Jedes Jahr wieder dasselbe Ritual: Wenn der Sommer beginnt, rückt auch die Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung näher. Viele Menschen nehmen sich fest vor, alles rechtzeitig zu erledigen – und schieben es doch immer wieder auf.
Zwischen Anlagen mit kryptischen Kürzeln, unübersichtlichen Formularen und der Sorge, etwas falsch einzutragen, wächst der Frust.
Wer keine:n Steuerberater:in hat, fühlt sich schnell verloren im Dschungel der deutschen Bürokratie. Für Tausende Bürger:innen bedeutet das: Am 31. Juli, dem Stichtag, ist die Erklärung noch immer nicht eingereicht.
Genau hier setzt nun ein deutschlandweit einzigartiges Pilotprojekt an. Das Finanzamt Kassel hat für ausgewählte Arbeitnehmer:innen die Steuererklärung einfach selbst ausgefüllt. So soll eine Aufgabe, die Arbeitnehmer:innen bislang viele Stunden kostete, mit wenigen Klicks erledigt sein.
Möglich wird das durch Daten, die ohnehin längst vorliegen – etwa zu Lohn, Renten oder Versicherungen. Aus diesen Informationen erstellt das Finanzamt automatisch einen ersten Steuerbescheid und schickt ihn den Bürger:innen als Vorschlag.
Wer dann doch noch zusätzliche Kosten geltend machen möchte, kann das ganz unkompliziert über die bekannte Online-Plattform Elster tun. Dort lassen sich unter anderem Handwerkerrechnungen, Arbeitsmittel oder Spenden nachtragen. Die Behörde prüft diese Angaben und verschickt erst dann den endgültigen Bescheid.
Der Testlauf in Kassel richtet sich ganz gezielt an Arbeitnehmer:innen ohne Steuerberater:innen. Denn genau diese Gruppe ist es, die oft am meisten unter der Komplexität der Steuerformulare leidet.
Wer nicht auf professionelle Hilfe zurückgreifen kann, steht den endlosen Anlagen häufig ratlos gegenüber. Viele empfinden die jährliche Steuererklärung deshalb als Last, die mit Unsicherheit, Stress und hohem Zeitaufwand verbunden ist.
Indem das Finanzamt nun den ersten Schritt übernimmt, werden gerade diejenigen entlastet, die bisher am stärksten mit der Bürokratie zu kämpfen hatten. Auch dem Finanzamt könnte es helfen, denn die Steuererklärungen sollen elektronisch ausgefüllt werden.
Gelingt das Projekt, soll es schrittweise auf ganz Hessen ausgeweitet werden.
Damit könnte sich ein Modell etablieren, das in anderen Ländern längst erprobt ist: In Österreich und Schweden etwa ist es seit Jahren üblich, dass der Staat proaktiv eine fertige Steuererklärung bereitstellt.