Immer mehr Wanderer müssen gerettet werden: Alpen-Experte schlägt Alarm
Ob Wandern, Skifahren oder Klettern – in den Alpen kommen viele Sportbegeisterte auf ihre Kosten. Die Aussicht, draußen in der Natur zu sein und eine atemberaubende Kulisse (samt Kaiserschmarrn) zu genießen, zieht aber auch Menschen an, die keine Berg-Expert:innen sind. Ein bisschen durch die Alpen wandern, was soll da schon schiefgehen, denken sich manche.
Aktuelle Zahlen zeigen aber: dabei kann einiges schiefgehen. In der Schweiz gab es dieses Jahr so viele Bergunfälle wie schon lange nicht mehr. Bis zum 24. Juli hat die Rega bereits 440 Menschen medizinisch betreut, die bei Wanderungen oder Hochtouren verunglückt sind, berichtet der "Tagesanzeiger". Die Rega ist die Schweizerische Rettungsflugwacht.
Die Zahlen für 2025 seien nicht nur auf das gute Wetter in den Bergen zurückzuführen, sondern spiegeln einen längerfristigen Trend wider. Eine Sprecherin der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) geht davon aus, dass immer mehr Personen ohne ausreichende Wander- oder Bergsteigerfahrung in den Alpen unterwegs seien und teils bewusst höhere Risiken eingehen.
Bergretter berichtet von immer mehr Einsätzen
Diese Entwicklung kann auch Klaus Burger für den bayrischen Alpenraum bestätigen. Er ist Flugretter bei der Bergwacht in der Region Chiemgau und erklärt gegenüber dem "Spiegel": "Was wir beobachten, ist eine Zunahme von blockierten Personen, auch wohl im gesamten Alpenraum: bei uns im Chiemgau und in den Berchtesgadener Alpen etwa 15 bis 20 Prozent".
Dabei handelt es sich um Personen, die nicht verletzt oder erkrankt sind, sondern Menschen, die am Berg nicht mehr vor- oder zurückkommen. Manche hätten sich im steilen Gelände verstiegen oder seien vom Klettersteig überfordert, meint Burger. Er sagt: "Die Hilflosigkeit am Berg nimmt zu".
Immer wieder würden sich Urlauber:innen am Berg überschätzen. "Manche haben Panikattacken. Und manche meinen wohl, die Bergrettung sei so eine Art Alpen-Pannendienst", merkt Burger kritisch an. Gerade dank Handy und Netzausbau sei die Bergwacht auch leichter zu erreichen.
Vielleicht sind manche Berg-Touris auch deshalb leichtsinniger. Sie glauben, selbst wenn sie sich verlaufen oder versteigen, ist die Rettung nur einen Anruf entfernt.
Social Media lockt unerfahrene Wanderer in die Alpen
Offenbar lassen sich aber auch einige Tourist:innen von hübschen Berg-Bildern auf Social Media locken. Diesen Eindruck bestätigt der Schweizer Bergführer Rolf Sägesser gegenüber dem "Tagesanzeiger": "Ein schönes Foto vom Gipfel auf Instagram – und schon wollen alle dieselbe Tour machen. Aber ein Bild ersetzt keine Tourenplanung."
"Oft spiegeln die Bilder dort nur eine heile Bergwelt wider, verheißen tolle Erlebnisse, aber blenden die Risiken aus", sagt Burger im Gespräch mit dem "Spiegel". Das treffe vor allem auf "bergferne" Menschen zu, also solche, die nicht in der Region aufgewachsen sind und schon als Kinder das Bergsteigen gelernt haben.
Dadurch fehle ihnen das Basiswissen: Burger kritisiert:
Er selbst habe immer einen Rucksack mit dabei, inklusive Rettungsdecken, trockener Kleidung, Regenschutz und Handy mit voll geladenem Akku.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Schweiz betont zudem, dass es gerade bei unsicherem Wetter oder zunehmender Erschöpfung entscheidend sei, frühzeitig umzukehren. Dann springt zwar kein hübsches Bild für Instagram heraus, aber ein sicherer Abstieg ist sicherlich mehr wert.