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Jobs mit Zukunft

DocMorris: Apothekerin gibt Einblicke in ihre Arbeit und ihr Gehalt

Kommissionierautomat mit Medikamenten, aufgenommen in einer Apotheke in Niesky, 13.04.2023. Niesky Deutschland *** Picking machine with medicines, taken in a pharmacy in Niesky, 13 04 2023 Niesky Germ ...
Regale voller Medikamente sind ein typischer Anblick für Pharmazeuten. Bild: www.imago-images.de / imago images
Jobs mit Zukunft

Online-Apothekerin über Lieferengpässe und Gehälter in der Pharmazie

In unserer Serie "Jobs mit Zukunft" werfen wir einen Blick auf Berufe, die für junge Menschen besonders spannend sind. Weil sie neu, zukunftssicher oder einfach anders sind. Oder weil sie die Welt auf irgendeine Weise besser machen.
27.12.2024, 08:03
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Wie die Apotheke um die Ecke riecht, das wissen die meisten Menschen spontan: nach Sterillium und Lakritze. Dort gibt es weiße Kittel, Schubladen auf Gleitschienen und die Medizini mit Tierposter drin. Weniger bekannt hingegen ist das Innenleben von Online-Apotheken.

Für Menschen, die mit der Pharmazie liebäugeln, könnte das aber relevant sein, denn in Deutschland bestellen inzwischen laut der aktuellen Mastercard-Studie 44 Prozent der Menschen ihre Arzneimittel digital. 2022 waren das noch 32 Prozent.

Wie ist es, dort zu arbeiten? Sonja Thüllen ist Pharmazeutin und seit vier Jahren Chefapothekerin. Nach ihrem Pharmaziestudium arbeitete sie zunächst in Vor-Ort-Apotheken, bis sie 2006 zu Doc Morris wechselte. Wir sprachen mit ihr über Nachtdienste und das Versenden von Betäubungsmitteln.

Sonja Thüllen
Pharmazeutin Sonja Thüllen arbeitet bei Doc Morris.Bild: privat

watson: Wie kann ich mir deinen Arbeitsplatz vorstellen? Sitzt du im Homeoffice oder in einer Lagerhalle voller Medikamente?

Sonja Thüllen: Mein Arbeitsplatz ist ziemlich vielseitig. Ich verbringe regelmäßig Zeit in unserer Vor-Ort-Apotheke in den Niederlanden, bei der Rezeptprüfung, in der Rezeptur oder mache ab und zu einen Rundgang durch die Logistik. Typische Aufgaben reichen von der Beratung per Telefon, Video oder E-Mail bis hin zur Prüfung der Bestellungen und Rezepte.

Arbeitest du mit Nicht-Pharmazeutiker:innen zusammen?

Die Prozesse bei DocMorris sind klar strukturiert: Zunächst werden alle Aufträge digitalisiert und von einem Non-Pharma-Team geprüft. Anschließend übernehmen die PTAs, die pharmazeutisch-technischen Assistenten, und Apotheker die pharmazeutische Prüfung – am Anfang und am Ende des Prozesses. Nach der Freigabe geht der Auftrag in die Logistik, wo die Medikamente für den Versand vorbereitet werden. Hier gibt es nochmal eine letzte pharmazeutische Prüfung.

"Eine patientenorientierte, flächendeckende Gesundheitsversorgung braucht beides: ortsgebundene Apotheken und Online-Apotheken."

Was ist die größte Fehlannahme über Online-Apotheken?

Dass in Online-Apotheken keine Pharmazeuten arbeiten, sondern nur Logistiker. Dabei beschäftigen wir viele Pharmazeuten, die in der Beratung, in der pharmazeutischen Prüfung und sogar in der Logistik selbst tätig sind.

Wie kamst du zu diesem Beruf?

Nach dem Pharmaziestudium habe ich einige Zeit ganz klassisch in der Vor-Ort-Apotheke gearbeitet. Wegen neuer gesetzlicher Anforderungen gab es leider nicht mehr so viel Zeit für die Kundenberatung, sodass ich mich nach einer Alternative umgeschaut habe. Etwas skeptisch habe ich dann bei DocMorris angefangen und bin geblieben. Vor einigen Jahren habe ich zudem einen MBA abgeschlossen und bin inzwischen Chefapothekerin.

Wie sieht ein typischer Tag für dich aus?

