Das singt Felix Kummer von Kraftklub in "Eure Mädchen". So schnell wird er mit dieser Ausrede nicht mehr durchkommen.
Das Atomino, ein Club in Chemnitz, der Heimatstadt Kummers, hat geschlossen. Wegen Corona. Dieses Schicksal teilen viele Diskotheken in Deutschland. In Sachsen und Bayern sind sie wegen des Lockdowns mittlerweile alle wieder geschlossen. In anderen Bundesländern schließen Clubs inzwischen ohne gesetzlichen Zwang: Weil eine Öffnung sich aufgrund der aktuellen Corona-Verordnungen nicht rentieren würde.
Eine Auswertung der Kontaktverfolgungs-App "Luca" von Mitte November hatte gezeigt, dass sich mutmaßlich besonders viele Menschen in Bars und Clubs anstecken. Das ist das Ergebnis einer anonymisierten Auswertung, bei der über 181.000 ausgespielte Warnmeldungen analysiert wurden.
Fast die Hälfte der Meldungen betrafen Clubs (49,1 Prozent), knapp ein Viertel Bars (23,2 Prozent). Erfasst wurden Warnhinweise per App und Anrufe bei Nutzern der App durch das Gesundheitsamt.
Zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind mittlerweile dafür, dass Bars und Clubs angesichts der Corona-Lage geschlossen werden sollten. Das ergibt eine exklusive Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag von watson. 67 Prozent der Menschen sind demnach "auf jeden Fall" oder "eher" dafür, dass Nachtlokale schließen müssen.
Doch was bedeutet das eigentlich für die Clubs? watson hat mit Clubbetreibern aus Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen gesprochen. Und bei den Ländern nachgefragt, wie sie die Betriebe unterstützen.
"Wir haben in der Zwischenzeit gar nicht noch einmal geöffnet", sagt Ernesto Uhlmann vom oben erwähnten Club "Atomino" in Chemnitz. Seit Beginn der Coronakrise im März 2020 herrscht für den Club Ausnahmezustand.
Im Sommer hätten die Betreiber Veranstaltungen nach draußen verlegt, in diesem Herbst und Winter wollten sie das Chemnitzer Publikum vor allem mit Konzerten begeistern – diese sollten in einem befreundeten Club stattfinden. Und sie mussten abgesagt werden. "Das ist ärgerlich", sagt Uhlmann.
Sorgen mache er sich aktuell aus mehreren Gründen. Ein Faktor sei das Geld:
Wie es dann weitergehe, sei bisher noch nicht klar. Das Konto sei leer, denn durch die Förderung habe der Verein, der das "Atomino" betreibt, in der entsprechenden Zeit kein Geld verdienen dürfen. "Auch unabhängig von Corona ist unser Ziel als Verein, am Ende des Jahres bei null rauszukommen – das Geld, das über ist, investieren wir in Konzerte, die sich sonst nicht rentieren", sagt Uhlmann. Reserven, um ohne Förderung durchzukommen, gebe es also keine.
Eine weitere Sorge: Die Crew könnte sich mittlerweile in anderen Jobs wohler fühlen. "Es wird alle Clubs betreffen: Seien es nun Tontechnikerinnen oder Türsteher, viele haben während der Lockdowns gemerkt, dass ein Job von 9 Uhr bis 17 Uhr auch ganz nett ist", beschreibt Uhlmann die Befürchtung. Und kommt zu seiner dritten Sorge: Die Feierwütigen könnten sich ebenfalls daran gewöhnt haben, auch Zuhause zu sein und eben nicht mehr zwei- dreimal pro Woche die Tanzflächen stürmen.
Für die Clubs sei es deshalb wichtig, auch wenn sie nicht geöffnet haben, präsent zu bleiben: "Wir haben relativ schnell angefangen, uns alternative Wege zu suchen. Zum Beispiel mit den 'Atomino Kunstfabrikate', für die wir mit lokalen Künstlern zusammenarbeiten. Oder auch die Open-Airs, die wir im Sommer veranstaltet haben."
Insgesamt wolle er sich nicht beschweren: "Es gab gute Förderprogramme. Jetzt müssten diese Hilfen ausgeweitet werden, denn es wird nicht den einen Tag geben, an dem das Leben plötzlich wieder in vollen Zügen zurückkommt." Bei diesen Hilfen müsse es die Möglichkeit der Flexibilität geben – denn noch könne niemand sagen, wie sich die Pandemie entwickeln würde. "Ich glaube es ist das Wichtigste, dass die Clubs unterstützt werden, bis ein normales Feiern wieder möglich ist", fasst Uhlmann zusammen.
