Diese Kolumne schreibe ich aus dem Camping-Urlaub. Und hier liegt direkt der erste Fehler, denn Urlaub ist die falsche Bezeichnung. Das Wort Urlaub hat dieser zweiwöchige Aufenthalt in einem knapp neun Quadratmeter großen Wohnwagen mit Vierjährigem und sieben Monate altem Baby auf einem Campingplatz an der französischen Atlantikküste wirklich nicht verdient.
Grundsätzlich ist ja Urlaub mit kleinen Kindern oder gar Babys sowieso nie mehr das, was es mal war. Ganz im Gegenteil: Ich musste feststellen, dass Urlaub mit Kindern noch anstrengender ist als Alltag mit Kindern. Weil die tägliche Betreuung des Großen, in unserem Fall bis 14 Uhr, wegfällt. Hier bei unserem Campingurlaub oder wie ich es nenne, unserer Campingerfahrung, haben wir jeden Tag die volle Kinderdröhnung ohne Pause. Erholungsfaktor? Verzweifelt gesucht.
Als es um die Urlaubsplanung für 2022 ging, ließen wir uns von Freunden verleiten, die mit drei kleinen Kindern regelmäßig zelten gehen und jedes Mal davon schwärmen. Das Leben in der Natur, die Freiheit der Kinder sich zu bewegen und besondere Plätze, die mit ihrer Lage, Aussicht oder Atmosphäre faszinieren. Vielleicht wurden mir auch zu viele Instagram-Accounts von immer gutaussehenden Familien angezeigt, die monatelang durch die Welt reisen und für die das angeblich romantische Vanlife mit Lampion-Girlande und Emaille-Kaffeebechern der Schlüssel zum Glück zu sein scheint. Und überhaupt: Leiht sich nicht gerade jedes Paar, das ein paar Wochen gemeinsam Elternzeit hat und es sich leisten kann, ein Wohnmobil und verreist?
Ich rang mich dazu durch, dem Camping-Urlaub eine Chance zu geben um zumindest meinem Sohn ein grandioses Outdoor-Abenteuer zu ermöglichen. Mein Mann fand es ebenfalls prima, weil er so nach entsprechenden Wohnwägen suchen konnte. Denn eine eigene Toilette war die Voraussetzung dafür, dass ich zustimmte. Hätten wir gezeltet, würde ich diesen Text bereits von Zuhause aus schreiben.
Also Campen mit kleinen Kindern. Die Kurzzusammenfassung: eine Arbeitsstätte mit gelegentlichen Urlaubsmomenten bei meist schönem Wetter. Hier müssen wir unser Geschirr mit der Hand abspülen, den Wohnwagen sauber halten, einkaufen, kochen, Wäsche waschen, die Sitzecke jeden Abend zu einem Bett zusammenbauen und beziehen sowie morgens wieder umbauen. Drei weitere Highlights: Um fließendes Wasser zu haben, muss der Wassertank ständig mit Frischwasser befüllt werden, das wiederum mit einer Gießkanne von einer Wasserstelle in der Nähe herangekarrt wird. Dann muss das aufgefangene Abwasser in einem Eimer regelmäßig in den Gulli geschüttet werden. Und Numero drei der Arbeitsmaßnahmen: Alle zwei bis drei Tage leuchtet am Toilettentank ein roter Punkt auf, der bedeutet, wenn der Inhalt nicht umgehend entleert wird, läuft die Scheiße im wahrsten Sinne des Wortes über.
Nun frage ich mich, und meinen Mann täglich, der sich schon lange fürs Campen ausgesprochen hatte, wann jetzt genau das Urlaubs-Feeling aufkommt, wenn ich drei Mal so viel Arbeit wie zuhause habe? Urlaub bedeutet für mich aktuell, mich zu erholen indem ich entlastet und verwöhnt werde. Entlastung, von sämtlichen Verpflichtungen entbunden zu sein. Verwöhnt werden mit einem Frühstücksbuffet, mit nicht einkaufen, keine Mahlzeiten zubereiten, keinen Haushalt erledigen. Stillen, Baby und Kleinkind versorgen sowie die Bespaßung der beiden bleiben ja sowieso. Also wieso machen sich Camper-Familien das Leben im Urlaub zusätzlich schwer, indem sie freiwillig noch mehr schuften, sich räumlich begrenzen und beim Thema Dreck keine andere Chance haben, als zu kapitulieren?
