Leben
Meinung

Gen Z macht Schluss mit "Brat": "Soft Clubbing" ist neuer Party-Trend

Charli xcx performs during the Glastonbury Festival in Worthy Farm, Somerset, England, Saturday, June 28, 2025. (Scott A Garfitt/Invision/AP)
"Soft Clubbing" ist wohl das komplette Gegenteil der "Brat"-Kultur von Charli XCX.Bild: Invision / Scott A Garfitt
Meinung

Ende der "Brat"-Ära: "Soft Clubbing" ist der neueste Partytrend der Gen Z

Wer hätte gedacht, dass man ein Jahr nach dem popkulturellen Partyphänomen von Charli XCX's "Brat"-Album darüber debattiert, ob die von ihr besungene nächtliche Feierkultur vor dem Aus steht?
07.10.2025, 19:1507.10.2025, 19:15

Ich gebe zu: Ich gehe gern feiern. Wirklich gern. Aber ich gehöre zu dem Teil der Gen Z, der mit den alten Clubritualen nichts mehr anfangen kann.

Denn ich höre mir lieber den Feueralarm an, als noch einen billig hingeschluderten Whitney-Houston-Remix auf der Tanzfläche ertragen zu müssen. Das löst in mir keine befreiende Nostalgie aus, sondern hält mich gefangen in einer Dauerschleife von mutloser Mittelmäßigkeit. Genau das passiert, wenn jeder Typ mit zu viel Ego und wenig Geschmack ein DJ-Pult kauft und glaubt, der nächste Fred Again zu sein.

An einer Nacht im Club genauso abstoßend ist die Türpolitik, die unter dem Vorwand eines "Dresscodes" Menschen stundenlang in der Kälte zappeln lässt, um sie dann doch abzuweisen. Das ist weniger "cool", sondern vielmehr ein Machtdemonstrations-Theater, das vorwiegend zeigt, wie sehr Clubs an veralteten Hierarchien festhalten – oder auch ganz stumpf an Rassismus.

Diese absolute Willkür der Türsteher:innen führt dazu, dass sich die Gruppe der Feiernden in zwei Typen zuspitzt, die vermeintlich große Chancen haben, in die Clubs zu kommen. Einerseits die, die sich zwanghaft edgy, kinky und mysteriös geben, und die, die im Basic-Look möglichst wenig auffallen wollen. Beides öde, so sind sie doch zwei Uniformen derselben Konformität.

Dabei sollte Feiern eigentlich ein Akt des Ausbruchs sein, vielleicht nicht unbedingt gegen die bestehenden Verhältnisse, aber doch ihrer zum Trotz.

Gen-Z-Trend "Soft Clubbing": Auch in Deutschland immer beliebter

Umso mehr freut es mich, zu sehen, dass es neue Clubkonzepte gibt, die diesen Stillstand überwinden wollen. Während nach und nach in ganz Deutschland einst ikonische Partylokale aussterben, weckt ein neuer Feiertrend das Interesse der Gen Z: das sogenannte "Soft Clubbing".

So berichtet die Event-Plattform "Eventbrite", die US-Amerikaner:innen wären an diesen "Soft Clubbing" Veranstaltungen überdurchschnittlich interessiert. Mehr als vervierfacht habe sich die Nachfrage nach dem sogenannten "Coffee Clubbing": Vor der Arbeit oder in der Mittagspause trifft man sich zu einem DJ-Set in Cafés: Kaffee, Matchas und Croissants ersetzen Cocktails, Shots und Drogen.

Auch in Deutschland finden sich vermehrt Events, die dem "Soft Clubbing" zugeschrieben werden können:

Mit "Soft Clubbing" will die Gen Z die 2000er-Exzesse überwinden

Ein tolles Konzept, dem Spaß an der Musik und der Gemeinschaft geschuldet. Dabei kann "Soft Clubbing" auch als Versuch verstanden werden, sich von den Überresten der 00er-Feierei abzugrenzen. Die Erkenntnis dieses Jahrzehnts ist klar: Feiern bis zum Absturz und der damals anvisierte Kontrollverlust sind nicht sonderlich erstrebenswert. Die größte Eskalation ist beim "Soft Clubbing" wahrscheinlich der dritte Kombucha auf leeren Magen. Schließlich muss man pünktlich wieder bei der Arbeit sein, nach der Feierei.

Im Rahmen eines minutiös geplanten Moments des inszenierten "Loslassens", soll das alles zwar befreiend wirken. Aber wie frei kann ein Rave sein, wenn er sich dem Produktivitätszwang unserer Gesellschaft unterordnet?

"Soft Clubbing" wirkt auf mich viel eher wie der Versuch, vermeintlichen Hedonismus in den Kalender eines gestressten, effizienten Menschen zu pressen: Von 13 bis 14 Uhr darf gefeiert werden, davor und danach muss Lohnarbeit geleistet werden. Na, wenn das keine Freiheit ist?!

Kann "Soft Clubbing" die Nachtkultur ersetzen?

Wenn wir schon beim Thema Freiheit sind, habe ich noch einen weiteren, essenziellen Kritikpunkt – vielleicht auch eher eine Sorge – über das "Soft Clubbing".

Früher waren Clubs Rückzugsorte für Außenseiter:innen, ein Ventil für alle, die anders waren: zu laut, zu queer, zu exzentrisch für den Alltag. Die Gefahr ist offensichtlich: Die einst unzähmbar offene Partykultur wird beim "Soft Clubbing" von einer Clean-Girl-Ästhetik ersetzt, die vorgibt, progressiv und healthy zu sein – aber im Kern ausschließt, wer nicht in ihr minimalistisches Bild passt.

Für mich war Feiern immer ein Ausbruch aus den gesellschaftlichen Normen. Vielleicht liegt es daran, dass ich als queere Person im Alltag oft abwägen muss, wie viel ich von mir zeige, um keine Angriffsfläche zu bieten. In Clubs habe ich hingegen erlebt, dass ich sein kann, wer ich bin – zwischen Menschen, die sich unterschiedlich kleiden, unterschiedlich bewegen, aber dieselbe Lust auf Freiheit teilen. Diese Mischung aus Anonymität und Nähe hatte etwas zutiefst Befreiendes: ein kollektives Fallenlassen, ein Ort ohne Bewertung.

"Soft Clubbing" zähmt genau dieses Versprechen von Andersartigkeit: Es verlegt das Feiern ins Helle, in die planbare Mittagspause. Das Bedürfnis, nachts anonym zu bleiben, wird verdrängt. Wer tagsüber im Schaufenster tanzt, ist fast ausgestellt – ein Vorzeigemodell der menschlichen Effizienz. Und viele von ihnen möchten das genau so, ein Beweis ihres eigenen Status als erfolgreiches Mitglied einer urteilenden Gesellschaft.

Urlaub in Spanien: Passkontrolle wird automatisiert – endlich weniger Wartezeit
Warten, warten, warten – das soll an Spaniens Flughäfen bald Geschichte sein. Dank neuer Passkontroll-Automaten und zusätzlichem Personal will die Regierung die Einreise deutlich beschleunigen. Gerade in der Urlaubssaison könnte das für viele Reisende echte Nervenschonung werden.
Fliegen geht unweigerlich mit Warten einher. Warten auf den Check-in, warten auf die Sicherheitskontrolle, warten vor dem Gate, warten beim Onboarding, warten, warten, warten. Ein ellenlanger Ladebalken, der sich nur gemächlich füllt.
Zur Story