Den gibt es kaum. Morgens starte ich meist mit E-Mails, gefolgt von Besprechungen mit meinem Team. Danach stehen häufig Workshops oder Projekte an. Ein Schwerpunkt ist zurzeit die kontinuierliche Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), um Wechselwirkungen und Dosierungsfehler noch besser erkennen zu können. Zudem arbeiten wir an der Entwicklung von Therapiebegleitprogrammen, die darauf abzielen, chronisch kranke Patienten langfristig zu unterstützen. Neben diesen inhaltlichen Themen gehören für mich auch Managementaufgaben dazu, wie Budget- oder Kapazitätsplanungen.

Habt ihr auch Nacht- und Wochenenddienste?

Nein, klassische Nacht- und Wochenenddienste haben wir keine. Das liegt daran, dass wir als niederländisches Unternehmen in Deutschland keine Vor-Ort-Apotheken betreiben dürfen und im deutschen Markt daher ausschließlich als Versandapotheke tätig sind. Allerdings haben wir eine 24/7-Rufbereitschaft, um sicherzustellen, dass pharmazeutische Fragen jederzeit geklärt werden können.

Was muss man als Online-Apotheker:in gelernt haben?

Die Grundlage ist ein abgeschlossenes Pharmaziestudium. Zusätzliche Qualifikationen sind gern gesehen. Dazu gehören Weiterbildungen, wie beispielsweise der Fachapotheker für Allgemeinpharmazie oder Arzneimittelinformation. Auch Qualifikationen im Gesundheitswesen, etwa im Bereich Gesundheitsmanagement, oder ein MBA sind wertvolle Ergänzungen.

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Was verdient man dann?

Was das Gehalt betrifft, orientiert es sich an den tariflichen Vereinbarungen für Apotheker (Anm. d. Red.: 4.045 Euro brutto im ersten Berufsjahr, Stand 2024). Allerdings sieht unser Tarifvertrag im Gegensatz dazu jährliche Tarifsteigerungen vor, unabhängig von der Anzahl an Berufsjahren.

"Lieferengpässe gehören zu den größten Problemen – sowohl online als auch offline."

Glaubst du, dass Online-Apotheken die Apotheken um die Ecke vollständig ersetzen werden?

Nein, eine patientenorientierte, flächendeckende Gesundheitsversorgung braucht beides: ortsgebundene Apotheken und Online-Apotheken. Es geht darum, den Patienten eine Wahlmöglichkeit zu geben – sie sollen frei entscheiden können, wo und wann sie ihre Medikamente und Beratung erhalten möchten.

Also ergänzt sich beides?

Online-Apotheken sind eine wichtige Ergänzung zum Angebot der Vor-Ort-Apotheken, insbesondere in strukturschwachen Regionen, wie beispielsweise in städtischen Randgebieten. Hier können Online-Apotheken eine Versorgungslücke schließen und dafür sorgen, dass Menschen weiterhin Zugang zu ihren Medikamenten und einer qualifizierten Beratung haben.

Was ist die größte Herausforderung für Online-Apotheken?

Viele Herausforderungen, denen Online-Apotheken begegnen, sind denen der Vor-Ort-Apotheken sehr ähnlich. Lieferengpässe gehören zu den größten Problemen – sowohl online als auch offline. Manche Medikamente sind nur schwer oder gar nicht verfügbar.

Noch etwas?

Auch der Fachkräftemangel betrifft uns, genauso wie die Vor-Ort-Apotheken. Hochqualifizierte Apotheker und Pharmazeuten sind unverzichtbar, um die pharmazeutische Prüfung sicherzustellen, Rezepte zu analysieren und Patienten kompetent zu beraten. Gerade in spezialisierten Bereichen wie der Rezeptur oder der Qualitätssicherung ist es oft herausfordernd, genügend qualifiziertes Personal zu finden.

Können alle Medikamente verschickt werden oder wäre das zum Beispiel für teure Krebsmedikamente oder Morphine zu gewagt?

Einige Medikamente, wie zum Beispiel Betäubungsmittel, sind gesetzlich vom Versand ausgeschlossen. Der Preis ist bei uns aber kein Ausschlusskriterium. Wir verschicken sowohl teure als auch kühlpflichtige Medikamente.

Wie wird KI Online-Apotheken in Zukunft verändern?

KI hat das Potenzial, unser Fachpersonal bei bestimmten Themen zu unterstützen. Ein Beispiel ist die Optimierung von Standardprozessen: KI könnte dabei helfen, Rezept-Fehler schneller zu identifizieren oder Wechselwirkungen in großen Datenmengen effizienter zu analysieren. Das wäre besonders bei komplexen Medikationsplänen hilfreich, da KI große Datenmengen in Sekundenschnelle analysieren kann. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Erstellung von patientenfreundlichen Inhalten – die allerdings weiterhin von Apothekern geprüft werden müssen.

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