"Black Myth: Wukong" ist großartig inszeniert. Leider scheitert das Studio in anderen Punkten deutlich.Bild: Game Science / Screenshot
Analyse
Es war ein Impact sondergleichen, den das chinesische Studio Game Science auslöste. 2020 zeigte es einen ellenlangen Trailer zum Actionspiel "Black Myth: Wukong". 13 Minuten vollgepackt mit messerscharfen Bildern, wie es sie im Gamingbereich noch nicht gab.
In einem Wahnsinnstempo wirbelt der Affengott, eine Figur aus der chinesischen Mythologie, durch Gebirgspässe in tiefem Weiß, Wälder in sattem Grün und rostbraunen Wüsten. Alles hochaufgelöst: Schnee, Moos, Sand waren nahezu schmeckbar. 1,2 Millionen Aufrufe, der Ton war gesetzt, die Vorfreude spürbar.
Als das Spiel nun auf den Markt kam, schossen die Hände los. Rund 1,4 Millionen gleichzeitige Spieler:innen auf Steam, der weltweit größten Videospiel-Plattform, im Singleplayer-Sektor ein Rekord. Doch das Ganze hat ein Geschmäckle: Game Science drückte Streamer:innen, die vorab das Spiel bekamen, seltsame Vorgaben auf.
So durften sie nicht Worte wie "Covid-19" und "Quarantäne" in ihren Reviews nutzen, was bereits schräg genug war. Einen absurden Höhepunkt erreichte der Regelkatalog jedoch mit einem Verbot "Feministischer Propaganda". Auch das hat es im Gamingbereich nicht gegeben. Das Warum zu klären, ist nicht einfach, denn die Geschichte hat einen gewaltigen Rattenschwanz.
"Black Myth: Wukong": Keine Spoiler in der Welt der Videospiele
Eigentlich ist es normal, dass Testexemplare, ob nun für Fachpresse oder Streamer:innen, bestimmte Regeln mit sich bringen. Normalerweise drehen sie sich um Spoiler, bestimmte Spielabschnitte oder Wendungen sollen ergo nicht angesprochen werden. Politisch wird es nie. Zwar bieten alle Spiele Raum für Ideologiekritik, doch Analysen dürften sich kaum auf die Verkäufe auswirken.
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Vor allem nicht bei "Black Myth: Wukong", das seit Präsentation eines der meistgewünschten Spiele auf Steam war. Eines, bei dem es darum geht, den Affengott wiederzuerwecken und dafür diverse Gestalten aus der chinesischen Mythologie zu vermöbeln. Die Geschichte fußt lose auf dem chinesischen Klassiker "A Journey to the West". Trotz Romanvorlage bleibt es gewohnt videospielig.
Alles harmlos also …
... bis auf die Tatsache, dass es so gut wie keine weiblichen Figuren gibt. Es sind so wenige, dass sich die Frage stellt, woher eigentlich alle anderen Lebewesen stammen sollen. Doch in mythologischen Welten müssen biologische Gesetze nicht gelten. Gibt da ja auch Götter und Affenmenschen mit Kampfstäben.
Dennoch: Die unterdurchschnittliche weibliche Präsenz wäre ein guter Aufhänger für Kritik, in dem Fall aber von "Feministischer Propaganda" zu sprechen, etwas übertrieben. Mal davon ab, dass nicht ganz klar ist, was Game Science damit meint. Manipulation von öffentlicher Meinung für mehr Gleichberechtigung?
Es wäre leicht, das einfach beiseitezuschieben, als eine hirnrissige Kleinigkeit abzutun, bisschen Sprechdurchfall und gut ist. Leider scheint der aber bei Game Science chronisch zu sein.
Sexismus bei Game Science: Mehr als schräge Aussagen
Einer der Gründer des Studios, Feng Ji, schrieb zum Beispiel auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo nach Release des Trailers, dass er seinen "Kreis erweitern und mehr Leute einstellen" will, um "geleckt zu werden, bis ich keine Erektion mehr bekomme."
