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Gründen als Frau: Wie Dilan Küçük mit Press-On-Nägeln Karriere machte

Ohne Netzwerk und ohne Kapital ein Unternehmen aufbauen: Das hat Dilan Küçük geschafft.
Ohne Netzwerk und ohne Kapital ein Unternehmen aufbauen: Das hat Dilan Küçük geschafft.Kendra Storm Rae
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Jung, Mutter, Migrantin: Wie man allen Vorurteilen zum Trotz ein Unternehmen gründet

11.03.2025, 08:19
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Als junge Frau ein Unternehmen zu gründen, ist nicht einfach. Als junge Frau mit drei Kindern und einem migrantischen Hintergrund erst recht nicht. Welche Hürden da so auf einen zukommen, und wie man diese meistern kann, weiß Dilan Küçük.

Sie ist die Gründerin des Unternehmens "Naild", dass sich auf Press-on Nägel spezialisiert hat. Nachdem Küçük einmal mit ihrem Kinderwagen in ein Nagelstudio wollte und abwertende Blicke dafür geerntet hatte, als junge Mutter etwas Gutes für sich tun zu wollen, war ihr klar: Das muss einfacher gehen, das muss man selber Zuhause machen können.

Küçük hat das Unternehmen acht Jahre lang alleine profitabel aufgezogen, vielen Umständen zum Trotz. Was sie antreibt und was sie Frauen in einer ähnlichen Lage wie der ihren rät, hat sie watson im Gespräch verraten.

Watson: Du bist eine junge Frau, dreifache Mutter, hast einen Migrationshintergrund und ein Business in der Beauty-Branche. Was erlebst du im Berufsalltag?

Dilan Küçük: Was ich am meisten erlebe, sind unterschwellige Vorurteile. Die Leute sehen mich – ich bin immer top gestylt – und das können einige zum Anlass nehmen, zu denken: da steckt wahrscheinlich nicht viel dahinter. Gerade Männer sind überrascht darüber, dass ich mich gut mit E-Commerce und Marketing auskenne. Oder sie respektvoll darauf hinweise, dass sie im Meeting Zahlen miteinander verwechselt haben.

"Ich komme aus sehr einfachen, sozial schwachen Verhältnissen. Ich erzähle das, damit die Leute wissen: auch aus so einer Startposition heraus kann man etwas erreichen."

Wie gehst du damit um?

Ich konzentriere mich auf Fakten und Ergebnisse und lasse meine Arbeit für mich sprechen. Durch meine Leistung entziehe ich all diesen Vorurteilen ihre Grundlage. Ich will erreichen, dass Frauen ernst genommen werden und man ihnen all das zutraut, was man auch Männern zutraut. Ich mache das nicht nur für mich, sondern für alle Frauen, die sich in der Arbeitswelt durchschlagen müssen. Und ich mache das auch für meine Kinder. Ich möchte, dass sie später nicht mehr mit solchen Vorurteilen konfrontiert sind.

Welche Hürden musstest du aufgrund dieser Vorurteile in der Gründungsphase überwinden?

Ich habe nicht gegründet, um Gründerin zu sein. Sondern proaktiv nach einer Lösung für mein eigenes Problem gesucht und diese Lösung dann umgesetzt. Ich glaube, mit der Intention zu gründen, hätte ich damals nicht gestartet, denn ich war eine Frau ohne Netzwerk, ohne Kapital, ohne Ressourcen. Die größte Herausforderung war überhaupt, ernst genommen zu werden und später auch, Kapital zu bekommen.

Wie hat das mit dem Kapital schlussendlich geklappt?

Ich habe das Unternehmen acht Jahre lang ohne Investoren und ohne Finanzierung alleine profitabel hochgezogen – und das von Anfang an mit voller Überzeugung. Der Vorteil des Gründens in Eigenregie lag immer klar darin, die volle Kontrolle über das Business zu behalten und niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Letztes Jahr wollte ich dann eine neue Produktkategorie mit einem Kredit finanzieren. Ich habe von drei Banken eine Absage bekommen. Und das, obwohl unsere Zahlen und das Konzept perfekt ausgearbeitet waren. Bei der dritten Absage war ich dann doch verdutzt. Das ganze passierte, während ich mit meinem dritten Kind hochschwanger war – drei Wochen vor der Entbindung.

Du hast aber nicht aufgegeben?

