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Der Chef ganz ehrlich

Gen Z und die Null-Bock-Tage im Job: Wo genau sollen die Vorteile sein?

Kein Bock auf Arbeit? In Deutschland ist mal wieder eine (zu) wilde Debatte entbrannt.
Kein Bock auf Arbeit? In Deutschland ist mal wieder eine (zu) wilde Debatte entbrannt.Bild: shutterstock / LuckyN
Der Chef ganz ehrlich

Gen Z und die Null-Bock-Tage: Warum die ganze Debatte keinen Sinn ergibt

02.12.2024, 10:32
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Die Berichte werden nicht weniger, die Debatte nicht leiser: Die Null-Bock-Tage sorgen für Schlagzeilen. Die Kernidee ist simpel: Mitarbeiter:innen können sich einfach abmelden, wenn sie keine Lust aufs Arbeiten haben. Konsequenzen gibt es keine, das Gehalt wird bezahlt.

Das mag nach einer revolutionären Idee klingen, doch eines ist es sicher nicht: ein Trend. Ganz egal, in wie vielen Überschriften sie als solche bezeichnet werden.

Aus dem Leben einer Führungskraft
Wie führt man Menschen der Gen Z und die jüngere Hälfte der Generation Y modern und erfolgreich? Seit mehreren Jahren versuche ich, das herauszufinden, weil die meisten meiner Kolleg:innen 18 bis 35 Jahre alt sind. In meiner Kolumne "Der Chef ganz ehrlich" möchte ich meine Erfahrungen und Gedanken zum Leben als Vorgesetzter teilen. Subjektiv und direkt, durch die Brille einer Führungskraft. Alle Namen sind anonymisiert. Und nicht jedes Erlebnis stammt aus der watson-Redaktion. Feedback, Gedanken und Themenvorschläge gerne an swen.thissen@stroeer-publishing.de.

Das Gegenteil ist der Fall: Null-Bock-Tage sind die absolute Ausnahme in der Arbeitswelt. Doch das ist nicht das größte Problem, das ich als Führungskraft mit dem Begriff habe.

Einfach mal hängen lassen tut gut. Aber das hat nichts damit zu tun, dass man keinen Bock hat.
Einfach mal hängen lassen tut gut. Aber das hat nichts damit zu tun, dass man keinen Bock hat.Bild: unsplash / gabriel valdez

Null-Bock-Tage: Erfolge bei einem Kondomhersteller

Der Kondomhersteller Einhorn ist eine der ganz, ganz wenigen Firmen, die Null-Bock-Tage längst eingeführt hat. Und Markus Wörner, Head of People & Culture, sprach zuletzt im "Stern" über das System.

Seine Aussagen unterstreichen, wie viele Fehlinterpretationen über die Idee kursieren. Zum Beispiel, wenn er darüber redet, warum solche Tage genommen werden: "Am Anfang in der Start-up-Phase war auch mal ein Kater ein legitimer Grund, um einen Null-Bock-Tag zu nehmen. Heute ist das nicht mehr so."

In der Folge wird er deutlicher: "Ein Null-Bock-Tag bedeutet eben nicht Faulenzen oder Geld abkassieren. Sie sind eher unternehmerischer Selbstzweck."

Heißt im Umkehrschluss: Einhorn macht das nicht aus wohltätigen Zwecken. Vielmehr profitiert die Firma davon. Konkret sagt Wörner: "Eine Person, die einen Tag zu Hause bleibt und dann wieder zu 100 Prozent arbeitet, ist wertvoller als jemand, der ständig nur 50 Prozent gibt."

Ich finde, dass das aus Firmensicht ein spannender Punkt ist, weil die moderne Lösung durchaus einen Motivationszweck haben könnte und vermutlich auch prima wirkt bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden.

Dennoch kann das System nur funktionieren, wenn die Kolleg:innen es nicht missbrauchen. Zumindest bei Einhorn scheint das zu klappen, weil die Leute "zwischen einem und fünf" dieser Tage pro Jahr nehmen, wie Wörner sagt. Nicht mehr.

