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Tiktok-Star Malte Zierden leistet Tierschutz im Krieg – auf Kosten seiner Psyche

Malte Zierden Tierschutz
In der Ukraine sind zahlreiche Tiere in den Kriegswirren zurückgelassen worden. Malte Zierden kümmert sich um sie. Bild: PR / Broder Böll
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"Menschen sind die bösartigsten Tiere": Malte Zierden über Tierschutz

15.12.2024, 16:25
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1,3 Millionen Follower:innen auf Tiktok wissen es schon lange: Malte Zierden liebt nicht nur seine Freundin Phia und Rechtschreib-Spielereien ("Pass auf wen du wähls"), sondern auch Tiere jeglicher Art. Der Hamburger ist Tierschützer, seitdem er sich mit Oßkar anfreundete, der wohl einzigen Stadttaube Deutschlands, die eine eigene Merch-Socke bekam.

"Tauben sind zutiefst missverstandene Lebewesen. Wir haben sie domestiziert, dann haben wir sie auf die Straße gejagt."

Seit Jahren nutzt Malte seine Reichweite, um auf das Leid unserer animalischen Weltenmitbürger:innen aufmerksam zu machen, baute zusammen mit "Notpfote" Tierheime in der Ukraine auf und schrieb ein Buch. In "Der traurigste Himmel auf Erden" will er die Leser:innen für das Thema sensibilisieren und berichtet dabei auch von eigenen Erlebnissen als Tieraktivist, die leider nicht spurlos an ihm vorübergingen.

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watson spricht mit Malte über die psychische Belastung, die sein Engagement mit sich bringt und die Frage: Sind Tiere die besseren Menschen? Oder Menschen einfach nur die schlechteren Tiere?

watson: Dein Aktivismus startete mit Stadttaube Oßkar. Eine Tierart, die von vielen Menschen geradezu verachtet wird …

Malte Zierden: Mein früheres Ich würde den heutigen Malte höchstwahrscheinlich als "hängengeblieben" abstempeln. Aber so albern es klingen mag: Eine Taube hat mein ganzes Leben verändert. Und das weitaus positiver als je ein Mensch zuvor. Ich habe ein obdachloses Tier in mein Leben gelassen, einen wahren Freund gefunden und fühle mich dieser Taube verbundener als manchen Artgenossen. Spricht nicht gerade für uns Menschen, wenn man mich fragt. Tauben sind zutiefst missverstandene Lebewesen. Wir haben sie domestiziert, dann haben wir sie auf die Straße gejagt. Danach versuchten wir, sie auszuhungern und weil das nicht funktionierte, wollen wir sie nun töten – so wie die Stadt Limburg.

Da wolltest du gegenhalten?

Im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft wollte ich diesen Tieren ein Freund sein. Dann habe ich Oßkar ein eigenes Wohnzimmer gebaut, um ihm einen sicheren Platz zu schaffen. Über die Zeit ist eine Taube mein bester Freund geworden. Wir hatten uns zwar nicht gesucht, aber wir fanden uns. Oßkar und sein Taubenwohnzimmer haben mir gezeigt, was mir wichtig ist: Eine Welt zu erschaffen, in der Tiere in Frieden leben können.

Malte Zierden mit Taube Oßkar, Tierschutz
Taube Oßkar fühlte Malte sich "verbundener als manchen Artgenossen", gibt er zu. Bild: privat / Malte Zierden

Du fährst in Kriegsgebiete und erlebst Tiere in absoluten Notlagen. Wie hältst du das emotional aus?

Seitdem ich Tiere schütze, gibt es Lebensphasen, in denen ich absolut gar nichts mehr fühle. Dann bin ich innerlich längst schon tot. Damit habe ich eine Schwelle übertreten – und es gibt kein Zurück mehr. Das mag zwar paradox klingen, aber ich halte den Schmerz aus, um Tieren eine Stimme zu geben. Auch wenn ich dadurch meine psychische Gesundheit oft mit Füßen trete, habe ich viel über mich und meinen Platz in dieser Welt gelernt. Ich habe verstanden, dass jede kleine Tat für die Tiere einen Unterschied macht. Mag sie noch so klein sein. Und dafür lohnt es sich, hinzugucken und die Traurigkeit auszuhalten.

"Auf Schwächere aufpassen und für sie da sein. Das sind Werte, die uns durchs Leben tragen und die wir weitergeben können."

Was hältst du von Menschen, die Hunde "Köter" nennen? Tauben "eklig"? Bist du schon in Streitereien über Straßenhunde und Stadttauben geraten?

Ich wurde von Hunden gebissen, von Vögeln beschissen, von Katzen zerfetzt und von Pferden getreten. Und nie hat es mir etwas ausgemacht. Bei Menschen ist es anders. Ironischerweise ist es als Tierschützer dein Beruf, mit Menschen aneinanderzugeraten. Wir leben in einer von und für Menschen gemachten Welt. Sobald du dich in dieser Welt auf die Seite der Tiere stellst, sind Konflikte mit Menschen vorprogrammiert.

Lässt dich dein Aktivismus im Tierschutz eher an der Menschlichkeit zweifeln oder wieder an sie glauben?

Nach allem, was ich gesehen habe, hätte ich die Hoffnung an die Menschheit längst aufgegeben, wenn da nicht diejenigen wären, die an eine bessere Welt glauben. Zwischen all dem Leid da draußen sind dort immer noch Menschen, die ihr Herz am rechten Fleck tragen und ans Gute glauben. All die Menschen, die für hilflose Lebewesen einstehen oder unsere Arbeit unterstützen. Sie lassen mich ans Gute glauben.

Was kann jede Person tun, um das Leben der Tiere zu schützen?

Eine ganz einfache Erkenntnis: Es fängt immer beim Kleinsten an. Bei denen, die nicht für sich selbst einstehen können. Auf Schwächere aufpassen und für sie da sein. Das sind Werte, die uns durchs Leben tragen und die wir weitergeben können. Es ist dabei egal, ob du Kröten über eine Straße trägst, Schmetterlinge aus deiner Wohnung befreist oder Tiere nicht auf deinem Teller willst. Für dieses Lebewesen veränderst du in diesem Augenblick möglicherweise die Welt. Jeder von uns hat die Wahl.

Sind Tiere die besseren Menschen?

Die Tiere unterscheiden nicht nach Mensch und Tier, und werten auch nicht – das tun nur wir. Wir Menschen sind mit all dem, was wir den Tieren antun, die bösartigsten Tiere.

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