Benzodiazepin, Tilidin und Kokain. Buprenorphin, Fentanyl und Cannabis. Was klingt, wie das Ergebnis eines Abstrichs vom Frankfurter Bahnhofsviertel oder ein Potpourri aus Buzz Words eines beliebigen deutschen Rap-Songs war Tagesprogrammpunkt des 110. Verhandlungstags im Bushido-Prozess.
Am Freitag ist das Verfahren gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder in die nächste Runde gegangen, wobei einer der Brüder an diesem Tag im Fokus stand: Yasser Abou-Chaker, der jüngste der angeklagten Brüder.
Zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wurde die Psychiaterin Dr. Katharina Wolf geladen, die dem Gericht anschließend ihr Gutachten präsentierte. In mehreren Treffen hat Wolf mit Yasser Abou-Chaker geredet und auf Grundlage der Gespräche eine Einschätzung zu seiner psychischen Verfassung getroffen.
Nachdem die Gutachterin die Biografie des Angeklagten referiert hatte, erklärte sie, dass Yasser Abou-Chaker ihr vermittelt habe, sein Leben sei "ruhig und glücklich", Kriminalität und Drogen habe er hinter sich gelassen. Nach Prozessende wolle er wieder anfangen zu arbeiten. In früheren Jahren haben sich die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz allerdings gestapelt. Das schilderte Wolf in der Folge en détail.
Mit dem Rauchen von Zigaretten habe er mit 18, 19 Jahren angefangen, mit Alkohol ebenfalls, letzteres sei aber "nicht sein Ding" gewesen, erklärte Wolf. Cannabis habe er in seinem Leben nur ungefähr zehnmal konsumiert, Kokain hingegen öfter, das sei mit ungefähr 21, 22 Jahren losgegangen. "Episodisch" und "maximal" hätte er dabei "drei bis vier Gramm täglich" zu sich genommen.
Der übermäßige Konsum von Kokain habe zu massiven Zahnproblemen geführt, auch die Nasenscheidewand sei dauerhaft beschädigt worden. Zum Zeitpunkt der eigenen Abstinenz habe Yasser-Abou Chaker der Gutachterin gegenüber verschiedene Angaben gemacht. An einer Stelle sei vom Jahr 2019 die Rede gewesen, an anderer Stelle seien es bereits fünf bis sechs Jahre, in denen er kein Kokain konsumiert habe.
In der Zeitspanne des Drogenkonsums habe der Angeklagte einige Konflikte mit seiner Ehefrau gehabt. Wolf zufolge sei es wahrscheinlich, dass die diagnostizierte Abhängigkeit von Betäubungsmitteln dafür ursächlich gewesen sei.
"Flankierend" habe er in der Zeit des Weiteren die eingangs erwähnten Opioide Benzodiazepin, Tilidin, Buprenorphin und Fentanyl zu sich genommen, unter anderem um den Symptomen des Kokainkonsums entgegenzusteuern.
Nach dem Yasser Abou-Chaker schließlich dem Konsum abgeschworen hatte, sei es zu einer "depressiven Symptomatik" gekommen, erklärte Wolf weiter. In einer Justizvollzugsanstalt habe er zudem einmal einen epileptischen Anfall als Folge einer Entzugserscheinung erlitten.
Schließlich kam die Gutachterin zu ihrem Urteil, dass trotz einer vorausgegangenen konsumbedingten psychischen Störung von Yasser Abou-Chaker aktuell weder eine Bewusstseins- noch eine Persönlichkeitsstörung vorliege. Er sei "intellektuell leistungsbereit" und "frustrationstolerant", außerdem habe er ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild.
Nach ihrem Befinden sei es deswegen nicht nötig, den Angeklagten bei einer etwaigen Schuldigsprechung im Maßregelvollzug unterzubringen, also dort, wo psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter:innen inhaftiert sind.
Einige Fragen blieben nach der Auskunft der psychiatrischen Gutachterin allerdings noch offen. Auch, weil die Schöffin das vorliegende Gutachten nicht erhalten hatte, wie sie überrascht feststellen musste. Und Richter Martin Mrosk zeigte sich verwundert über die Menge an Kokain, die Yasser Abou-Chaker zeitweise zu sich genommen hatte.
Geradezu schockiert fragte er Dr. Katharina Wolf, ob es überhaupt "menschlich möglich" sei, drei bis vier Gramm Kokain am Tag zu konsumieren. Er sei erstaunt, dass sie bei ihrer Schilderung so "unbeeindruckt" gewirkt habe.
Die Gutachterin entgegnete, dass sie in ihrem Job häufiger Menschen begegne, die solche Mengen zu sich nehmen würden. Und das nicht nur auf der Seite der zu Behandelnden: "Ich sehe auch meine Kollegen und ich sehe auch Juristen, die konsumieren", erzählte Wolf zum Amüsement des Gerichtssaals.
Zum Ende der Sitzung erklärte der Angeklagte Yasser Abou-Chaker selbst die Schilderung seines Psychogramms als zutreffend. Auf Nachfrage des Richters, ob auch die darin beschriebenen Tatvorwürfe der Wahrheit entsprächen, wollte die Verteidigung allerdings keine Antwort abgeben. "Das habe ich mir gedacht", sagte Mrosk daraufhin. "Man kann's ja mal versuchen."
Die nächste Sitzung werde am 12. Januar stattfinden, auch Bushido, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi, sollte ursprünglich dann nochmal als Zeuge geladen werden. Nun habe sich das Gericht aber darauf geeinigt, Bushido schriftlich zu befragen. Ein Urteil ist derzeit für den 26. Januar geplant.
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