
Die Dating-App Breeze unterscheidet sich in ihrem Konzept deutlich von Tinder und Co.Bild: Getty images / E+ / Riska
Liebe & Sex
Ich soll eine Dating-App testen, von der ich vorher noch nie gehört habe. Was habe ich mir da nur eingebrockt? Tinder, Bumble und OkCupid hatte ich schon mal auf dem Handy. Auf ernst habe ich sie nie benutzt: In meinen Single-Phasen war ich neugierig und in einsamen Stunden habe ich auch wirklich in Betracht gezogen, darüber zu daten.
Es endete in endlosem Swipen und Matchen, manchmal auch in ein paar netten Nachrichten, zweimal in tiefgründigen Whatsapp-Freundschaften. Aber vor den Treffen hab ich dann doch immer Schiss bekommen und meine Freunde oder die Couch vorgezogen.
Ich bin einfach eine Schisserin, ließ die Kontakte allesamt auslaufen. Vor allem deshalb, weil für mich als Demisexuelle der Gedanke an schnellen Sex Brechreiz auslöst. Erst kommt die Liebe, dann der Sex. Und das findet man über solche Apps nicht, oder?
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Bei meiner sehr ausgeklügelten Treffen-Vermeidungsstrategie setzt die Dating-App Breeze an. Anscheinend bin ich nicht die einzige, die sich dagegen sträubt. Wieso sonst eine App, deren ganzes Konzept darauf beruht, das unverbindliche Swipen und Liken zu vermeiden? Bei Breeze bedeutet ein Match auch ein Date. Wie ernst es die App damit meint, habe ich bei meinem Test am eigenen Leib erfahren dürfen.
Dating-App Breeze fragt alles, was ein potenzieller Partner wissen will
Bevor es mit dem vertrauten Swipen starten kann, will Breeze gefühlt alles an Daten aus mir saugen, was eben geht. Körpergroße und Alter, ob man Kinder hat, Kinder will, ob man raucht und trinkt und wenn ja, wie oft. Und, sehr praktisch: wonach man hier eigentlich sucht.
Bei Hobbys, Sport und Aktivitäten kann man aus schier endlosen vorgefertigten Kategorien wählen: von Brettspielen, Heimwerken über Badminton bis hin zu Pfadfinder:in ist echt fast alles dabei.

Höchstens zehn Hobby darf man bei der Dating-App Breeze auswählen.Bild: Screenshot / Breeze
Dann geht es zu den Charaktereigenschaften. Da kann man zum Beispiel angeben, dass man hoffnungslos romantisch ist oder socially awkward. Oder sarkastisch und tollpatschig. Sehr passend. Dazu kommen Angaben zu politischen Ansichten, religiösen Überzeugungen, Lifestyle und Persönlichkeitstyp.
Jetzt soll ich eine Antwort auf eine der vorgeschlagenen Fragen geben, die dann im Profil erscheint. Entscheidet man sich für eine, die eh keinen interessiert oder eine tiefgründige oder witzige? Ich beschreibe, was ich an einem freien Tag am liebsten mache. Spoiler: Ein Date mit einem Fremden kommt nicht darin vor.
Nachdem ich mehrere Bilder ausgewählt und meine Bio gewissenhaft ausgefüllt habe, bin ich zufrieden. Mein Profil ist ehrlich und authentisch. Und auch ein bisschen witzig. So viel Mühe habe ich mir beim Online-Dating noch nie gegeben.
Als es dann endlich zum Swipen kommt, fällt mir auf: Jeder hat sich wirklich Gedanken gemacht. Und das ist auch gut so. Schließlich sind das die einzigen Informationen, die man vor einem Treffen austauscht. Schreiben kann man nicht. Man trifft sich nach einem Match quasi kontaktlos.
Außerdem gibt man an, ob man "Was trinken gehen" oder "Walk & Talk" bevorzugt. Natürlich nehme ich "Walk & Talk" und bin beruhigt, dass ich nicht einem Fremden in einem Café gegenüber sitzen muss, ohne Möglichkeit zur Flucht und mit drohender peinlicher Stille.
Dating mit Breeze: Es ist ein Match und zwar kein belangloses!
Nun also erstmal das Swipen. Ich betrachte die einzelnen Profile wirklich genau. Es sind vorerst nur sieben. Obwohl es einen gibt, den ich auf Tinder ganz sicher nach rechts gewischt hätte und der absolut mein Typ ist, bin ich mir unsicher und swipe nicht. Alle anderen wische ich nach gründlicher Betrachtung nach links, an ihrer Stelle erscheinen erstmal keine neuen Optionen. Denn die nächste Matchround ist erst am nächsten Tag um 19 Uhr, mehr als sieben Leute gibt es nie gleichzeitig in den Vorschlägen.
Mit einem Wisch ist alles weg? Passt vielleicht zu Putzwerbung und Tinder, ganz offensichtlich aber nicht zu Breeze. Hier ist alles bewusster und langsamer.
Im Endeffekt nehme ich über zwei Wochen lang Profile genau unter die Lupe. Der eine vom Anfang wird irgendwann nach links gewischt. Mein Gefühl sagt mir, dass ich ihn eh nicht treffen wollen würde.
Doch dann sehe ich das Bild von jemandem, der echt toll aussieht. Er ist mein Typ, hat sanfte Augen, ein nettes Lächeln, gleichzeitig wirkt er cool. Ich klicke das Profil an und wirklich alle Angaben gefallen mir. Er ist ein Romantiker, liebt kuscheln und hat sehr ähnliche Interessen wie ich, wirkt nahezu obsessed mit der gleichen Ballsportart wie ich, nimmt sich scheinbar nicht zu ernst, wirkt selbstbewusst. Perfekt! Drei Tage später wische ich nach rechts. Nun heißt es abwarten.
Am nächsten Tag bekomme ich dann die Nachricht: Es ist ein Match!

