Christian Drosten bei einer Pressekonferenz zur Lage in Deutschland.Bild: www.imago-images.de / Stefan Boness/Ipon via www.imago-images.de
Deutschland
Das Coronavirus ist längst auch in Deutschland angekommen. Im Vergleich mit anderen Ländern wie Italien, wo bereits 148 Menschen gestorben sind, breitet es sich aber deutlich langsamer aus. Der Virologe Christian Drosten kann erklären, warum das so ist – und fordert zugleich, dass jetzt Maßnahmen getroffen werden, um eine weitere Ausbreitung möglichst stark einzudämmen. Dazu gehört für ihn auch, Großveranstaltungen wie Bundesliga-Spiele, Konzerte oder Kongresse abzusagen.
"Wir müssen versuchen, in Deutschland Zeit zu gewinnen. Und wir sind in einer guten Ausgangsposition", sagte Droste im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" am Donnerstag.
"Das Gute ist: Wir sind viel näher am Anfang der Epidemie als andere Länder."
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Bei der Fallzahl in Deutschland (am Freitagmorgen sind es laut Robert-Koch-Institut 560 Fälle) sehe man: Bei einer angenommenen Sterblichkeit von drei Prozent, müsste es bereits sechs bis acht Tote haben. "Die haben wir aber nicht. Wir haben Null."
In Italien seien es dagegen so viel mehr. Tatsächlich: Bei fast 3900 Fällen gibt es bereits 148 Tote. Woran liegt das?
Warum in Deutschland noch keine Menschen am Coronavirus gestorben sind
"Es gibt einen ganz großen systemischen Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern", erklärte Drosten.
"Unsere Labore sind technisch sehr gut ausgestattet, unsere Regularien zur Einführung neuer Testverfahren sind sehr frei und unsere kassenärztliche Vereinigung hat bereits im Januar eine Kennziffer für diese Tests eingeführt, was bedeutet, dass sie jetzt auch damit Geld verdienen. In anderen Ländern gibt es dagegen eine zentrale Autorität, die sagt bei neuen Erkrankungen: Nur wir machen den Test. Und nur wir erlauben allen anderen, einen zu machen, die müssen uns die Daten zurückführen, sonst dürfen sie das nicht."
Daraus ergebe sich für Deutschland ein kleiner Nachteil, aber auch ein großer Vorteil: In Deutschland gebe es zwar keine zentral gelagerte Übersicht über die Daten – aber das sei verzeihlich, weil dadurch viel breitflächiger getestet werden könne.
"Deswegen haben wir auch noch keine Toten in Deutschland, weil wir so früh hinschauen."
Und gerade weil wir in Deutschland noch so am Anfang der Epidemie stünden, lohne es sich richtig, jetzt ganz gezielt gegen das Virus vorzugehen. "Wir müssen jetzt da einschreiten, wo die Multiplikationen und Exponierung von solchen Fällen eben stattfindet. Und da geht es mir um die Fußballstadien."
Bundesliga-Spiele wirtschaftlich "nicht notwendig"
Es gebe, unter anderem durch den Föderalismus, in Deutschland teilweise ein Regulationsproblem, sagte Droste. Er persönlich halte viel vor der Schweizer Regelung. In der Schweiz hat der Bundesrat alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten. "Die Grenze von 1000 Personen finde ich sinnvoll. Das trennt die wirklich sehr großen Veranstaltungen von den kleineren, eher landläufigen, die wirtschaftlich viel notwendiger sind."
Moment mal, sind Bundesligaspiele nicht auch ein großer wirtschaftlicher Faktor? Droste erklärte, dass er damit nicht "gewinnbringend" meine. "Sondern essentiell, systemrelevant. Wie Veranstaltungen, wo bestimmte Entscheidungen getroffen werden." Wirtschaftliche oder politische Entscheidungen wohlgemerkt, keine sportlichen.
Sein Kollege Alexander Kekulé stimmt ihm da übrigens zu. Er fordert zudem, Schulen und Kindergärten für zwei Wochen zu schließen.
Die Politik konnte sich bislang zu den von den beiden Wissenschaftlern gefordeten Maßnahmen nicht durchringen. Zwar gab es Überlegungen, das Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund am Samstag ohne Publikum stattfinden zu lassen. Das Gesundheitsamt der Stadt Mönchengladbach entschied sich aber dagegen. In Italien ist bereits verfügt worden, alle Sportveranstaltungen bis zum 3. April unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Auch Schulen und Universitäten bleiben für zwei Wochen geschlossen.
(om)