Ein paar Zeilen später ergänzte er: "Ich wurde feucht, nachdem ich es (das Video) ein paar Mal gesehen hatte... der Druck in meinem Schritt ist immens!" Nach Freud hat Jing die Reifestufe vom Kind zum Erwachsenen noch nicht hinter sich. Kritik folgte prompt, doch das Unternehmen umschiffte die Konfrontation.
Feng Jis schräge Erkärung zum "Black Myth: Wukong" -Promovideo. Post ist mittlerweile gelöscht. Bild: IGN/Weibo / Screenshot
Ein weiterer Post bezieht sich auf eine Figur aus dem Spiel, eine der wenigen weiblichen. Es handelt sich um einen Schlangengeist, mit weiblichen Oberkörper, zu dem man, laut einem der Entwickler, "masturbieren" könne, wenn man ihn "länger anschaut".
Hier geht es um deinen Schlangengeist mit weiblichem Oerkörper.Bild: IGN/WEIBO / Screenshot
2013, lange vor der Präsentation von "Black Myth: Wukong", schrieb bereits ein anderer Game-Science-Gründer ein vulgärwissenschaftliches Pamphlet, warum es zwischen der Entwicklung von Videospielen für Männer und Frauen erhebliche Unterschiede gibt.
"Während Männer in ihren Träumen ein schweres Maschinengewehr in der Hand halten und auf Regierungen schießen, träumen die Damen von Taschen, die ihre Freunde neidisch machen würden."
Der wirre Text eines Game Science-Gründers. Der Originalpost ist gelöscht..Bild: IGN/Weibo / Screenshot
Reaktionäre Aussagen sind gerade in China wenig überraschend. Die chinesische Entwicklerin Monica F. (Pseudonym) sagt zu IGN, dass etwa die Online-Gaming-Communitys gerade in China besonders sexistisch und toxisch sind. Frauen haben demnach Schwierigkeit, sich überhaupt sicher zu fühlen.
Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Es gehe von der Zielgruppenansteuerung, chinesische Spiele sind seit Jahren hauptsächlich auf Männer geeicht, den Machtstrukturen, fast alle Führungskräfte großer Tech-Unternehmen sind Männer, bis zur politischen Schlagrichtung. Xi Jinping forderte etwa eine neue Art "aktiver Familien- und Gebärkultur" im Kampf gegen eine senkende Geburtenrate, was Frauen zu Babymaschinen degradiert.
Eine Erklärung der "Black Myth: Wukong"-Macher steht aus
Auf Weibo bündelte eine Userin die ganze "Game Science"-Causa mit dem Verweis, dass sich bei "Black Myth: Wukong" derzeit alles um die Grafik des Spiels dreht, nicht aber um die Kontroversen des Studios. Darin zeigte sie nochmal die Posts der Game-Science-Gründer, aber auch Jobanzeigen mit dem Bild eines Frauenrückens und dem Text: "Vögeln sie nicht mit ihren Kollegen". Viele Frauen äußerten sich zu dem Beitrag, eine Art Gegenkampagne entstand.
"Okay, okay, er (Feng) braucht wohl kein Geld von einer Spielerin wie mir", schreibt eine darunter. Eine andere wolle lieber bei großen Games auf Auslandsproduktionen setzen. Natürlich gab es auch die üblichen Kommentare, dass Frauen ohnehin nichts in Videospielen zu suchen haben.
Game Science hat hingegen nicht wirklich auf die Kritik reagiert, nicht einmal den Versuch einer Erklärung unternommen. Dass sie aber von der Debatte Wind bekommen haben, dürfte hinsichtlich des Verbots "Feministischer Propaganda" zumindest nicht völlig unrealistisch sein, zumal alles Posts längst gelöscht sind.
Das wäre dann aber ein extrem schmallippiger Umgang mit der Situation. Vielleicht ist das aber auch unter Männern mit Hang zu Onanie-Witzen normal. Game Science will die chinesische Spieleindustrie mit "Black Myth: Wukong" zu internationaler Größe verhelfen, vielleicht sollten die Mitarbeiter dann aber erstmal selbst erwachsen werden.