Wer beim Gedanken an das Date am Abend nicht gerade freudig vor dem Spiegel summt, sondern kaum mehr eine Socke angezogen kriegt, ist vielleicht bereits angekommen: im Dating-Burn-Out.
Das Gefühl, nicht mehr matchen, nicht mehr schreiben oder sich treffen zu wollen, kennen viele, die schon eine Weile auf Dating-Apps sind. Man sucht zwar weiterhin die Liebe, aber man ist erschöpft von immer gleichen Smalltalk und Micro-Liebesgeschichten, die im Nichts verpuffen. Was kann man dagegen tun?
Wir haben Pia Kabitzsch gefragt. Die Psychologin begeistert sich für alle Dating-Themen und spricht darüber auch in ihrem Tinder-Podcast "Besser Daten".
"Dating-Burning-Out klingt wie eine klinische Diagnose", sagt sie, "aber was dahintersteckt, ist dieses Gefühl: 'Ich habe keinen Bock mehr. Ich bin müde vom daten, ich bin frustriert, irgendwie erschöpft.'"
Onlinedating hätte viele Vorteile, besonders für Menschen, die nicht so gerne fremde Leute in der Bar anquatschen. Es sei auch toll, dass es so eine große Auswahl an Singles dort gibt, denn dadurch steige natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass es mit irgendwem gut passt. "Aber", mahnt Pia, hier säße auch das Problem, "man muss wissen, wie man mit dieser Auswahl umgeht, ohne dass es einen völlig erschlägt."
Es ist nämlich genau dieser Stress, die Überflutung mit Menschen und Informationen, die zum Burn-Out-Gefühl führt. Ein Effekt, der sich verhindern ließe, glaubt sie:
Viel hilft viel, ist daher gerade beim Dating ein Trugschluss. Das Gefühl, man müsse sich durch alle Gesichter swipen, weil man sonst den oder die Richtige:n verpassen könnte, ist nicht nur total stressig, sondern auch Unsinn. Nicht die Quantität, sondern die Qualität der Kontakte ist entscheidend.
Darin liegt der Schlüssel, wie man lernt zu daten, ohne sich danach ausgelaugt zu fühlen. Die Psychologin rät zu einem ganz praktischen Tipp für alle Menschen, denen es schwerfällt, sich zu bremsen.
Sie glaubt, einem Burnout kann man präventiv vorbeugen, in dem man sich einen konkreten Timer von fünf Minuten setzt und dann wieder aufhört, Profile anzuschauen, anstatt eine halbe Stunde herumzuswipen. "Denn", sagt sie, "in dieser Zeit ist schon total viel Information durchgerauscht, die dein Hirn erst einmal verarbeiten muss."
So wie man selbst gerne auch hätte, dass sich das Gegenüber zumindest eine halbe Minute Zeit gibt, das eigene Profil anzuschauen, sollte man selbst fremden Singles auch mal 30 Sekunden gönnen.
Am Ende spart das allen Beteiligten Zeit und Nerven, weil nur noch Menschen in der engeren Auswahl bleiben, die dich wirklich interessieren. Pia Kabitzsch führt aus:
Am besten sei es daher, komplett zu entschleunigen, jedes Profil einzeln anschauen und zu versuchen, die Person dahinter zu erfassen.
"Alle sagen immer: Onlinedating ist oberflächlich. Aber es ist nur so oberflächlich, wie du es machst", ist die Expertin überzeugt. Singles hätten über Apps die Möglichkeit, ganz viele Informationen über den Anderen zu erfahren. Weit mehr, als wenn man jemanden im Supermarkt kennenlernen würde. "Aber diese Möglichkeit muss man nutzen und sich diese Zeit nehmen", sagt Pia.
Es erfordert ein wenig Selbstdisziplin nicht aus Langeweile oder Spieltrieb durch die App zu huschen, sondern sich tatsächlich mit den Menschen dahinter auseinanderzusetzen, aber es lohne sich.
Die Konzentration auf wenige Kandidat:innen "macht dich lange nicht so müde, weil du dir nur zehn Profile angeschaut hast und nicht hundert." Zudem wüsste man bei jedem neuen Match genau, dass das jemand war, den man wirklich toll fand, Vorfreude kehrt zurück.
Anstatt zu denken, "'Wer ist das? Den habe ich noch nie gesehen.' Weil man ihn einfach mal schnell geswiped hat", sagt Pia, die selbst schon oft auf Dating-Apps war und das Gefühl daher kennt.
Ein weiterer Punkt sei die Erwartungshaltung. Es kann bei einem Dating-Burn-Out helfen, umzudefinieren, was "erfolgreiches Dating" ist. Ist ein Chat verschwendet, wenn er ohne Date endet? Ein Date nur gut gelaufen, wenn es zum Kuss kommt? Lohnt sich ein Kuss nur mit der großen Liebe? Wer so denkt, versinkt früher oder später im Frust.
"Du wirst vermutlich enttäuscht werden, wenn du glaubst, durch maximales Dating irgendwann die 'richtige' Person zu treffen. Aber wenn man sich davon löst, hilft das extrem", sagt Pia dazu und führt aus, wie es laufen kann, wenn man sich von überhöhten Erwartungen freimacht:
Wenn es wirklich mal zu viel wird, mit dem Dating-Game heißt es also: Pausetauste drücken. Zu viele Kontakte und zu hohe Erwartungen bedeuten Stress. Wenn alles eine Nummer kleiner ist, nimmt die Freude wieder zu.
Ob es dann auch leichter fällt, sich zu verlieben, bleibt abzuwarten, aber, wie Pia abschließend sagt: "Das sind auf alle Fälle alles Dinge, mit denen man der Müdigkeit und Frustration eines Dating-Burn-outs entgegenwirken kann."