Dennoch habe ich ein massives Problem mit den Null-Bock-Tagen. Sogar mehrere.

Sechs Dinge, die mich an den Null-Bock-Tagen stören

Erstens: Die deutsche Bezeichnung trifft den Kern der Idee nicht. Denn es geht nicht darum, die Unlust von Mitarbeitenden zu befeuern.

Im Englischen spricht man von reset days. Also von Tagen, an denen man einmal versucht, Luft zu holen. Weil das kranke Kind die ganze Nacht geschrien hat und man ohnehin kaum in der Lage wäre, produktiv zu arbeiten. Weil man akute private Probleme hat und einen Tag benötigt, um sich zu ordnen. Weil man seit Wochen Überstunden ohne Ende schiebt und einfach mal eine Pause braucht. Das alles hat nichts mit "null Bock" zu tun.

Entspannter durch das Leben: Helfen da wirklich Null-Bock-Tage?
Entspannter durch das Leben: Helfen da wirklich Null-Bock-Tage?Bild: unsplash / Ave Calvar

Zweitens: Die Schlussfolgerung, man würde durch Null-Bock-Tage die Zahl der Krankmeldungen minimieren, greift zu kurz. Weil es aus Sicht einer Führungskraft nichts ändert, ob eine Person einen Tag krank ist oder einen reset day nimmt. Der Tag Fehlzeit wird nur anders genannt.

Drittens: Ich empfinde es als Rückschritt, wenn ich in einigen Berichten lese, dass Null-Bock-Tage eine optimale Erfindung für Menschen mit Migräne oder Frauen mit starken Periodenschmerzen sind.

Wenn der Körper nicht mitspielt, sollte es in jedem Unternehmen völlig normal sein, sich für ein, zwei Tage krankzumelden.

Viertens: Die Behauptung, psychische Erkrankungen durch reset days vorbeugen zu können, wirkt auf mich weit hergeholt. Wer unter massiven mentalen Problemen leidet, dem hilft ein einzelner Null-Bock-Tag nicht, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Fünftens: Das System greift in der Praxis nur in Firmen, in denen die Arbeitsbelastung, die Stimmung, die Flexibilität ohnehin schon passen.

Ist das nicht der Fall, klingen Null-Bock-Tage natürlich nach einer guten Idee. Weil man weiß, wie komisch der männliche Chef reagiert, wenn man als Frau die Regelschmerzen als Grund für die Krankmeldung nennt; wenn man weiß, dass die Führungskraft ein "Mir geht's aus privaten Gründen nicht so gut" nicht hören will; kurz gesagt: Wenn man lieber lügt und Rückenschmerzen oder einen verdorbenen Magen erfindet, um nicht die Wahrheit sagen zu müssen, weil die Führungskraft kein Verständnis hat. Aber ausgerechnet in diesen Unternehmen, in denen man Null-Bock-Tage am dringendsten bräuchte, gibt es sie leider nicht.

Sechstens: Null-Bock-Tage sind das nächste elitäre Konzept, das in Jobs nicht möglich ist, die unsere Gesellschaft am Laufen halten. Oder glaubt ernsthaft jemand, es sei eine Option, dass Pfleger:innen, Kassierer:innen im Supermarkt oder die Menschen bei der Müllabfuhr einfach mal so zu ihrer Führungskraft sagen, sie nehmen sich heute einen Null-Bock-Tag?

Die Null-Bock-Tage und die Vorurteile der Gen Z

Über all dem schwebt, wie hitzig und fast schon gehässig Teile dieser Debatte in Kommentarspalten geführt wird. Sogar auf Linkedin, wo lange Zeit der gute Ton zum Alltag gehörte. Denn das Thema ist Wasser auf die Mühlen all jener, die nun behaupten können, die Idee der Null-Bock-Tage sei mal wieder typisch für die Gen Z. Immer nur fordern, nie arbeiten wollen. Mimimi.

Dabei fordern junge Menschen an keiner Stelle Null-Bock-Tage. Noch sind sie, wie eingangs schon geschrieben, ein Trend. Worüber diskutieren wir also?

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