Eine neue Corona-Variante ist in Deutschland angekommen: BA.2.75 hat, obwohl sie eine Untervariante von Omikron ist, einen eigenen Spitznamen bekommen. Unter dem Begriff "Centaurus" macht der Ableger der BA.2-Variante, der bislang in zahlreichen Ländern – darunter auch Deutschland – nachgewiesen wurde, aktuell Schlagzeilen und wird international von Experten diskutiert.
Forscher beobachten die neue Virusevolution noch mit Zurückhaltung. Der Biophysiker Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass Centaurus zwar eine Reihe von relevanten Mutationen habe, aber bislang hauptsächlich in Indien beobachtet worden sei: "Es ist durchaus möglich, dass BA.2.75 eine global erfolgreiche Variante wird, es ist aber zu früh, dies mit Sicherheit zu sagen." Man solle Centaurus zumindest "im Auge behalten" mahnte auch sein britischer Kollege, der Virologe Tom Peacock auf Twitter. Insbesondere, weil die Sublinie Veränderungen vorweist und sich schnell zu verbreiten scheint.
Es gibt bislang keinen Anlass, in Alarmmodus zu verfallen, da sind sich die Forscher einig, doch aus einem Grund wird die neue Sublinie eben doch viel beachtet: Centaurus weist acht neue Mutationen auf dem Spike-Protein auf, was es dem Virus leichter machen könnte, vorhandenen Immunschutz zu umgehen. Zum Vergleich: Die aktuell vorherrschende Variante BA.5, welche die derzeitige Sommerwelle vorantreibt, hat nur drei veränderte Spike-Proteine.
Obwohl einzelne Fälle bekannt sind, hat das Robert Koch-Instituts (RKI) BA.2.75 in seinen Covid-Wochenberichten bisher noch nicht erwähnt. In Deutschland ist laut RKI-Daten bislang klar BA.5 vorherrschend, die Anteile in Stichproben wuchsen zuletzt von Woche zu Woche. In PCR-Tests müsste laut Experten aber auch BA.2.75 nachweisbar sein. Es gebe zumindest keinen Hinweis, dass BA.2.75 nicht per PCR detektiert werden könne, erwiderte die Schweizer Virologin Isabella Eckerle bei Twitter auf eine entsprechende Behauptung.
In Deutschland angekommen ist Centaurus also. Aber was bedeutet das für den weiteren Sommer und kommenden Herbst? Schützen die angepassten Omikron-Impfstoffe uns ausreichend? Die Epidemiologen Prof. Markus Scholz von der Uni Leipzig und Prof. Timo Ulrichs von der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin geben gegenüber watson eine erste Einschätzung ab.
"Es ist noch etwas früh, Genaueres über diese neue Untervariante zu sagen. Aber immer dann, wenn sich eine neue Variante durchsetzt und auch woanders auftaucht als am Ort der Erstbeschreibung, kann davon ausgegangen werden, dass sie fitter in der Ansteckungsfähigkeit ist als ihre Vorgängerinnen", meint Ulrichs. Centaurus sei zuerst in Indien beschrieben worden und tauche jetzt auch in anderen Ländern auf, in die sie über die globale Mobilität der Menschen importiert worden sei.
Sein Forscherkollege Scholz ergänzt, dass das Einschleppen neuer Varianten sich nicht dauerhaft vermeiden lasse:
Ob Centaurus besonders gefährlich sein könnte, lässt sich nicht so einfach sagen, meint Ulrichs. Zahlreiche Fragen seien noch ungeklärt. Etwa, ob es sich um eine "immune escape"-Variante handelt und wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Auslösens einer Covid-19-Erkrankung oder Long Covid ist. "Die Risiken sind schwer einzuschätzen, bevor diese Fragen nicht beantwortet wurden", so der Epidemiologe.
Wenn es um den Schutz vor BA.2.75 geht, sind sich die Experten einig. "Da es sich um eine Untervariante von Omikron handelt, sollten alle bisher zugelassenen Impfstoffe und besonders der für Herbst angekündigte omikronspezifische Impfstoff gut gegen sie schützen – zumindest gegen schwere klinische Verläufe", sagt Ulrichs. Das bestätigt auch Scholz und fügt hinzu:
(mit Material von dpa)