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Nast antwortet

Gen Z: Sind junge Menschen faul, wenn sie auch mal nichts machen wollen?

Faul sein
Noch mal kurz umdrehen? Mach es doch, gerne auch länger. Kein Grund, sich schlecht zu fühlen. Bild: Pexels / Pixabay
Nast antwortet

Bin ich faul, wenn ich auch mal nichts machen will?

Wir alle fragen uns manchmal, ob mit uns etwas nicht stimmt. Doch wir trauen uns oft nicht, die Frage laut auszusprechen. Aus Angst vor der Reaktion. Das wollen wir ändern – und bitten Bestsellerautor Michael Nast um ehrliche Antworten.
21.01.2025, 18:0421.01.2025, 18:04
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Kaum lässt man sich für einen Moment auf der Couch nieder, taucht es auf: das schlechte Gewissen. Da wären so viele Aufgaben, die man noch erledigen sollte. Es gäbe so viele Möglichkeiten, was man tun könnte, die man gerade verpasst. Warum fällt es nur so schwer, einfach mal nichts zu tun?

Es kennt wohl jeder das Bedürfnis nach einem Moment der Ruhe – und ebenso den inneren Konflikt, der damit einhergeht. Doch ist das wirklich ein Problem, wenn wir uns diese Pausen gönnen?

Michael Nast, bin ich faul, wenn ich auch mal nichts machen will?

Michael Nast
Autor Michael Nast antwortet für watson offen und ehrlich auf unbequeme Fragen.Bild: Michael Nast / Privat

Das ist die Antwort von Michael Nast

Ja, und das ist auch gut so.

Es ist nämlich ganz wichtig, auch mal zur Ruhe zu kommen. Es ist schon tragisch, ein gefülltes Leben mit einem erfüllten zu verwechseln. Aber genau das ist die Tragik unserer Zeit, in der Müßiggang als Untätigkeit empfunden wird. Als verschwendete Lebenszeit. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Das ist ein Missverständnis. Denn das Nichtstun ist gar kein Nichtstun – es ist ein Perspektivwechsel.

Wir hetzen durch unser Leben. Unsere Tage sind vollkommen durchgeplant. Unser Alltag ist eine ständige aus Erledigungen, Gewohnheiten und Routinen zusammengesetzte Wiederholung. Wir müssen unseren Gedanken auch die Chance geben, aus dieser Wiederholung auszubrechen.

Es gibt einen wunderbaren, beinahe ausgestorbenen Begriff, den ich liebe. Es ist der Begriff "Flanieren". Er klingt seltsam antiquiert, sicherlich auch weil er nicht mehr in unsere Gegenwart passt, in der Müßiggang als Untätigkeit empfunden wird. Als verschwendete Lebenszeit.

Ich bin ein Flaneur. Ich genieße stundenlange ziellose Spaziergänge durch die Stadt, während ich in ein langes, ebenfalls zielloses, immer wieder neue Themen berührendes Gespräch vertieft bin.

"In der Ruhe des Nichtstuns entsteht Kreativität. In ihr entsteht Inspiration. Auf diesen Spaziergängen spüre ich den Wert des Müßiggangs."

Es sind Spaziergänge, auf denen ich stundenlang meine Gedanken treiben lassen kann, als würden die festgefügten Gewohnheiten meines Alltags mein Denken nur in einem begrenzten Raum möglich machen. In der Ruhe des Nichtstuns entsteht Kreativität. In ihr entsteht Inspiration. Auf diesen Spaziergängen spüre ich den Wert des Müßiggangs.

Und gleichzeitig spüre ich Mitleid. Und zwar mit all jenen, die so eingehend damit beschäftigt sind, nicht zur Ruhe zu kommen. Mit Terminen, Handys oder Netflix-Serien flüchten sie vor dieser wichtigen Form von Ruhe. Weil sie nicht mit sich allein sein können. Dabei ist diese Ruhe eine ganz wichtige Zutat, mit der wir unser Leben füllen sollten, um es zu einem erfüllten Leben machen.

Als ich einmal meinem Freund Julian von dieser Leidenschaft erzählte, sah er mich verständnislos an. "Wenn ich die Wohnung verlasse, brauche ich immer ein Ziel", sagt er. Wenn sich eine Tätigkeit nicht eignet, sie in seiner To-do-Liste zu erfassen, empfindet Julian diese Tätigkeit nicht als Wert.

Seine Tage sind vollkommen durchgeplant. Er will die Zeit, die ihm zur Verfügung steht, sinnvoll nutzen. So sieht er das. Jeden Tag geht er seinem überladenen Alltag nach. Es gibt ständig etwas zu tun. Und immer muss es schnell gehen. Alltagsoptimierung im Endstadium.

Den Alltag in Zeitabschnitte zu zerstückeln, die abgearbeitet werden müssen, kann sehr beruhigend sein. Man bewegt sich mit einem Navigationssystem durch die Tage. Ein Navigationssystem aus Erledigungen, das Struktur genannt wird. Struktur gibt den Tagen einen Sinn. Einen To-do-Listen-Sinn sozusagen.

"Man sollte nie so viel zu tun haben, dass einem keine Zeit bleibt, darüber nachzudenken, was einem im Leben wichtig ist."

Diese Struktur ist Julians Halt. Sie nimmt ihm die Entscheidungen ab. Sie sagt ihm, was er wann zu tun hat. Sie organisiert seinen Alltag. Sie hat ihn übernommen. Täglich arbeitete er einen festgelegten Plan ab. Am Ende des Tages liegt er erschöpft im Bett und hat sich nützlich gefühlt, weil er all die Erledigungen hinter sich gebracht hat.

"Man sollte nie so viel zu tun haben, dass man zum Nachdenken keine Zeit hat", wusste der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg. Das ist eine tiefe, aber offensichtlich auch aus der Zeit gefallene Wahrheit. Also: Seid faul, lasst eure Gedanken treiben, denn man sollte nie so viel zu tun haben, dass einem keine Zeit bleibt, darüber nachzudenken, was einem im Leben wichtig ist. Und zwar wirklich wichtig.

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