Was ihn ärgert, ist die Unterstellung, dass im Club- und Kulturbereich fahrlässig gehandelt würde: "Clubs sind die, die als erstes schließen müssen und das, obwohl ein sehr großes Verantwortungsbewusstsein da ist. Also die Betreiber, die ich kenne, versuchen nicht, jede Regel auszureizen. Vielmehr werden sie kreativ, was die Durchführung von Veranstaltungen angeht."
Er verweist auf das "Weltecho", einen befreundeten Club aus Chemnitz. Dort sei bereits vor Einführung der 2G-Plus-Regel, wie Sachsen sie zu Beginn des Monats – vor dem Lockdown – hatte, das 2G-Plus-Konzept eingeführt worden. Getestet wurden die Feiernden vor Ort im Hof mit vom Club organisierten Selbsttests.
Peter Fleming, Geschäftsführer des "Harry Klein Clubs" in München kann seine Situation immer noch kaum fassen. "Mit dieser Schließung hat niemand von uns gerechnet", meint er gegenüber watson. Der Szene-Club in Bayerns Hauptstadt war erst vor acht Wochen wiedereröffnet worden: Mitarbeitende und Studierende, die auf Mini-Job-Basis im Harry Klein gearbeitet hatten, seien zurück zur alten Arbeitsstelle gekehrt, "da hier die Atmosphäre einfach stimmt", wie Fleming sagt.
"Andere Clubs haben sogar noch schlimmere Erfahrungen gemacht", berichtet Fleming. Denn während ins "Harry Klein" die Mitarbeitenden zurückkamen, hätten andere Clubs innerhalb von acht Wochen neues Personal anlernen müssen. Diese Leute müssten sich nach der Einarbeitung nun wieder andere Stellen suchen, die Clubs stünden aufs Neue still, leer und ohne weitreichende Unterstützung da.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe sich nach der Veröffentlichung der Zahlen der Luca-App in der letzten Woche entschlossen, die Clubs "zu den Sündenböcken der Nation" zu machen, stellt Fleming verärgert fest. Die Clubs müssten durch unkommentierte Zahlen nun dafür herhalten, den Corona-Schlamassel auf dem Papier und in der Öffentlichkeit auszubaden.
Dabei seien Clubs und weitere Kultureinrichtungen die Orte, die am sichersten kontrolliert wurden. Die Spielstätten seien sich bewusst, dass sie die Verantwortung hätten, so genau wie möglich zu kontrollieren und sich an jedwede Vorschriften zu halten.
Fleming sagt dazu:
Tom Thomas, Inhaber des Kölner Clubs "Bootshaus", äußert Frustration über die neuen Regelungen. In einem Interview mit watson vor den neuesten Beschlüssen gibt Thomas an, dass der Club über die Corona-Zeit fast das gesamte Team verloren habe.
Thomas ergänzt: "Trotzdem haben wir es geschafft, unsere Türen im September wieder zu öffnen und konnten unter Einhaltung der Hygieneauflagen ein wahnsinniges Comeback hinlegen. Jetzt sind wir wieder an einem Punkt angelangt, an dem wir keinerlei Planungssicherheit mehr haben. Bereits jetzt halten sich Partner und Künstler zurück, denn niemand weiß, was die nächsten Tage und Wochen bringen werden. Eine erneute Schließung wäre eine Katastrophe."
Er führt weiter aus:
Den neuen Beschlüssen nach gilt ab dem 24.11. für Clubs in NRW weiterhin die 2G+-Regel. Eine Schließung ist also noch nicht in Kraft getreten. Allerdings ist auch der weitere Betrieb der Clubs wirtschaftlich nicht lohnenswert. Thomas beschreibt: "Die letzten Monate waren auch schon ein Verlustgeschäft, da wir aufgrund der Hygieneregelungen und Corona-Auflagen mehr Personal benötigen und unsere Räumlichkeiten lange Zeit nicht voll auslasten durften. Techniker, Barpersonal, Künstler und Management wollen natürlich trotz dieser Einschränkungen und wirtschaftlichen Folgen bezahlt werden."
Wie genau es den Berliner Clubs momentan geht, darüber schweigen diese sich derzeit aus. Zu watson-Anfragen wollten sie keine Stellung beziehen.
Dafür berichtet Leonie, 31 Jahre alt und eine regelmäßige Clubgängerin, dass die Clubs der Hauptstadt mit jedem Wochenende voller würden. Wörtlich sagt sie: "Die Leute scheinen solche Angst zu haben, dass dieser Winter aussehen wird, wie der letzte, dass alle noch zu holen scheinen wollen, was geht."
