watson: Woran merke ich überhaupt, dass ich keinen Finanzplan habe?
Margarethe Honisch: Wenn der Gedanke an Geld dich stresst und du dich so gar nicht damit beschäftigen willst. Wenn du nicht genau weißt, wie viel du monatlich ausgibst, was du zurücklegst und ob du für später vorsorgst, fehlt dir wahrscheinlich ein Plan. Auch das Gefühl, finanziell eher zu "reagieren" als zu gestalten, ist ein klares Zeichen.
Warum haben so viele Menschen mit über 30 noch keinen Finanzplan – was hält sie davon ab?
Oft sind es andere Prioritäten: Beruf, Freizeit, Lifestyle, Alltag. Das ist ja auch nachvollziehbar. Aber wenn ich mich einmal mit dem Thema befasse, habe ich auch die mentale Kapazität für andere Dinge – und am Ende auch mehr finanzielle Möglichkeiten für meinen Lifestyle. Die meisten Frauen, die ich begleite, haben am Ende eines gemeinsam: Die Reue nicht früher angefangen zu haben.
Wie war das bei dir? Was war dein persönlicher Moment, an dem du dir gesagt hast: Jetzt mache ich einen Plan?
Der Moment kam, als mich eine Freundin anrief und erzählte, dass sie mit ihrem Partner ein Haus bauen will. Ich war Ende 20, lebte in einer kleinen Einzimmerwohnung in München – und mein Konto war im Minus. Ich konnte mir nicht mal einen Restaurantbesuch am Monatsende leisten. In dem Moment wurde mir klar: So will ich nicht weitermachen. Ich brauche einen Plan, um mein Leben gestalten zu können – und nicht nur irgendwie über die Runden zu kommen.
Ist Anfang 30 wirklich noch nicht zu spät?
Nein, überhaupt nicht. Mit Anfang 30 hast du schon wichtige Erfahrungen gesammelt, oft ein regelmäßiges Einkommen und genug Zeit, um langfristige Ziele zu erreichen. Jetzt ist ein idealer Zeitpunkt, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben viele Teilnehmer:innen in unseren Kursen, die genau dann starten, weil man endlich ein ausreichendes Gehalt hat, um sich auch um die Zukunft zu kümmern.
Wie kann man mentale Blockaden wie "Ich hab eh zu wenig Geld" auflösen?
Am besten ist es, sich die eigenen Ausgaben mal ganz ehrlich über ein bis drei Monate anzuschauen. Wo sind unnötige Kosten, wo laufen Abos, die man nicht nutzt, wo geht Geld verloren, das man eigentlich anders einsetzen könnte? Ich sage das als jemand, der sich zeitweise von Toastbrot mit Käse ernährt hat – auch ich habe finanzielle Fehlentscheidungen getroffen. Die Wahrheit ist: Die meisten haben nicht zu wenig Geld, sondern andere Prioritäten. Und genau da darf man hinschauen und bewusst entscheiden, was einem wirklich wichtig ist.
Was ist dein Tipp für Menschen mit unregelmäßigem Einkommen wie Freelancer:innen?
Arbeite mit Durchschnittswerten und Pufferbeträgen. Plane konservativ, schaffe dir Rücklagen für schwächere Monate – so bleibst du handlungsfähig. Ein guter Richtwert ist, mindestens drei bis sechs Monatsausgaben als Sicherheitspolster zurückzulegen. Auch eine feste monatliche Sparrate, die du in guten Monaten erhöhst und in schwächeren reduzierst, kann helfen, Konstanz in deine Finanzplanung zu bringen. Wichtig ist: Plane realistisch, nicht optimistisch.
Wie baue ich einen Plan, wenn ich gerade in Elternzeit, Teilzeit oder in einer finanziellen Übergangsphase bin?
Mach den Plan so, wie dein Leben gerade ist – nicht wie es idealerweise sein sollte. Auch ein kleiner Plan ist besser als gar keiner. Wir erleben es oft, dass Frauen, die lange in Teilzeit gearbeitet haben, später Schwierigkeiten haben, wieder in den Job zurückzukommen. Gerade wenn die Kinder aus dem Haus sind und man eigentlich wieder durchstarten könnte, fehlt der Anschluss. Das führt nicht nur zu finanziellen Einbußen, sondern auch zu mentalen Belastungen. Deshalb lohnt es sich, früh einen Plan zu machen – nicht nur für die jetzige Phase, sondern auch mit Blick auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte.
Was gehört in einen soliden Finanzplan?
Ein Überblick über Einnahmen und Ausgaben, Rücklagen für kurzfristige Notfälle, eine Altersvorsorge-Strategie und, wenn möglich, ein langfristiger Vermögensaufbau. Plus: ein klarer Blick auf Schulden und Versicherungen.
Wie priorisiere ich: Schulden abbezahlen, Altersvorsorge, Notgroschen – was zuerst?
Grundsätzlich beginnt man mit dem Notgroschen, um sich vor unerwarteten Ausgaben zu schützen. Aber: Ich würde mir unbedingt auch anschauen, wie hoch die Zinsen für bestehende Schulden sind. Wenn du zum Beispiel für einen Dispokredit zwölf Prozent Zinsen zahlst, aber bei der Altersvorsorge mit sieben bis acht Prozent Rendite rechnest, dann ist klar: Schulden abbezahlen hat Vorrang. Ziel sollte sein, zuerst einen kleinen Notgroschen aufzubauen, dann möglichst zügig die Schulden abzutragen. Erst wenn du schuldenfrei bist und eine Rücklage hast, lohnt sich der Einstieg in die Altersvorsorge.
Gibt es ein simples Schema oder eine Checkliste, mit der ich starten kann?
Wie hole ich meinen Partner oder meine Partnerin ins Boot, wenn wir gemeinsame Finanzen planen wollen?
Zunächst einmal finde ich es absolut romantisch, über Finanzen in der Partnerschaft zu sprechen – vor allem, wenn es nicht nur um Zahlen geht, sondern auch um Wünsche, Ängste und gemeinsame Ziele. Fragen wie: "Wie wollen wir leben? Was ist dir wichtig? Wie teilen wir unsere Finanzen auf?", schaffen Nähe und Vertrauen. Am besten startet man mit kleinen Themen, zum Beispiel dem Urlaubsbudget – und geht Schritt für Schritt tiefer. So entsteht mit der Zeit ein gemeinsamer Plan, der wirklich zu beiden passt.
Wie viel Budget darf man sich auch im Finanzplan für "unvernünftige Dinge" gönnen?
Viele denken, ein Finanzplan bedeutet Verzicht – aber das Gegenteil ist der Fall. Wer plant, schafft sich bewusst Spielraum für Genuss und kann diesen viel entspannter auskosten. Eine gute Faustregel ist die 30- Prozent-Regel: Bis zu 30 Prozent des Nettoeinkommens dürfen für den persönlichen Lifestyle ausgegeben werden – also für Dinge, die einfach Freude machen. Wenn die Basics und die Vorsorge gesichert sind, fühlt es sich viel besser an, sich etwas zu gönnen – ganz ohne schlechtes Gewissen und mit dem Wissen, dass man trotzdem für die Zukunft vorsorgt.