"Frauen sterben und die Medizin ist daran mit schuld", so fasste Carolina Credo-Perez das Problem in ihrem Buch "Unsichtbare Frauen" zusammen. Darin macht sie auf zahlreiche Ungleichheiten zwischen Mann und Frau aufmerksam und zeigt, dass weibliche Personen nicht nur im Alltag selbst, sondern eben auch in der Medizin klar benachteiligt werden.
Seit Jahrzehnten, nein Jahrhunderten werden medizinische Produkte und Behandlungen zuerst und teils ausschließlich an männlichen Probanden getestet, sodass viele Frauen schlichtweg falsch oder nicht behandelt werden.
Diese Diskriminierung ist nicht nur aus entsprechenden Studien der Gender-Medizin ablesbar, auch im Alltag berichten viele Frauen von Ungleichbehandlung bei ihren Ärzt:innen. Umso schwerwiegender scheint jetzt der Vorwurf gegen ein Medikament des Pharmaunternehmens Sanofi.
Seit dem vergangenen Jahr will die Verleihung des "Goldenen Zaunpfahls 2024" auf die Diskriminierung weiblicher Personen durch spezifisches Marketing aufmerksam machen. Verliehen wird dieser Preis vom Verein klische*esc e. V., der damit auf die Reproduktion sexistischer Rollenbilder durch Werbung aufmerksam machen will.
Langfristig wolle man mit dem Preis auch eine Debatte über die "nachgewiesen einschränkenden Folgen für Kinder und Erwachsene" anstoßen. In diesem Jahr betrifft diese Debatte ein Produkt, das zwar tatsächlich auch viele Frauen nutzen.
"Eine stereotype pinke Verpackung, eine unverschämte Pinktax, hanebüchene Erklärungsversuche" machten es für die Verantwortlichen aber zum absoluten Lowlight des diesjährigen Rankings. Unter Pinktax versteht man die zusätzliche Besteuerung oder Preiserhöhung für Produkte für weibliche Personen,
Die Rede ist vom krampflösenden Schmerzmedikament Buscopan. Konkret geht der "Zaunpfahl 2024" an die Version "Plus Pink" mit pinken Schriftzügen, fett gedruckt wird hierbei "bei krampfartigen Regelschmerzen".
Tatsächlich empfehlen viele Betroffene das Medikament bei Krämpfen während der Periode, auch auf der Verpackung wird seit jeher mit diesem Anwendungsbereich geworben. Bei der vermeintlich neuen, pinken Version handelt es sich allerdings nicht um eine besonders auf diese Schmerzen spezialisierte Zusammensetzung.
Im Gegenteil: "Buscopan Plus Pink" enthält mit Paracetamol und Butylscopolaminiumbromid die exakt gleichen Inhaltsstoffe. Es ist das gleiche Medikament, nur in pinker Verpackung.
Wie die Jury des Negativ-Preises zudem berichtet, wurde zu Beginn der Vermarktung sogar ein höherer Preis für das schlichtweg gleiche Präparat erhoben – für sie also ein klassischer Fall von Pinktaxing. Ein eigener Instagram-Kanal wurde für die Version ebenfalls eingerichtet – komplett in Pink, versteht sich.
"Sanofi liefert genügend Gründe, für die Buscopan Plus Pink den Wink mit dem Zaunpfahl redlich verdient hat", fasst die Jury nach der Verleihung zusammen. Als "Gewinn" für den Negativpreis bietet der Verein dem Unternehmen einen Workshop für Unconscious Bias an.
Trotzdem steht Sanofi mit seinem auffälligen Gender-Marketing nicht allein da. In der Auswahl für die Verleihung stand unter anderem auch die Marzipan-Marke Niederegger, die seit Jahren eine eigene Produktreihe mit dem Namen "Männersache" vertreibt und dabei stark mit heteronormativen Klischees spielt.