Die Ticketpreise, um die Clubs besuchen zu können, schnellten zu den Wiedereröffnungen in die Höhe. "Das kann man sich kaum mehr leisten, aber wir wollen ja alle, dass es auch nach diesem Lockdown noch ein Nachtleben gibt", sagt Leonie.
In Sachsen, Bayern und Thüringen haben die Clubs geschlossen, die Länder mussten aufgrund hoher Inzidenzen und voller Intensivstationen zurück in eine Art Lockdown. In den restlichen Bundesländern dürfen Clubs unter Auflagen geöffnet bleiben.
Für viele Betreiber sind die Auflagen ein Grund, die Türen geschlossen zu halten: an vielen Orten gelten 2G- oder 2G-Plus-Regeln, teilweise eine Maximalauslastung von 50 Prozent. Das ist finanziell schwierig umzusetzen – und Stimmung kommt in einem halbleeren Club auch nur schwer auf.
Um die Unternehmen finanziell abzusichern, stellt der Bund die Überbrückungshilfe III und die Überbrückungshilfe-III-Plus zur Verfügung: Damit sollen Betreiber aufgefangen werden, deren Umsatz durch Corona um 30 Prozent einbricht. Bei höheren Einbußen soll es Extrazuschläge geben.
Wie ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Kultur auf watson-Nachfrage mitteilt, stehe ein Soforthilfsprogramm für die Clubs bereit, für die sich eine Öffnung aufgrund der Auflagen finanziell nicht rentiere. Dieses Soforthilfeprogramm-IV in der 6. Auflage stehe vor allem kleineren Kultureinrichtungen und Unternehmen zur Verfügung.
Nach der Corona-Krise soll es laut dem Sprecher außerdem einen vom Bund geförderten "Neustart Kultur" für "alle Kultureinrichtungen" geben. Festzuhalten sei, dass es wegen der Corona-Pandemie keine betriebsbedingten Schließungen von Clubs gegeben habe – seien Unternehmen trotzdem pleite gegangen, hätten sie bereits vor der Pandemie Schieflage gehabt.
In Sachsen können die betroffenen Unternehmen ebenfalls die Überbrückungshilfe des Bundes beantragen. Wie ein Sprecher des sächsischen Wirtschaftsministeriums auf watson-Anfrage mitteilt, setze sich der Freistaat beim Bund dafür ein, dass auch Unternehmen, die aufgrund der Verordnungen nicht wirtschaftlich arbeiten könnten und deshalb schließen müssten, Unterstützung bekämen.
Weniger Verständnis habe das sächsische Ministerium für Betreiber, die aus Solidarität mit den Ungeimpften ihre Lokale schlössen: "Hier ist die unternehmerische Entscheidung Ursache des Umsatzrückgangs." Der Sprecher betont, dass Sachsen die Notbremse ziehen musste:
In Rheinland-Pfalz dürfen die Clubs, wie auch in Berlin, weiterhin geöffnet bleiben. "Der Zutritt für Ungeimpfte ist ohne Ausnahme nicht mehr möglich", heißt es vonseiten des Ministeriums für Kultur.
In dem Bundesland im Südwesten habe es, zur Unterstützung der Kulturszene, neben den Bundesfördertöpfen auch das Programm "Lichtblicke" gegeben. Aus dem rheinland-pfälzischen Ministerium heißt es:
In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist jüngst noch Karneval unter 2G-Bedingungen gefeiert worden – kurz darauf stieg die Inzidenz in Köln an. Nun gilt auch in NRW 2G-Plus: Geimpft oder genesen und zusätzlich getestet. Zumindest, wenn Menschen "Clubs, Diskotheken, Tanzveranstaltungen, Karnevalsfeiern und vergleichbaren Brauchtumsveranstaltungen" besuchen möchten, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.
Um den Clubs aus der finanziellen Notlage zu verhelfen, habe sich neben der Überbrückungshilfe, die den Unternehmen bis Ende des Jahres zustehe, der Wirtschaftsminister Nordrhein-Westfalens Andreas Pinkwart als Vorsitzender der Wirtschaftsministerkonferenz erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Hilfen bis März 2022 verlängert würden.
"Die Überbrückungshilfe ist neben dem Kurzarbeitergeld das wichtigste Instrument, um besonders von der Pandemie betroffenen Unternehmen zu helfen", heißt es auch vonseiten des Ministeriums für Kultur in Sachsen-Anhalt. Auch dort werden Clubs und Diskotheken weiterhin öffnen können, allerdings mit einer 2G+-Regelung.
Auch Brandenburg setzt aktuell auf die 2G-Plus-Regelung. Wie das Ministerium für Wirtschaft auf watson-Anfrage mitteilt, könne aber aufgrund des Infektionsgeschehens nicht ausgeschlossen werden, dass die Clubs erneut schließen müssen.