Meine Freundin Caro guckt mich aus müden Augen an. "Eigentlich ist ja alles gut", sagt sie. Aber so richtig überzeugend klingt das nicht. Eher nach: Ich kann nicht mehr.
Caro ist alleinerziehend. Und der Vater des Kindes ist in eine andere Stadt gezogen. Sie arbeitet viel, kommt damit gerade so über die Runden und ist permanent überfordert.
"Und weißt du was? Neulich meinte eine andere Mutter in der Kita, ich solle mir doch mal eine kleine Auszeit gönnen. Ein Bad einlassen, und mal drüber nachdenken, was ich alles leiste. 'Ein bisschen Selbstliebe', mit einem toll duftenden Schaum, hat sie gesagt." Caro atmet tief ein.
"Als ob es reichen würde, wenn ich selber weiß, was ich alles leiste. Mir wäre eher geholfen, wenn das auch andere Menschen mal anerkennen. Anerkennen und vielleicht auch mal einfach Unterstützung anbieten." Sie zuckt mit den Schultern.
Caro ist nicht die einzige, der geraten wird, sich mit Selbstliebe zu pampern. Wir alle sollen das tun. Wir Frauen. Das höre ich ständig, in allen möglichen Situationen. Selbstliebe wird dabei oft angepriesen als Allheilmittel.
Gegen Stress, gegen Überforderung, gegen geringes Selbstbewusstsein. Gegen fehlende Anerkennung.
Selbstliebe ist überall: auf Instagram, in Social-Media-Kommentaren, Artikeln und Gesprächen. Frauen, liebt euch selber! Ihr seid so toll, erkennt das endlich an! Schaut in den Spiegel und ruft freudvoll aus: “Ich bin so toll!” #selflove
Auf Instagram gibt es mehr als 164.000 Beiträge mit #Selbstliebe. Unter den ersten 200 sind nur 3 Männer zu sehen. Ja, ich habe nachgezählt. Frauen sind die Hauptzielgruppe der Selbstliebe.
Ich halte das für fatal.
Denn das Problem mit der fehlenden Anerkennung ist nicht die Selbstliebe. Das Problem ist nicht das Selbst.
Denn An-erkennung, das steckt schon im Wortlaut, kommt immer von außen. Anerkennung ist ein sozialer Akt, sie lässt sich nicht alleine kompensieren.
Wir können in Schaumbädern liegen bis wir verschrumpeln, Anerkennung wird dabei nicht entstehen.
Wer im Alltag unter Mehrfach-Belastungen zusammenklappt, der hat kein Problem mit Selbstliebe, der hat ein Problem mit Unterstützung.
Doch diese ganzen Selbstliebe-Posts und Du-bist-so-toll-Mantras verschleiern dieses Problem.
Wenn Frauen denken, sie würden nicht genug leisten, wenn sie denken, sie könnten Ansprüchen nicht mehr gerecht werden, wenn sie denken, sie seien nicht gut genug, heißt es: Beschwer dich nicht! Nimm stattdessen ein Schaumbad und liebe dich selbst!
In anderen Worten: Wenn Frauen sich nicht anerkannt fühlen, müssen sie selber dafür sorgen.
Wir sollen uns selbst lieben, aber das hat leider wenig mit den Problemen von Frauen wie Caro zu tun. Denn An-erkennung ist keine Konsequenz der Selbstliebe. Sie kommt von außen. Sie ist ein erster Schritt, der zweite Schritt ist Unterstützung.
Wenn Frauen wie Caro also vor der Doppel- und Dreifachbelastung in die Knie gehen, brauchen sie keine #selflove, sondern eine Gesellschaft, die ihre Mehrfachbelastung anerkennt und sie entsprechend unterstützt.
Was wir also wirklich brauchen: Eine Politik, die dafür sorgt, dass Frauen, die Care-Arbeit leisten, wirtschaftlich und finanziell ausreichend unterstützt werden.
Was wir nicht brauchen: Eine schaumbadgetränkte Auszeit von den übertriebenen Rollenerwartungen an Frauen.
Wir brauchen neue Rollenbilder.
Neue Rollenbilder, die nicht mehr automatisch einkalkulieren, dass Frauen im Zweifel für alles verantwortlich sind. Neue Rollenbilder, die nicht mehr festlegen, dass Frauen, das schöne und sexy Geschlecht sind und von Frauen entsprechende Bemühungen verlangen. Neue Rollenbilder, die nicht mehr davon ausgehen, dass Frauen "alles haben können". Denn das hat leider noch nie gestimmt. Und es wird nie stimmen, wenn wir nicht endlich anfangen, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der Elternschaft und Pflege eine gemeinsame Verantwortung ist.
Denn darum geht es doch: An-erkennung von Leistung.
Liebt euch selbst, klar. Nehmt Schaumbäder, schreibt euch Ich-bin-toll-Mantren auf den Spiegel. Aber macht es nicht zu eurem Job, für eure Anerkennung zu sorgen.