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Spahn kündigt Gratis-Schnelltests für alle an, doch Kritiker zweifeln an Umsetzung

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In Österreich werden Gratis-Schnelltests inzwischen in vielen Apotheken angeboten.Bild: www.imago-images.de / photonews.at/Georges Schneider
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Spahn kündigt Gratis-Schnelltests für alle an, doch Kritiker zweifeln an der Umsetzung

19.02.2021, 05:0020.02.2021, 09:14
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Die Impfung der Bevölkerung läuft schleppender voran, als wir es uns wünschen. Gleichzeitig soll das öffentliche Leben in Deutschland langsam wieder gelockert werden. Für die Politiker bedeutet das, eine neue Lösung muss her – sie setzen jetzt auf Covid-19-Schnelltests.

"Ab 1. März sollen alle Bürger kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltests getestet werden können", kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag an. Testzentren, Praxen und Apotheken sollen sie dann nach Terminvergabe anbieten können, die Kosten von 18 Euro je Test übernimmt der Bund, da sie der Pandemiebekämpfung und öffentlichen Gesundheit dienen.

Der Vorteil der Schnelltests liegt auf der Hand: Sie müssen nicht erst ins Labor geschickt werden und zeigen innerhalb von fünfzehn Minuten ein Ergebnis an. Außerdem seien sie ausreichend auf dem Markt verfügbar, so Spahn. Nach seinen Angaben gibt es mit den Herstellern Verträge über 50 bis 60 Millionen dieser Tests pro Monat, geliefert würden aber deutlich mehr (eine Liste der bereits zugelassenen und noch zu prüfenden Schnelltests veröffentlichte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hier).

Positive Ergebnisse erfordern dennoch einen PCR-Test

Dennoch gibt es Kritik: Die Ergebnisse der Antigen-Tests gelten als nicht so exakt (Spezifität 97 Prozent), wie die sonst genutzten PCR-Tests aus dem Labor (Spezifität nahezu 100 Prozent). Ein positiver Test muss daher zusätzlich durch einen Labortest bestätigt werden, wie das Robert-Koch-Institut erklärt.

An genau der Stelle hapere es oft schon, wie Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, gegenüber watson bemängelt: "Wann endlich ist Deutschland in der Lage, positive Ergebnisse von Schnelltests unverzüglich durch laborgestützte PCR-Tests überprüfen zu lassen, um dann für eine effiziente Kontaktverfolgung zu sorgen?“ Denn genau dort liegt die Chance der Schnelltest: Infektionsketten rasch zu unterbrechen oder zumindest zu verlangsamen. Um diese Ketten nachzuvollziehen, braucht es aber Personal. Genau wie für die Tests an sich.

Auch das könnte ein Problem werden: So beklagten einige Mitarbeiter von Pflegeheimen, dass Schnelltests bei ihnen zwar schon jetzt möglich seien, im täglichen Betrieb aber kaum Zeit dafür bleibe. Für den Schnelltest muss ein Abstrich aus der Nase oder dem Rachen erfolgen, was nicht so einfach ist, da das Abstrich-Stäbchen weit eingeführt werden muss, auch wenn es einen Nies- oder Brechreiz erzeugt. Die korrekte Durchführung des Tests muss also in den Händen von Fachpersonal bleiben und dieses ist begrenzt.

"Der Bundesgesundheitsminister muss dafür sorgen, dass nur geprüfte Schnelltests aus Steuermitteln bezahlt werden.“
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz

Vor allem aber müssten die Mindeststandards der Tests weiter erhöht werden, kritisiert Eugen Brysch: "Es reicht nicht aus, sich allein auf die Herstellerangaben zu verlassen. Überfällig ist eine Zertifizierung durch unabhängige Referenzlabore. Der Bundesgesundheitsminister muss dafür sorgen, dass nur geprüfte Schnelltests aus Steuermitteln bezahlt werden."

Die Tests bergen die Gefahr einer trügerischer Sicherheit

Kommunen und Ärzte warnen indes vor zu großen Hoffnungen in der Bevölkerung. Man solle nicht glauben, "ab 1. März stünden überall für alle Schnelltests in großer Zahl zur Verfügung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der Funke Mediengruppe. Der Impfstart habe gezeigt, dass die Organisation und die Verteilung "für viele Millionen Menschen gleichzeitig eine Mammutaufgabe darstellt", betonte Landsberg. Er fordert ein stufenweises Vorgehen, bei dem Kitas und Schulen an erster Stelle stünden.

Das sieht Eugen Brysch anders, wie er watson sagt: "Jetzt kommt es darauf an, dass diese Angebote millionenfach täglich im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung stehen. Es ist nicht sinnvoll, hier stufenweise nach Prioritäten vorzugehen. Mit 144.000 niedergelassenen Kassenärzten, 19.000 Apotheken und einer Vielzahl kommerzieller Testzentren ist ein flächendeckendes Angebot von Schnelltests zu stemmen."

Regelmäßige Testungen könnten ein Weg zurück zu mehr Normalität sein, aber ihre Verwendung birgt auch Risiken. So muss den Menschen klar vermittelt werden, dass ein negativer Test nicht von den bereits geltenden Schutzmaßnahmen befreit. Denn er schützt nicht, er weist nur nach.

Genauso wie ein negativer HIV-Test nicht dazu führen darf, generell auf Kondome zu verzichten, ist auch ein negativer Schnelltest kein Freifahrtschein. "Schnelltests sind kein Ersatz für einen sicheren Infektionsgrundschutz, Abstandsregeln und FFP2-Masken. Sie ersetzen auch nicht eine konsequente, moderne Nachverfolgung von Infektionsketten durch die Gesundheitsämter", sagt Eugen Brysch, mahnt aber auch: "Die trügerische Sicherheit in der Bevölkerung darf kein Totschlag-Argument gegen Schnelltests sein."

Impfen und Testen seien "probate Mittel, dem Virus die Stirn zu bieten. Während Millionen Menschen auf ihren Impftermin warten, kann es mit der Testung direkt losgehen." Zur Überbrückung sei das also zumindest besser als nichts.

(mit Material der dpa und afp)

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