Ein Match auf Breeze: Der Name des Date-Partners wurde aus Datenschutzgründen entfernt. Bild: Screenshot / Breeze
Man muss innerhalb von zwei Tagen reagieren und angeben, wann man Zeit hat. Vorher darf man nicht weiter swipen. Verdammt, die meinen es echt ernst!
Und was passiert, wenn man das Match doch auflösen möchte? Ich teste es:

Eine Matchauflösung wird bei Breeze nicht gerne gesehen.Bild: Screenshot / Breeze
Einmal ginge das also theoretisch, aber nicht ohne Hürden.
Dann kommt noch mehr Verbindlichkeit: Bevor ich Daten für das Treffen angeben kann, muss ich 4,50 Euro bezahlen. Puuh, na gut! Das Geld sehe ich nie wieder. Gibt man an, sich auf einen Drink zu treffen, ist ein Getränk und eine Reservierung für das Lokal übrigens im Preis inbegriffen. Bei meiner Option "Walk & Talk" zwar nicht, dafür bezahlt man weniger.
Sollte jemand das Date absagen, wird es als Date-Token auf der App-Wallet gespeichert und man kann es für ein anderes Date verwenden.
Wenig später kommt aber erstmal die Nachricht, dass mein Mister X, nennen wir ihn Marcel, das Date bestätigt hat. Die Date-Location wird erst später mitgeteilt.

Die Date-Location befindet sich immer innerhalb der eigenen Stadt.Bild: Screenshot / Breeze
Es folgt ein Date, das ich nie vergessen werde
Bald ist der Tag des Treffens gekommen. Ich bin verdammt nervös. Schließlich hat man nicht schon gechattet und hat damit kaum Anknüpfungspunkte. Ich weiß zwar, dass wir auf dem Papier ein gutes Match sind. Aber wie kommuniziert er? Wie verstehen wir uns? Ich weiß so vieles über ihn und doch nichts. Hunderte Szenarien male ich mir aus, wie das Treffen verlaufen könnte. Dabei weiß ich, dass man sowas nun mal nicht vorhersagen kann.
Und dann komme ich dort an, vor diesem Späti in Neukölln, leicht verschwitzt von der vollen U-Bahn. Er wartet schon da und als wir uns anschauen, lächle ich nervös. Er lächelt nervös zurück. So könnte ein kitschiger Liebesfilm beginnen. Er sieht gut aus, ist ca. 1,90 m groß, hat braune Haare, einen guten Style und ein sympathisches Lächeln. Er ist mein Typ. Wir begrüßen uns mit einer flüchtigen Umarmung, er riecht gut, frisch geduscht und nach einem unaufdringlichen Parfum.
Ob wir uns einen Drink holen wollen und dann spazieren, fragt er. Gerne, sage ich. Und während wir auf unseren Smoothie warten, sprechen wir über Belanglosigkeiten, über die App und das Konzept, über das graue Wetter. Es fühlt sich komisch an, irgendwie falsch.
Doch während wir dann in Richtung Tempelhofer Feld laufen, wird das Gespräch immer natürlicher. Als wir dort sitzen, lachen wir oft und verstehen uns richtig, richtig gut. Wir sprechen über die genannte Ballsportart, finden noch weitere Gemeinsamkeiten.
Es ist ein Treffen, das viel besser läuft, als ich erwartet hatte. Big love also?
Am Ende, nach etwa drei Stunden, tauschen wir Blicke aus, die sagen, dass es uns beiden ähnlich geht. Er fragt, ob wir dann bald zusammen spielen wollen. "Unbedingt", sage ich, und ich meine es ehrlich – aber nur als Freunde, füge ich sicherheitshalber hinzu. Wir sprechen kurz offen darüber und wir sehen es tatsächlich ähnlich. Obwohl wir uns attraktiv, nett und witzig finden, ist da nichts, was den berühmten Funken entzünden würde. Wir wissen es einfach. Und das ist sowas von okay. "Bis bald!", sagen wir und umarmen uns zum Abschied.
Zu Hause lade ich meine Gedanken in die Notiz-App: Manchmal reicht es, einen tollen Menschen kennenzulernen – und das hat Breeze möglich gemacht. Vielleicht entwickelt sich daraus eine Freundschaft mit einem Menschen, der ehrlich und offen ist wie ich, vielleicht auch nicht. Das freundschaftliche Sport-Date mit ihm steht jedenfalls schon.
Ich öffne die App ein letztes Mal, um mein Profil zu deaktivieren. Während ich auf "Löschen" klicke, lächle ich. Vielleicht benutze ich die App irgendwann wieder. Sicherlich eher als andere Dating-Apps.