
In der Wissenschaft wird offenbar immer mehr gefälscht. Bild: imago / BENIS ARAPOVIC / WWW.SHOCK.CO.B
Leben
Gefälschte Studien, gekaufte Autorennamen, korrupte Herausgeber: Eine neue Analyse legt offen, wie sogenannte "Paper Mills" die Wissenschaft mit manipulierten Veröffentlichungen unterwandern. In rasant wachsendem Ausmaß.
05.08.2025, 15:2205.08.2025, 15:22
Die Wissenschaft lebt vom Zweifel, aber sie gedeiht nur im Vertrauen. Dieses fragile Gleichgewicht ist schwer erkämpft und noch schwerer zu bewahren. Es verlangt ein System, in dem Wissen nicht bloß zirkuliert, sondern überprüfbar, wiederholbar und integer bleibt.
Doch genau dieses System scheint derzeit Risse zu bekommen. Nicht durch einzelne schwarze Schafe, sondern durch ein Geschäftsmodell, das aus Fälschung eine Industrie macht. Der Verdacht: Immer mehr wissenschaftliche Studien, veröffentlicht in anerkannten Fachzeitschriften, beruhen nicht auf Forschung, sondern auf Täuschung.
"Paper Mills" sorgen für mehr gefälschte Studien
Eine neue Analyse, veröffentlicht in den Proceedings of the National Academy of Sciences, gibt dieser Sorge nun drastische Kontur. Das Team um Luís A. Nunes Amaral von der Northwestern University fand Belege für dubiose Organisationen, die in industriellem Maßstab gefälschte oder qualitativ minderwertige Studien produzieren,
Der Begriff dafür lautet "Paper Mills". Sie liefern gefälschte Studien gegen Geld mitsamt Co-Autorenschaften für Wissenschaftler:innen, die in Wahrheit nichts beigetragen haben.
"Wenn diese Trends nicht gestoppt werden, wird die Wissenschaft zerstört", warnt Amaral gegenüber der "New York Times". Gemeinsam mit dem Postdoktoranden Reese Richardson analysierte er über eine Million Fachartikel, viele davon über Foren wie Retraction Watch oder über Datenbanken von Bildduplikaten.
Die Dynamik dieser Entwicklung ist alarmierend: Amaral und seine Kolleg:innen haben herausgefunden, dass sich die Zahl verdächtiger neuer Arbeiten alle eineinhalb Jahre verdoppelt.
Zum Vergleich: Der gesamte Bestand wissenschaftlicher Publikationen verdoppelt sich nach aktuellen Schätzungen nur etwa alle 15 Jahre. Das bedeutet: Der Anteil potenziell betrügerischer Studien wächst zehnmal schneller als der der seriösen.
Das Forschungsteam geht zudem davon aus, dass die tatsächliche Zahl der von sogenannten Paper Mills produzierten Veröffentlichungen um ein Vielfaches höher liegt als bislang bekannt. Etwa 30.000 Publikationen wiesen laut ihrer Untersuchung klare Anzeichen für großflächigen Betrug auf. Ein statistisches Modell legt nahe: Die Dunkelziffer könnte hundertfach höher liegen.
KI verschleiert gefälschte Studien
Die "Paper Mills" operieren dabei mit verblüffender Raffinesse. Laut der Sozialwissenschaftlerin Anna Abalkina von der Freien Universität Berlin verwenden sie Künstliche Intelligenz, um Plagiate zu verschleiern, zum Beispiel durch sprachliche Verfremdungen. So werde aus einem "false positive" schon mal ein "bogus upside".
Auch gefälschte Bilder werden inzwischen per KI erzeugt, wie Abalkina und ihr Team zeigten. "Es ist wirklich beängstigend", sagt sie.
Längst lassen sich ganze Netzwerke kartieren, in denen Autor:innen und Herausgeber:innen regelmäßig miteinander publizieren. Besonders betroffen seien Forschungspapiere über microRNA in der Krebsmedizin. Das Feld drohe laut Studienleiter Amaral, "so überflutet mit Müll zu werden, dass kein seriöser Forscher mehr darin arbeiten will".
Gleichzeitig trifft der Angriff auf die Wissenschaft ein System in der Krise. "Alle Anreize zielen darauf ab, mehr und mehr zu veröffentlichen", sagt Ivan Oransky, Direktor des Center for Scientific Integrity. Man müsse aufhören, es profitabel zu machen, das System auszutricksen.
Wie Donald Trump Fälschungen begünstigt
Die US-Regierung unter Donald Trump hat das Problem zwar im Mai in einer Executive Order benannt. Darin heißt es: "Die Fälschung von Daten durch führende Forscher hat zu spektakulären Rücknahmen von staatlich finanzierter Forschung geführt."
Doch konkrete Gegenmaßnahmen lässt die Regierung vermissen. Im Gegenteil: Sie streicht Fördermittel in einem Ausmaß, das den Druck auf Forschende weiter erhöht. So fördert das National Cancer Institute nur noch vier Prozent der eingereichten Anträge. Zuvor waren es sieben. Der Postdoktorand Richardson warnt: "Wenn Menschen unter immensem Druck stehen, passieren solche Dinge."
Ein Rückzug auf bloße Rücknahmen, das zeigen die Daten, reicht nicht aus. Amaral beschreibt das Bild so: "Es ist, als ob ich einen riesigen Wasserhahn habe, der Wasser ausspuckt, und ich versuche mit einem kleinen Becher dagegenzuhalten."
Seine Lösung: Striktere Verantwortung für Autorenschaft, temporäre Publikationssperren und ein System, das Qualität wieder vor Quantität stellt.
Alkoholfrei ist nicht gleich alkoholfrei – zumindest nicht bei Schöfferhofer. Wegen eines Verpackungsfehlers könnten in alkoholfrei gekennzeichneten Sixpacks Flaschen mit Alkohol stecken. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte genau hinsehen.
Es ist vollkommen logisch, dass bei Produkt-Kennzeichnungen kein Spielraum für Fehler ist. So ein anaphylaktischer Schock ist eben eine verzichtbare Erfahrung, vom unvermittelten Klinikaufenthalt ganz zu schweigen. Damit Lebensmittel sich nicht als Springteufel entpuppen, dessen Wucht Verbraucher:innen von den Beinen reißt, steht eben alles drauf, was drin ist.