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Ben Affleck, Charli XCX, Kate Moss: Warum Rauchen wieder cool ist

LOS ANGELES, CA - OCTOBER 03: Ben Affleck is seen on October 03, 2022 in Los Angeles, California. (Photo by BG004/Bauer-Griffin/GC Images)
Zugegeben: Ben Affleck rauchte schon, bevor es wieder cool wurde. Bild: GC Images / BG004/Bauer-Griffin
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Von "The Bear" bis Charli XCX: Warum Rauchen wieder cool ist

Während Frankreich das Rauchen im öffentlichen Raum verbietet, zünden sich anderswo wieder alle genüsslich eine an. Auf Laufstegen, in Serien und auf Instagram ist die Kippe zurück. Ein Symbol für Coolness. Und ein Spiegel unserer Zeit.
13.08.2025, 07:1513.08.2025, 07:15
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Ausgerechnet Frankreich, das Land, das uns Existenzialismus, Savoir-vivre und das Bild des rauchenden Intellektuellen im Café geschenkt hat, hat das Rauchen an öffentlichen Orten seit Kurzem verboten. Parks, Strände, öffentliche Plätze – alles rauchfrei.

Ein Land, in dem man sich jahrzehntelang fragte, ob die Zigarette nicht vielleicht doch ein Grundrecht sei, zieht plötzlich die Reißleine und steht damit so herrlich windschief im Weltgeschehen, dass man das Ganze als eine Dialektik des Schicksals begreifen muss. Und vielleicht als Teil der Erklärung.

Kate Moss, Carrie Bradshaw und die Zigarette

Denn die Zigarette ist zurück. Auf Laufstegen, in Musikvideos, auf Instagram. Sie drängelt sich dieser Tage so unverschämt selbstbewusst in den Vordergrund wie der Kassenwart des Fördervereins bei der Abiverleihung meiner Schwester. Warum nur?

Vielleicht muss man voranstellen, dass die Zigarette nie wirklich weg war. Sie hat sich nur versteckt. Sie ist leiser geworden, schüchtern. In den 90ern und frühen 2000ern war sie noch allgegenwärtig: Kate Moss mit einer Kippe im Mundwinkel, Carrie Bradshaw, die rauchend vor ihrem Laptop sitzt. Ikonen einer Zeit, in der Rauchen zum guten Ton der Popkultur gehörte.

Dann kamen die Rauchverbote, die Schockbilder auf den Packungen, die steigenden Preise. Die Zigarette verschwand aus der Öffentlichkeit, sie wurde zum Symbol für schlechten Atem und gelbe Zähne. Heute aber, 2025, sieht sie besser aus denn je. Und findet mühelos neue Bühnen.

"Zigaretten werden in allen öffentlichen Räumen völlig verteufelt. Natürlich waren sie für junge Leute, die nach einem gewissen Reiz suchen, noch nie so cool wie heute", sagt der US-PR-Agent im Newsletter von "The Outcome", Isaac Simpson.

Menschen in Deutschland rauchen wieder mehr

Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Laut der repräsentativen Debra-Studie lag der Anteil der erwachsenen Tabakkonsumenten im Jahr 2024 bei 30,4 Prozent, nach einem Hoch von 31,9 Prozent im Vorjahr. Ein Plateau, das das Ende der Abwärtstrends markiert.

Bei Jugendlichen unter 18 Jahren ist Rauchen deutlich seltener: laut Drogenaffinitätsstudie 2023 sind es nur etwa 7 Prozent, während junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren mit 26,3 Prozent wieder deutlich stärker vertreten sind.

Anders gesagt: Der Rückgang seit den frühen 2000ern stagniert – mit alarmierendem Tenor, dass sich das Konsumverhalten gerade bei jungen Erwachsenen als sehr robust erweist.

Öffnet man Instagram, sind es vor allem Pop-Veteranen, die einem mit zusammengekniffenen Wangen und halb geschlossenen Augen lustvoll durch das Display anhauchen. Der Account "Cigfluencers" kuratiert diese Ästhetik. "Attraktive Menschen, die die Kunst des Rauchens und Coolseins am Leben erhalten", heißt es dort.

Rauchen heute: Charli XCX, Lorde und Addison Rae

Charli XCX beschrieb den Sommer 2024 in ihrem stilbildenden Song "Brat" als "pack of cigs and a Bic lighter". Addison Rae raucht im Video zu "Aquamarine" gleich zwei Zigaretten gleichzeitig. Lorde seufzt in "What Was That": "Ich erinnere mich, dass ich damals sagte: 'Das ist die beste Zigarette meines Lebens.'"

Auch die Filmwelt ist wieder verraucht: In Christopher Nolans "Oppenheimer" wurden 3000 Zigaretten verqualmt, in "Saltburn" ist Rauchen visuelle Grundausstattung. Serien wie "The Bear" inszenieren ihre Hauptfiguren mit Zigarette so verführerisch, dass ein Meme fragt: "If smoking bad, why hot?" Wenn Rauchen so schlecht sein soll, warum sieht es dann so gut aus?

Trends sind zyklisch. Nach Jahren beige-weißer Clean-Ästhetik, grüner Smoothies und Lululemon war es nur eine Frage der Zeit, bis das Pendel zurückschwingt. Die Y2K-Optik ist wieder da. Und mit ihr die Zigarette.

Dabei geht es natürlich nicht nur um Ästhetik. Es geht auch um Rebellion. In einer Welt, in der immer mehr Regeln aufgestellt werden, von Rauchverboten bis hin zu substanziellen Einschränkungen der körperlichen Autonomie in den USA, wird die Zigarette zum Symbol des Widerstands.

Hinzu kommt, was die "New York Times" "eine schicke Art, mit existenzieller Angst umzugehen" nennt. Klimakrise, Krieg, soziale Ungleichheit – wer weiß, wie lange das noch gut geht. Bei alldem, was gerade den Bach runtergeht, was macht da schon eine kleine Zigarette? Kontrolle, wenigstens für drei Minuten.

Zigaretten als Rezessionsindikator

Vielleicht dient die Zigarette deswegen auch als stiller Konjunkturanzeiger. In Krisenzeiten sinkt die Nachfrage nach Luxus, nicht aber nach kleinen Fluchten – Ökonom:innen nennen das den Lipstick Effect. Während der Finanzkrise 2008 stieg in den USA die Zahl der Raucher:innen um schätzungsweise 2,4 Millionen, auch in Teilen Europas kletterten die Quoten.

Natürlich hat auch die Modewelt das Potenzial der Zigarette als Stilmittel erkannt. Bei der New York Fashion Week 2024 liefen Models mit Zigaretten über den Laufsteg, bei Christian Cowan und LaQuan Smith wurde der Glimmstängel zum Accessoire. "Es ist ein kalkulierter Tabubruch", erklärt der Designer Marc Jacobs. "Wir wollen Charaktere zeigen, keine anonymen Models."

Vielleicht ist die Zigarette deshalb so zäh: Sie funktioniert wie ein Mitgliedsausweis zu einer inoffiziellen Loge. Die Gruppe vor der Tür, in deren Kreis man tritt, sobald man Feuer hat.

Am Ende bleibt die Zigarette, was sie immer war: ein Paradox. Tödlich und verführerisch, altmodisch und modern. Ein Symbol für Freiheit und ein Zeichen von Abhängigkeit. Weil sie, bei aller Selbstzerstörung, so tut, als ginge es nur ums Durchatmen.

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