Nein, ich habe dann noch bei der Volksbank angerufen, ich wollte das unbedingt auf die Beine stellen. Dort habe ich tatsächlich einen Termin bekommen und bin mit meinem Mann hin. Die Bankberater haben dann gedacht, dass er der Gründer ist und ihn angesprochen. Er meinte nur "Nein, nein, it’s her business." Das war die erste Gelegenheit, die ich bekommen habe, um mein Konzept vorzustellen. Als ich fertig war, meinten die Bankberater nur: "Wir machen das auf jeden Fall mit Ihnen."

"Meine Mama hat damals für mich aus einem alten Schrank, den sie aus dem Sperrmüll gezogen hat, ein Nagelstudio gebaut."

Da hat sich deine Hartnäckigkeit gelohnt.

Ja, das Ganze hat mich aber auch sehr stutzig gemacht: Die anderen Banken hatten ja genau dasselbe Konzept vorliegen. Ich vermute, sie haben meinen Namen gelesen, gesehen, dass das Konzept von einer Frau mit Migrationsgeschichte ist und sich das gar nicht weiter angeschaut. Ich habe dann meine Ansprechpartnerin bei der Bank, die sich auch sehr viel Mühe gegeben hat, gefragt, wie es eigentlich sonst so mit weiblichen Gründerinnen aussieht und sie sagte ganz klar, dass es kaum welche gibt, was ja leider auch offizielle Statistiken belegen.

Wie hast du es geschafft, dich bei alldem nicht entmutigen zu lassen?

Ich komme aus sehr einfachen, sozial schwachen Verhältnissen. Ich erzähle das, damit die Leute wissen: auch aus so einer Startposition heraus kann man etwas erreichen. Meine Motivation war, mir als Mutter schnell und unkompliziert die Nägel machen zu können. Kulturell bin ich sehr "do it yourself"-mäßig veranlagt. Für mich ist es normal, Dinge alleine zu machen, weil uns oft die Unterstützung fehlt. Mit "uns" meine ich Menschen mit migrantischem Background. Wir haben klassischerweise weniger Zugang zu Netzwerk und Ressourcen, zumindest war das in meiner Jugend der Fall.

Gerade wenn es an Ressourcen und Hilfe fehlt, wird man ja auch anderweitig kreativ.

Ja, ich kenne es nicht anders. Meine Mama hat damals für mich aus einem alten Schrank, den sie aus dem Sperrmüll gezogen hat, ein Nagelstudio gebaut. Damit hab ich Zuhause so getan, als wäre ich Nageldesignerin. Ich konnte mir nicht wie die anderen Mädchen in meinem Alter einen Besuch im Nagelstudio leisten, wir haben improvisiert und ich habe von meiner Mutter gelernt: Sieh' diese Dinge immer als Chance, als Potenzial.

Konntest du dieses Improvisationstalent auch bei Naild anwenden?

Ja, mein erstes PR-Event mit Naild war super improvisiert, mit einem zusammengebastelten Stand. Dieses Event hat für mich aber sehr viel losgetreten: Am nächsten Tag hatte ich über tausend Bestellungen, ich dachte erst, der Online-Shop hat ein technisches Problem. Außerdem hat die "Bunte" damals darüber berichtet und unter ihrem Facebook-Beitrag dazu gab es über 700 Kommentare. Da dachte ich nur: Warum hat das keine Frau früher auf den Markt gebracht?

Wahrscheinlich wegen all der Hürden, die du beschrieben hast. Was denkst du muss passieren, um diese abzubauen?

Es braucht mehr Sichtbarkeit für Gründerinnen mit unterschiedlichen Hintergründen. Wir müssen dafür sorgen, dass es Vorbilder gibt, damit sich die Wahrnehmung ändert. Und dann müssen bestimmte Hürden wie die Bürokratie abgebaut und Förderprogramme intensiviert werden. Viele Menschen, die gründen wollen, wissen nicht, wo sie anfangen sollen, wo sie Hilfestellung bekommen. Das muss einfacher gehen.

Was würdest du Frauen raten, die überlegen, sich selbstständig zu machen?

Erstens: Fang einfach an. Es gibt nicht den perfekten Moment, um zu starten und man darf sich auch nicht von anfänglichen Rückschlägen entmutigen lassen. Zweitens: Such dir Vorbilder und Mentor:innen, baue dir ein Netzwerk auf. Ganz wichtig ist es auch, mit Leuten in den Austausch zu kommen, die in deiner Branche bereits aktiv und erfolgreich sind – die kommen nicht zu dir, du musst auf die zugehen. Außerdem ganz wichtig: Man darf Fehler machen. Ich sage auch immer zu meiner Tochter: Im schlimmsten Fall hast du dich einmal blamiert. Aber was ist, wenn es funktioniert? Dann hast du verdammt nochmal dir selbst was bewiesen.

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