er habe dazu nie Angaben machen wollen.
"Ich wollte diese Lawine nicht in Gang setzen, eine Anzeige gegen Arafat Abou-Chaker."
Noch etwas war dem Richter aufgefallen. In derselben Vernehmung wurde Bushido laut den Akten auch gefragt, ob Arafat Abou-Chaker ein Problem mit Farid Bang und Kollegah habe. Er hatte darauf geantwortet, das wisse er nicht. Der Richter verwies nun auf ein Gespräch von Bushido mit Nasser Abou-Chaker. In diesem habe dieser doch erklärt, dass man Sorgen habe, von gewissen Rappern aus NRW nicht mehr ernst genommen zu werden. "Also haben Sie doch gewusst, dass es Probleme gab?"
"Ich wollte ihn in der Vernehmung schützen", erklärte Bushido. Der Angeklagte lachte ungläubig. Der Richter ließ sich davon nicht beirren. Dissen sei doch in Rapkreisen durchaus üblich, erwiderte er. "Warum müssen Sie ihn da schützen?" Es sei bei der Vernehmung um den Verdacht des versuchten Totschlags gegangen, so Bushido. "Wäre es nur um Beleidigung gegangen, hätte ich mich offener geäußert."
"Also haben Sie bewusst Informationen zurückgehalten?", fragte der Richter. "Ich hätte mehr sagen können", räumte Bushido ein. "Sie haben bewusst Informationen zurückgehalten", beharrte der Richter freundlich, aber bestimmt. "Ja", gab Bushido zu.
"In diesem Milieu spricht man nicht mit der Polizei"
Der Richter kam schließlich auf eine dritte Vernehmung aus dem September 2018 zu sprechen. In dieser war es um eine Warnung gegangen, die Bushido erhalten hatte. Ein Bekannter hatte ihn gewarnt, dass er aufpassen solle, weil gewisse Abou-Chakers ihm schaden wollen könnten. Allerdings nicht die Angeklagten selbst, sondern andere Familienangehörige.
Wenn es doch ohnehin um eine Bedrohung gegangen sei, wollte der Richter wissen, warum habe Bushido dann erneut nicht über den 18. Januar gesprochen? Er habe eben um jeden Preis verhindern wollen, dass er zur Polizei gehen müsse, erwiderte Bushido. Außerdem sei das bei ihm eine Angewohnheit gewesen, von der er sich erst nach und nach lösen können habe.
"In diesem Milieu spricht man nicht mit der Polizei. Das war viele Jahre meine Realität."
"Menschlich ist das nachvollziehbar", meinte der Richter dazu. Aber er habe doch auch über die Bedrohung gesprochen, von der ihm sein Bekannter berichtet habe. Bushido erklärte, sein Schweigen in den Vernehmungen sei wie ein stilles Angebot an Arafat gewesen. Doch damit sei im November 2018 Schluss gewesen. Da habe er von seiner Frau erfahren, dass Arafat ein Attentat mit Säure auf die geplant habe.
Bushido mit Gefühlsausbruch: "Weiß, dass ich meiner Verantwortung nicht nachgekommen bin"
Nun brach es aus Bushido heraus. "Das war ein Überschreiten der Grenze, es ging nicht mehr." Wäre das nicht passiert, wäre er auch bereit gewesen, hohe Summen an Arafat zu zahlen und die Sache so aus der Welt zu schaffen. Danach nicht mehr. Bushido stockte, ihm kamen die Tränen.
"Ich weiß, dass ich meiner Verantwortung nicht nachgekommen bin", sagte er mit unterdrücktem Schluchzen in der Stimme. "Ich hätte das alles schon früher beenden müssen. Vor dem Kindergarten meiner Kinder standen Polizisten mit Maschinenpistolen – und das alles wegen dieser Scheiß-Freundschaft und dem Scheiß-Management mit dem." Gemeint war natürlich der Hauptangeklagte. Lange habe er sich dagegen gewehrt, habe seiner Frau erklärt, er könne nicht bei der Polizei aussagen.
"Doch diese Entscheidung habe ich dann revidiert. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Der Richter zeigte sich angesichts des Gefühlsausbruchs des Zeugen verständnisvoll. Dennoch wollte er wissen: "Warum ist das denn nicht schon früher aus Ihnen herausgeplatzt?" Er habe alles verleugnet, entgegnete Bushido. "Ich habe meine Familie belogen, meine Frau geschlagen." Der Abnabelungsprozess von seinem ehemaligen Freund und Geschäftspartner habe lang gedauert.
Damit endete der Verhandlungstag. Am kommenden Montag wird Bushido weiter aussagen, es wird spannend, was die Verteidiger nach diesem für Außenstehende sehr überzeugend wirkenden Gefühlsausbruch von Bushido noch an Fragen haben werden.