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Fragen der Liebe

Liebe und Beziehung: Warum eine Psychologin langsames Dating empfiehlt

Couple in love about to kiss outside a coffee shop in the city. Young man and woman holding a tea about to kiss outdoors in a winter evening.
Ein Vorteil: Wer sich Zeit zum Kennenlernen nimmt, verlängert damit auch den köstlichen Moment vor dem ersten Kuss. Bild: E+ / Portra
Fragen der Liebe

Ist Slow Dating die Lösung für erschöpfte Dauersingles?

Viele Singles auf der Suche nach Liebe und längeren Beziehungen, verzweifeln, wenn ihr Dating wiederholt in Ghosting, unbefriedigenden One-Night-Stands und Enttäuschungen endet. Wir sprachen mit einer Psychologin darüber, inwiefern es gerade dann helfen kann, das Dating massiv zu entschleunigen.
12.10.2025, 09:1212.10.2025, 09:12

In den 2000ern gab es ein paar Dating-Regeln, die in fast jeder Frauen- und Teeniezeitschrift zu finden waren: Beim ersten Date darf es maximal einen Kuss geben, sonst kannst du ernste Absichten direkt vergessen.

So blödsinnig das damals schon war(!), umso interessanter, dass auch die Auflösung aller "Dating-Regeln" einige Singles nicht zum Ziel geführt hat. Manch eine:r geht schon jahrelang auf Dates und fühlt sich nur noch erschöpft. Es ist kompliziert geworden, eine wahrhafte Verbindung zu finden. Kann eine Entschleunigung, sogenanntes Slow Dating, die Lösung sein?

"Dieses bewusst langsame Tempo wirkt dem Gefühl der Entmenschlichung entgegen."

Watson sprach darüber mit Anouk Algermissen. Sie ist Psychologin und Paartherapeutin aus Bonn, arbeitet als Dating- und Beziehungsexpertin bei Hinge und ruft entschieden dazu auf.

Anouk Algermissen ist Psychologin (M.Sc.) und Paartherapeutin.
Psychologin Anouk AlgermissenBild: PR / Thomas Probst

Achtsame Verbindung: Was hinter der Idee von Slow Dating steckt

"Sich Zeit lassen beim Kennenlernen – die Idee ist nicht neu. Aber sie wird gerade neu entdeckt", weiß sie. Damit sei das Slow Dating auch ein Gegenentwurf zu dem, was wir in vielen Bereichen des Lebens erfahren, nämlich: "Immer schneller und immer auf der Suche nach etwas noch 'Besserem'", sagt Algermissen.

Der dahinterliegende Effizienz-Gedanke stresst uns nicht nur beim Shopping oder auf der Arbeit, sondern auch auf der Partnersuche. Gibt es jemand passenderen? Muss ich dafür nur noch mehr Menschen treffen, den Radius erweitern, häufiger ausgehen?

Das Gegenteil könnte der Fall sein. Die Expertin erklärt:

"Slow Dating beginnt bereits dort, wo man aufhört, schnell und ohne bewusste Gedanken durch Profile zu wischen. Wer innehält, sieht mehr. Und spürt auch besser, ob da vielleicht eine tiefe Verbindung entstehen kann."

Nicht mit acht Leuten parallel zu chatten, sondern nur einen Menschen kennenzulernen und zu treffen, kann helfen. Oder auch, kein voreiliges Urteil zu fällen, sondern sich Mühe zu geben, den oder die Andere zu verstehen, nachzufragen, sich mehrfach zu treffen.

"Dieses bewusst langsame Tempo wirkt dem Gefühl der Entmenschlichung entgegen, das viele beim Daten irgendwann verspüren", weiß Algermissen aus der Praxis. Doch genau diese Menschlichkeit "braucht es meiner Meinung nach, um tiefe Verbindungen zu schaffen und die Dating-Apps zu löschen", sagt sie.

"Statt Erfüllung bringt dieses Tempo Frust – nicht selten sogar Dating Burnout."

Dass in Deutschland viele Singles heutzutage diesen Weg wählen, sei kein Zufall, ist sie überzeugt: "Hier wächst das Bewusstsein für psychische Gesundheit", hat die Expertin festgestellt. Viele Menschen bemerken, dass ein großer Dating-Reigen, nicht nur Spaß nach sich zieht, sondern auch Stress und Oberflächlichkeit. Diese Personen, "wollen mit Intention daten, um die Person zu finden, die wirklich zu ihnen passt."

Häufiges, schnelles Dating kann Singles in den Burnout führen

Das kann sich besonders für Menschen lohnen, die eine feste Bindung suchen. Denn hektisches, mehrgleisiges Dating verhindert den Aufbau von echter Nähe. Das bestätigt die Psychologin:

"Wenn wir beim Dating zu schnell unterwegs sind und versuchen, zu viele Menschen gleichzeitig zu treffen, landen wir oft bei Matches, die nichts bedeuten, bei Gesprächen, die sich verlaufen, und bei Verbindungen, die nicht halten."

Die Annahme "viel hilft viel" ist also gerade bei zwischenmenschlichen Dingen falsch. "Statt Erfüllung bringt dieses Tempo Frust – nicht selten sogar Dating Burnout", mahnt die Paartherapeutin. "Denn wenn aus Menschen nur noch Profile werden, die man durchscrollt, geht das Gefühl echter Begegnung verloren." Plötzlich stehen Einzelaspekte wie Hobbys und Aussehen übermäßig im Vordergrund, anstatt die Person dahinter wahrzunehmen. Gedankenloses Ghosting kann ein Ergebnis sein.

Das Problem ist, dass diese Unverbindlichkeit zum Teufelskreis wird. Anouk Algermissen meint: "Viele Singles entwickeln dadurch Hemmungen, sich anderen gegenüber zu öffnen – genau das Gegenteil von dem, was es eigentlich braucht, um tiefe und bedeutungsvolle Beziehungen aufzubauen."

Slow Dating, sich also auf einzelne Singles zu konzentrieren und sich auch Zeit zu nehmen, diese länger und tiefergehend kennenzulernen, kann genau das Richtige sein, für Menschen, die das Gefühl haben, bei Dates immer nur an der Oberfläche zu kratzen.

Einige Apps haben sich schon darauf eingestellt, weiß Algermissen. Bei Hinge gäbe es zum Beispiel ein "Du bist dran-Limits", das weitere Matches unmöglich macht, wenn zu viele Chats offen sind. Solche kleinen Tools (zu denen man sich auch selbst disziplinieren kann) helfen, sich "auf bestehende Gespräche zu konzentrieren, bevor neue beginnen." Dating à la Goethe also, denn der wusste schon: "Wer sichere Schritte tun will, muss sie langsam tun."

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