Die genaue Anzahl vollständig gelähmter Menschen ist schwer zu bestimmen. In Deutschland leben schätzungsweise etwa 140.000 Menschen mit einer Querschnittlähmung, wobei jährlich rund 1.800 neue Fälle durch Unfälle und Erkrankungen hinzukommen.
Aber jede Querschnittlähmung ist anders und betrifft nicht automatisch den ganzen Körper. Zudem können auch andere Ursachen wie neurologische Erkrankungen oder Hirnschädigungen zu einer vollständigen Lähmung führen.
Die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten bestehen hauptsächlich aus Ergo- und Physiotherapie, um den Muskelabbau zu verhindern, Medikamenten gegen die Schmerzen und chirurgischen Eingriffen zur Stabilisierung der Wirbelsäule.
Doch das könnte sich bald ändern: Besonders Neuroimplantate und Stammzelltherapien gelten in der Forschung als vielversprechende Methoden, die aktuell genauer untersucht werden.
Ein japanisches Forschungsteam der Keio-Universität in Tokio hat in einer aktuellen Studie den Einsatz induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS-Zellen) zur Behandlung von Querschnittslähmungen untersucht. Nun stellte das Team rund um den Forscher Hideyuki Okano erste Ergebnisse vor, das Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtete.
An der Studie nahmen vier erwachsene Männer teil, die eine komplette Querschnittslähmung erlitten haben. Die Operationen erfolgte jeweils innerhalb von vier Wochen nach der Schädigung. Im Dezember 2021 fand die erste statt. Die anderen drei Probanden erhielten ihre Operation in den beiden darauffolgenden Jahren.
Um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, erhielten die Patienten sechs Monate lang immunsuppressive Medikamente. Denn viele der Zellen überleben die Operation nicht oder sterben innerhalb von wenigen Tagen ab. Okano zufolge deuten bildgebende Untersuchungen seiner vier iPS-Zellempfänger darauf hin, dass einige der Zellen überlebt haben.
Bei der Nachuntersuchung nach einem Jahr konnten die Forschenden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen feststellen. Ganz im Gegenteil: Ein Patient kann nun einige Arm- und Beinmuskeln bewegen. Ein anderer ist mittlerweile in der Lage, selbstständig zu stehen.
"Diese Person trainiert jetzt das Gehen", berichtet Okano. "Das ist eine beeindruckende Genesung." Die anderen beiden Teilnehmer zeigten keine bemerkbare Verbesserung.
Um eine definitive Wirksamkeit der iPS-Zellen zu belegen, benötigt es größere Studien. Denn es kann durchaus vorkommen, dass Rückenmarksverletzungen ganz natürlich heilen.
Das von Okano mitgegründete Biotech-Unternehmen K Pharma plant nun, eine Genehmigung für größere klinische Studien zu beantragen. Sollte sich die Methode bewähren, könnte sie eine bahnbrechende Therapie für Querschnittsgelähmte darstellen und die regenerative Medizin entscheidend voranbringen.