Ich bin mit Esoterik und Aberglauben aufgewachsen. Bei meinen türkischen Verwandten war ich umgeben von Kaffeesatz-lesenden Tanten und dem nazar boncuk, dem blauen Auge.
Diese blauen Augen finden sich in der Türkei überall, in Wohnungen, an Armketten, als Ohrringe. Auch ich habe schon als Kind Halsketten mit dem blauen Auge oder der Hand Fatimas getragen. Diese Symbole sollen vor bösen Einflüssen wie Neid schützen. Das hält Mitmenschen natürlich nicht davon ab, neidisch zu sein – aber das blaue Auge gibt eben ein gutes Gefühl. Und sieht schön aus. Und darum geht es.
Du bist immer noch ungläubig? Dann kommen hier 3 Erklärungsansätze.
Ich benutze Esoterik schon lange. Ob in schwierigen Lebenssituationen wie Trennungen, Langeweile oder anderen Herausforderungen – Esoterik funktioniert für mich einfach.
Wenn mir meine Wohnung mal wieder zu eng und klein ist, räuchere ich sie mit einer Reinigungsräucherung einmal ordentlich aus. Schon fühlt sich alles viel angenehmer an. Oder ich lege mir Tarotkarten zu bestimmten Fragen und erfahre so mehr über meine Beweggründe und definiere, wie ich etwas wirklich finde. Tarotkarten haben mir schon sehr oft das gezeigt, was meine Intuition schon lange vermutet hat.
Und darum geht es: Um dich selbst.
Esoterik gibt mir Orientierung. Dabei finden sich immer neue Praktiken und Kniffe, die einem das Leben erleichtern. Mittlerweile habe ich einen ziemlich bunten Blumenstrauß an Praktiken oder Hilfsmitteln, die der Esoterik zuzurechnen wären, derer ich mich bedienen kann.
Lange war ich mit meinem spirituellen Lebensweisheiten die Ausnahme in meinem Bekanntenkreis. Seit einiger Zeit bemerke ich allerdings, wie Esoterik in den Mainstream sickert.
Es muss 2012 gewesen sein, als der Maya-Kalender endete und die Welt drohte, unterzugehen. Auf einmal fingen meine Freundinnen an, sich Räucherstäbchen zuzulegen, sich zu der positiven Kraft von Edelsteinen zu belesen oder ein Tarotkarten-Set zu kaufen.
Ein Chakren-Healing war auf einmal von der gleichen Rangordnung wie die Massage im Spa. Und einige meiner Freundinnen lassen sich den nächsten Friseurtermin nach dem Mondkalender geben – es gibt nämlich Tage, da ist es laut Kalender günstiger, sich die Haare schneiden zu lassen oder auch zum Zahnarzt zu gehen.
Mittlerweile sitze ich mit Freundinnen gern mal bei einem Glas Wein und wir legen uns gegenseitig die Tarotkarten.
Das hat fast schon Gruppentherapie-ähnliche Züge. Es geht um Achtsamkeit; Gefühle und Wünsche werden identifiziert und besprochen. Die Zukunft oder Hokuspokus sind dabei gar nicht so wichtig.
Esoterik gibt einem die Möglichkeit, mehr über sich herauszufinden. Manche Menschen legen Pro-und-Contra-Listen an, andere greifen eben zu Tarotkarten oder heilenden Edelsteinen. Esoterik und Spiritualität sind Rituale und die braucht der Mensch bekanntlich.
Ich finde gut, dass sich immer mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen. Dann kommt Esoterik vielleicht auch endlich mal aus der Hexenverbrennungsecke.
Das passiert nämlich immer schnell: Ich erzähle, dass ich mir ab und an die Tarotkarten lege oder legen lasse und schon zieht mein Gegenüber im Gespräch die Augenbrauen hoch und stellt mich in eine Ecke mit Menschen, die an Reptiloiden glauben.
Aber nur, weil ich von esoterischen Hilfmitteln Gebrauch mache, bin ich noch lange keine durchgeknallte Realitätsverweigerin.
Habe ich irgendwo gesagt, dass ich zaubern und dich in einen Elefanten verwandeln kann? Nein. Glaube ich für mich, dass Tarotkarten mir bei Entscheidungen helfen können? Ja.
Wir haben alle irgendwann mal mit Yoga angefangen, warum nicht noch den Schritt weitergehen und sich mal ordentlich die Chakren reinigen lassen?
Meditation hat es doch auch von der Schmuddelecke in den AppStore geschafft. Da zieht die Esoterik jetzt nach.
Vor allem auf Instagram scheint Astrologie gerade am populärsten. Es gibt zahlreiche Accounts, die sich mit holistischer, spiritueller Lebensweise beschäftigen.
Außerdem gibt es neuerdings Accounts, die mit Astro-Memes scherzhaft mit Sternzeichen-Charakteristika umgehen.
Dabei werden aber längst nicht mehr nur die altbekannten Sternzeichen-Klischees ausgepackt, sondern auch noch der Aszendent oder bestimmte Planetenpositionen der Geburt berücksichtigt.
Es wird sich also auf einer etwas fundierteren Grundlage über die Sternzeichen-Klischees amüsiert. Planetenkonstellationen sind dabei zum Beispiel so wichtig, wie die tägliche Wettervorhersage.
Ein Beispiel? Wenn der Planet Merkur rückläufig ist, kann einiges schief gehen, sagen Astrologen.
Aber nicht nur auf Instagram ist Astrologie präsent. Die französische Modemarke "Vetements" hat kürzlich eine eigene Sternzeichen-Kollektion herausgegeben.
Astrologie und Esoterik waren schon immer gut vermarktbar und sprechen jetzt auch eine jüngere Zielgruppe an.
Ich sitze bei all dem da wie ein Hipster beobachte das wohlwollend: Ich war Eso-Fan bevor es cool war! Aber schön, dass ihr euch auch langsam alle interessiert. Dann haben wir endlich was zum Reden! Und bring zur Wohnungseinweihung gern einen Sekt und den Salbei mit.
PS: Wenn du das alles hier nicht glaubst und über diesen Text lachst: Hör auf, so eine Jungfrau zu sein, du ewiger Kritiker.