Bleiben wir direkt beim Dreck. Noch nie habe ich mit so viel Schmutz unter einem Dach gehaust. Ja, es ist schön, dass unser Sohn die Wohnwagen-Tür morgens aufdrückt und direkt im Freien steht, um loszulegen. Wenn er jedoch zurückkommt, haften an ihm sämtliche Materialien der Umgebung: Staub, Erde, kleine Steinchen, sogar Harz. Das alles komprimiert sich auf den drei Quadratmetern Bodenfläche oder in meinem Bett, das tagsüber nicht umgebaut wird. Weil dies die einzige Liegefläche fürs Baby ist, springt der Vierjährige ebenfalls mit drauf. Zu Beginn stellten wir Schuhe-ausziehen-Regeln auf, kauften ein neues Kehrblech, das wir vergessen hatten und mein Mann fluchte, weil er am dauerputzen war.
Ich selbst gab direkt an Tag drei auf, weil es aussichtslos ist. Jetzt schlafe ich mit Rindenstücken, gesammelten Steinen und Brotkrumen im Bett. Und das Schlimme ist, das Thema zieht Kreise. So viel saubere Klamotten, wie mein Sohn bräuchte, besitzt er gar nicht. Also bekommt er wieder das dreckige T-Shirt von gestern an, ist eh schon egal. Meine salzigen Haare kämme ich auch nur noch alle drei Tage. Ich habe resigniert. Ein dreckiger Höhepunkt war der einzige Regenvormittag, den wir bisher hatten. Der Campingplatz verwandelte sich in ein Matschloch und unser Wohnwagen zeitverzögert gleich mit dazu.
In den fünf verregneten Stunden Aufeinandersitzen auf wenigen Quadratmetern waren wir Eltern an unsere Grenzen gekommen. Und ich frage mich, wie man überhaupt nur in Erwägung ziehen kann, im Norden zu campen? Extremer Platzmangel mit Kindern ist wirklich ein Graus. Davon abgesehen, dass wir im Gegensatz zum Zelten schon Schränke und Fächer haben, sind wir 50 Prozent des Tages mit Suchen beschäftigt. Wo liegt die letzte saubere Hose fürs Baby? Wer hat zuletzt das Duschgel benutzt und es wo abgestellt? In welcher der vielen Taschen versteckt sich die Badehose und warum hat sie keiner auf die Wäscheleine zum Trocknen gehängt? Vielleicht fehlt uns ein ausgeklügeltes System, Struktur und Disziplin aber hallo, theoretisch sind wir im Urlaub.
Zuletzt wäre da noch die fehlende Privatsphäre, mit der ich gerade als Mutter schlecht klar komme. Der Sohn schreit von Weitem, er müsse ganz dringend Kacka und der halbe Campingplatz wird darüber informiert. Ich verliere die Nerven und drohe ihm lauthals, wenn er noch mal auf seine Schwester springe, lande er vor der Wohnwagentür und weiß, dass die Mutter nebenan meine Überforderung nicht nur hören sondern auch sehen kann. Und das abendliche 45-minütige Babygebrüll, das zu uns rüber schallt, stresst die entsprechenden Eltern sicher ungemein. Ich selbst fände das Zirpen der Zikaden als Hintergrundgeräusch während des Abendessens auch um einiges angenehmer. Campen mit Kindern bedeutet auch, dass die neu gefundenen Freunde des Sohnes jetzt kurzerhand unser Vorzelt einnehmen, mitessen und plötzlich im Wohnwagen stehen.
Vielleicht hatte ich dem Campen auch zugestimmt, weil ich ein paar Klischee-Bilder im Kopf hatte. Ich sah uns morgens mit einer Kaffeetasse in der Hand und Blick aufs Meer draußen sitzen. Doch dann wackelt dieser klapprige Campingtisch weil der steinige Boden hier uneben ist und der Vierjährige stößt mal wieder beim Herumzappeln dagegen. Übergeschwappte Kaffeetassen, Gefluche und wo liegt jetzt wieder die verdammte Küchenrolle? Die ist leer, der Nachschub noch im Stauraum des Wohnwagens. Kannst du mal holen, die Klappe ist abgeschlossen, wo ist der Schlüssel, den hattest du doch zuletzt, warum legst du ihn nicht wieder zurück an seinen Platz. Und wen interessiert jetzt noch der meditative Blick aufs Meer? Hast du den Wohnwagen schon bei Ebay Kleinanzeigen eingestellt, frage ich meinen Mann. Unser Running Gag für viele Momente wie diesen. Wir müssen beide lachen, auch wenn ich es ernst meine.