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Organspende: Widerspruchslösung und Hirntod einfach erklärt

Die Internetseite www.organspende-register.de auf einem Smartphone und ein Organspendeausweis Themenfoto vom 18.03.2024. Die Bereitschaft zu einer Organ- oder Gewebespende nach dem Tod kann nun auch e ...
Mit einem Organspende-Ausweis lässt sich der eigene Wille festhalten. Bild: imago images / epd-bild/Heike Lyding
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Organspende: Was spricht für die Widerspruchslösung?

29.01.2025, 08:0029.01.2025, 16:31
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Für die meisten jungen Menschen gibt es kaum etwas, das ferner scheint als der Tod. Viel zu wichtig sind persönliche Beziehungen, viel zu lange die meisten Partynächte, als viel zu selbstverständlich sieht man mitunter die eigene Unversehrtheit an. Erst wenn ein geliebtes Familienmitglied verstirbt oder eine unerwartete Diagnose kommt, muss man sich zwangsläufig mit dem Thema beschäftigen.

Gerade dann kommt mitunter auch ein weiteres Thema auf die Tagesordnung, das zuvor meist ebenso akribisch vermieden wurde: Organspende. Irgendwie gruselig, wenn Opas Haut gespendet wird. Aber was, wenn mein eigener Partner, etwa nach einem Unfall, irgendwann eine Spende braucht? Und wie soll man eigentlich unter Zeitdruck solche Entscheidungen treffen?

So richtig wissen über die Bedingungen dieses Prozesses nur wenige Bescheid. Entsprechend besorgt blicken viele auch auf die aktuelle Debatte dazu, die Definition von Tod in Bezug auf Organspende anzupassen. Hier erfährst du, was es damit auf sich hat – und was wirklich für oder gegen eine Organspende sprechen kann.

Was bedeutet die aktuelle Definition von Hirntod?

Die meisten kennen zumindest die kleine orange Karte, über die man in Deutschland seine Präferenzen zur Organspende regeln kann. Darauf kann jede Person angeben, ob und welche Organe ihr nach dem Tod entnommen werden dürfen.

Zusätzlich gibt es seit dem vergangenen Jahr ein bundesweites Organspenderegister, auch eine Patientenverfügung und die Entscheidungsmöglichkeiten durch Angehörige können die Organspende regeln.

Doch schon hier wird es kompliziert. Denn was bedeutet eigentlich Tod?

Grundlegend wird die Organspende bisher nur nach dem offiziellen Hirntod erlaubt. Dieser muss in Deutschland durch zwei Ärzt:innen unabhängig voneinander bestätigt werden, Kriterien hierfür sind in einer Richtlinie der Bundesärztekammer festgehalten. Möglich ist die Feststellung übrigens nur in Kliniken mit Intensivstation.

Solche Szenen scheinen für viele junge Menschen oft weit weg.
Solche Szenen scheinen für viele junge Menschen oft weit weg. Bild: pexels / Anna Shvets

Der Begriff Hirntod klingt zwar abstrakt, hat aber eine handfeste Grundlage. Konkret bedeutet dies, dass das Großhirn, das Kleinhirn und der Hirnstamm ihre Funktion eingestellt haben und damit nichts mehr steuern können.

Eine Rückkehr ins Leben ist medizinisch gesehen nicht mehr möglich. "Kreislauf und Atmung können nur noch künstlich durch Beatmung und Medikamente aufrechterhalten werden. Nur in dieser seltenen Situation ist eine Organspende in Deutschland überhaupt möglich", erklärt Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hierzu im Gespräch mit watson.

Die Angst vieler Menschen, durch die Erklärung zur Organspende im Krankheitsfall nicht mehr ausreichend behandelt zu werden, schließt er ebenfalls aus. "Das Ziel aller medizinischen Maßnahmen bei einem Unfall oder einer schweren Erkrankung ist es immer, das Leben eines Menschen zu retten. Die Bemühungen der Rettungsteams sowie der Ärztinnen und Ärzte sind allein darauf ausgerichtet", stellt er klar.

Ob Patient:innen als Organspender:innen registriert sind, erfahren die Ärzt:innen ohnehin erst nach deren Hirntod. Die Entnahme erfolgt durch qualifizierte Entnahme-Chirurg:innen im Auftrag der DSO.

