
Memo an alle CEO's: Freude (nicht Kontrolle) auf der Arbeit führt zu weniger Krankheitstagen und höherer Produktivität. Bild: pexels / Ivan Samkov
Interview
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Dieser Spruch kommt einem deutscher als Schwarzbrot vor, wenn man sich mit Meik Wikings Theorien auseinandergesetzt hat.
Der Däne gründete 2013 das Institut für Glücksforschung in Kopenhagen und hat nun das Buch "Hygge@Work" (redline Verlag) geschrieben. Darin erklärt er, wie Arbeit Spaß machen kann, warum sie das auch unbedingt sollte und Deutschland diesbezüglich brutal hinterherhinkt.
Denn laut einer Eurostat-Studie geben fast zwei von drei Dänen an, sehr mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein – nur ein Drittel der deutschen Angestellten empfindet das genauso. "Vielleicht ist es noch aussagekräftiger, dass 58 Prozent der Dänen sagen, sie würden weiterarbeiten, selbst, wenn sie (...) 10 Millionen Pfund in der Lotterie gewännen", zitiert Wiking eine YouGo-Studie.
"Die Dänen haben verstanden, dass Produktivität und Spaß sich nicht widersprechen, sondern ganz tief miteinander verbunden sind."
Meik Wiking
Yogamatten, Matcha-Tees oder andere Augenwisch-Angebote für Angestellte hätten dabei null Auswirkungen auf das Glücksgefühl, fand er heraus. Stattdessen wichtig: Das Gefühl, möglichst selbstständig über die eigenen Aufgaben (zum Beispiel Art, Reihenfolge) und Arbeitszeiten (zum Beispiel gesplittete Schicht, Gleitzeit) entscheiden zu dürfen.
Auch relevant? Das Gefühl: Was ich tue, hat einen Effekt. Wenn ich den Rasen mähe, ist er kurz. Wenn ich den Vortrag halte, haben die Anderen etwas Neues gelernt. Im Gegensatz zu: "Ich fülle zwar dieses Formular sorgsam aus, aber es ändert sich gar nichts."
Wir sprachen mit Meik Wiking über das nötige Vertrauen von Chefs und warum glückliche Teams die Kasse klingeln lassen.
Watson: Deutschland hat miserable "arbejdsglæde"-Werte im Vergleich zu Dänemark, obwohl ihr (laut OECD) mehr Stunden arbeitet. Wie kann das sein?
Meik Wiking: Das dänische Konzept von "arbejdsglæde", also "Arbeitsfreude" fußt auf einer Kultur, die Vertrauen, Flexibilität und Sinnhaftigkeit großschreibt. In Deutschland liegt der Fokus von Arbeit eher auf Effizienz und Struktur, was zuweilen die Freude auf dem Arbeitsplatz kostet. Die Dänen haben verstanden, dass Produktivität und Spaß sich nicht widersprechen, sondern ganz tief miteinander verbunden sind.
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Inwiefern?
Der Schlüssel dazu ist Vertrauen – wenn Menschen Vertrauen und Wertschätzung erhalten, erblühen sie geradezu. Dänemark investiert in Arbeitsumgebungen, die Gelächter, Zusammenarbeit und persönliche Verwirklichung ermöglicht, während in Deutschland gezögert wird, solche softeren Elemente der Arbeit zu fördern.
Privates zu Hause lassen, pünktlich sein, "hart" arbeiten, das wird eben für professionell gehalten. Ist das altmodisch?
Ja. Authentische Verbindungen fördern Vertrauen und Engagement, was wichtig für moderne Arbeitsplätze ist. In Dänemark wird Wert darauf gelegt, ehrlich auf der Arbeit zu sein. Persönliches von sich preiszugeben, fördert die Kameradschaft. Das alte Bild von Professionalität macht einem neuen Verständnis Platz: Arbeitsplätze sind menschliche Orte und zwischenmenschliche Wärme fördert Kollaboration und Wohlbefinden.
Fordert die jüngere Generation diese "Hygge at work", wie du sie nennst, stärker ein als Boomer?
Absolut. Jüngere Generationen sind geprägt von einer Welt des schnellen Wandels und einem hohen Stressniveau, sie sehnen sich nach Balance und Verbindung. "Hygge", also das Gefühl der Gemütlichkeit und Zugehörigkeit, resoniert mit der jungen Generation. Sie fragen sich: "Warum kann sich das Arbeitsumfeld nicht wie eine Community anfühlen?" Einen menschlicheren, "hyggeligen" Arbeitsplatz zu schaffen ist nicht nur vernünftig – es ist notwendig im Wettbewerb um die Talente von morgen.
"Wer jede kleine Entscheidung abklären muss, fühlt sich gestresst und zeigt weniger Initiative."
Meik Wiking
Was rätst du jungen Menschen, die gerade erst ihre Karriere starten?