Sorge um Organhandel: Das sind die Fakten

Eine weitere Angst, die von vielen Deutschen immer wieder geäußert wird, betrifft den illegalen Organhandel. In einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gaben 2015 ganze 12 Prozent der Befragten den entsprechenden Missbrauch als Grund gegen einen Organspendeausweis an.

In Deutschland gibt es allerdings nur wenig dokumentierte Fälle von illegalem Organhandel, zwischen 2009 und 2017 waren es gerade einmal 26. Dramatisch ist das Problem hingegen in ärmeren Ländern, die aus ethischen oder politischen Gründen kein staatliches Transplantationssystem haben und damit viel Raum für einen Schwarzmarkt bieten.

Organhandel ist in Deutschland allerdings strafrechtlich verboten, es gibt hierzulande tatsächlich keinen nachgewiesenen Fall, der ein Organ aus Deutschland involviert.

Generell folgen die Routen von illegalen Transplantationen eher von Entwicklungs- in Industrieländer. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein deutsches Spenderorgan Missbrauch zum Opfer fällt, geht damit auch wegen der verschiedenen Überwachungsstufen beinahe gegen 0.

FDP-Vorschlag: Was bedeutet Herz-Kreislauf-Stillstand?

Tatsächlich tritt der Hirntod allerdings nur bei den wenigsten Patient:innen auf. Allein hierdurch wird die Anzahl an potenziellen Spender:innen deutlich reduziert. Viel häufiger ist ein vorheriger Herz-Kreislauf-Stillstand oder andere Todesursachen.

Der zuletzt viel beachtete Entwurf für ein Positionspapier der FDP-Fraktion im Bundestag diskutiert auch aus diesem Grund eine Ausweitung der Todesdefinition für die Organspende. Demnach könnte freiwillig über ein weiteres Feld im Organspendeausweis der Herz-Kreislauf-Stillstand als Option für eine Organentnahme angegeben werden.

Dieser Fall ist medizinisch gesehen allerdings deutlich komplexer. Denn theoretisch ist nach einem Herzstillstand bei vielen Patient:innen tatsächlich über Reanimationsmaßnahmen noch eine Rückkehr ins Leben möglich.

Dr. Axel Rahmel führt auf Nachfrage von watson an, dass der Vorstoß der FDP einigermaßen plötzlich und ohne entsprechende Beratungen in Fachgesellschaften kommt. Erst wenn hier ethische Fragen geklärt seien, wäre demnach eine politische Diskussion möglich.

"Mit dem Hirntod sind Fehler ausgeschlossen", stellt auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hierzu klar. "In Kombination mit der Widerspruchslösung würden wir viele Leben retten." Gemeinsam mit anderen Abgeordneten hat er für Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag gebracht.

Die Widerspruchslösung: Was würde sich ändern?

"Diese Regelung kann zu einem echten Mentalitätswandel in der Bevölkerung beitragen und so die Diskrepanz zwischen der hohen grundsätzlichen Spendebereitschaft und den tatsächlich niedrigen Spenderzahlen verringern", erklärt auch der Präsident der Bundesärztekammer, Reinhardt in einem Statement.

Hiermit bringt der Mediziner einen weiteren Aspekt ins Spiel. Denn die freiwilligen Angaben über den Organspendeausweis machen das System in Deutschland einigermaßen einzigartig.

Seit 1997 gilt hierzulande nämlich die Zustimmungslösung, heute auch als Entscheidungslösung bezeichnet. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren der Gegenentwurf, die sogenannte Widerspruchslösung, diskutiert – bisher aber ohne Erfolg.

In einem solchen Fall würde jede volljährige Person erst einmal als potenzielle:r Spender:in angesehen werden – es sei denn, sie widerspricht dem ausdrücklich. "Die Widerspruchsregelung würde dazu beitragen, dass sich die Menschen verstärkt mit dem Thema auseinandersetzen", betont auch Dr. Axel Rahmel gegenüber watson.

Bundesweit warten laut organspende-info.de, einer Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, rund 7.400 Menschen auf ein Spenderorgan (Stand: Januar 2025). Zwar wäre die Widerspruchslösung laut Rahmel keine "magische Maßnahme", die Spenderzahlen automatisch in die Höhe treiben würde. Sie könnte demnach aber ein Anfang sein, auch weitere strukturelle Veränderungen auf die Tagesordnung zu bringen.

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