Starte mit Neugierde. Stell' dir deine Karriere wie eine Reihe von Experimenten vor – jeder Job lehrt dich etwas darüber, was dir Freude macht und was nicht. Beobachte, in welchen Momenten du dich voller Energie fühlst. Suche nach einem Umfeld, in dem du lernen kannst und mit inspirierenden Leuten zusammenkommst. Es ist okay, nicht jeden Schritt geplant zu haben. Der Weg zur Verwirklichung ist selten geradeaus.

Bild: Redline Verlag
Wie wichtig ist das Vertrauen der Chefs?
Vertrauen ist der Grundstein von Arbeitsfreude. Wenn du das Gefühl hast, man vertraut dir, fühlst du dich stark und respektiert, was zu mehr Engagement und Kreativität führt. Wer Mikromanagement erlebt, also jede kleine Entscheidung abklären muss, fühlt sich gestresst und zeigt weniger Initiative. Vorgesetzte, die ihrem Team vertrauen, signalisieren damit, dass sie um die Fähigkeiten und das Urteilsvermögen ihrer Mitarbeiter:innen wissen und schaffen einen positiven Kreislauf, in dem ihr Team auch tatsächlich besser arbeitet.
Eine Bubble-Debatte, sagen Kritiker:innen. In vielen Jobs sei persönlicher Spielraum kaum möglich. Du hältst dagegen. Inwiefern?
Flexibilität bedeutet nicht nur Homeoffice. Wir müssen neu denken, wie wir Aufgaben verteilen. Zum Beispiel müssen Pflegekräfte zwar in Schichten arbeiten, aber die Struktur dieser Schichten ist nicht in Stein gemeißelt. Könnten sie mehr Mitsprache beim Verteilen dieser Schichten haben? Oder die Erholung in den Pausen verbessern? In jedem Job, gibt es Stellschrauben, die das Arbeitserlebnis besser machen – ob es dabei um Autonomie in der Ausführung des Jobs geht oder den Fokus auf individuelle Stärken.
Trotzdem hast du ein ganzes Kapitel darüber geschrieben, wie man früher in Rente gehen kann. Bräuchte man doch gar nicht, wenn man "arbeitsglücklich" ist, oder?
Nicht ganz. Selbst mit "arbejdsglæde" bedeutet die Frührente ein Stück Freiheit. Aber wenn du liebst, was du tust, wird Arbeit weniger Last und eher ein sinnvoller Teil deines Lebens. Das Ziel sollte es nicht sein, der Arbeit möglichst zu entkommen, sondern sie so zu gestalten, dass sie für dich einen Zweck hat. Egal, ob das bedeutet, dass du durch diese Arbeit früher in Rente kannst oder innerhalb der Arbeit eine Aufgabe findest, die dir Freude bringt.
Mitarbeitenden Autonomie zu ermöglichen, bedeutet für Firmen auch Anstrengung. Lohnt sich das dennoch?
Definitiv. Es zahlt sich aus in Produktivität, Innovation und Gesundheit. Zufriedene Angestellte nehmen weniger Krankheitstage und tragen mehr zu Unternehmen bei. Einen Arbeitsplatz zu kreieren, in dem Vertrauen und Kreativität bewusst gefördert wird, mag Mühe kosten, aber es schafft resiliente Arbeitskraft, die gedeiht. Keine Firma kann es sich leisten, dieses Investment auszusparen.
Was bedeutet das in Zahlen?
Laut der Harvard Business Review zeigen Studien Folgendes: Wenn Unternehmen beschließen, ihren Angestellten zu trauen, steigt die Produktivität und Qualität ihrer Arbeit. (...)
74 % weniger Stress
50 % höhere Produktivität
106 % mehr Energie auf der Arbeit
76 % mehr Engagement
13 % weniger Krankheitstage
40 % weniger Burn-Out
Auszug aus "Hygge@Work" von Meik Wiking
Wer ist denn verantwortlich für meine Zufriedenheit auf der Arbeit. Mein Chef oder ich?
Ihr beide müsst euch die Verantwortlichkeit teilen. Dein Chef sollte ein Umfeld schaffen, dass unterstützt und ernst nimmt, aber du selbst musst aktiv nach Freude suchen, Beziehungen aufbauen und deine Arbeit nach deinen Idealen formen. Es ist ein ständiger Dialog zwischen dem jeweiligen Individuum und der Organisationskultur.
Wann fühlst du dich am glücklichsten bei der Arbeit?
Sobald ich in einen Flow gerate und den Sinn hinter meiner Tätigkeit spüre. Egal, ob das beim Schreiben ist oder beim Arbeiten in einer Gruppe, wenn eine Vision entsteht. Freude auf der Arbeit entspringt oft Momenten der Verbindung, der Kreativität und wenn sich die Tätigkeit mit tief liegenden Werten deckt. Wenn dann noch eine Tasse Kaffee dazukommt, ist das für mich das ultimative Rezept für Arbeitsfreude.