Wir sind doch alle schon mal von Partner:innen verarscht worden, fühlten uns glücklich bis zum Mond und sind auf der anderen Seite vor Schmerz fast verglüht. Es stellen sich immer wieder Fragen wie: Soll ich, kann ich mich (nochmal) binden oder lass' ich es einfach? Und was ist dann die Alternative?
Wir Menschen sind erst einmal Herdentiere. Wären wir nicht so, wäre der Mensch längst ausgestorben. Es ist vielleicht wichtig zu sagen, dass nicht jeder Single unglücklich ist. Allein zu sein, heißt nicht gleichzeitig, sich einsam zu fühlen. Aber viele spüren diese Einsamkeit. Und sie spüren auch, dass sie die innere Einsamkeit verändert – nicht unbedingt auf positive Art und Weise.
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) hat erforscht, dass jede:r Dritte in Deutschland einsam ist. Somit ist Einsamkeit die vielleicht größte Volkskrankheit in unserem Land. Und Einsamkeit ist das schlimmste Gift für unsere mentale Gesundheit.
Keine guten Nachrichten für unsere Seele!
Schön ist, dass unsere Festplatte zunächst einmal komplett leer ist. Aber direkt, wenn wir schlüpfen, füllt sie sich. Von Geburt an hat der Mensch ein biologisches Bedürfnis nach Bindung.
Bindung bedeutet ein lang anhaltendes emotionales Band zu ganz bestimmten Personen, die nicht beliebig austauschbar sind. Ihre Nähe und Unterstützung wird immer dann gesucht, wenn zum Beispiel Angst, Trauer oder Krankheit in einem Ausmaß erlebt werden, das nicht mehr selbstständig regulierbar ist. Geht die primäre Bezugsperson, traditionell die Mutter, feinfühlig und verlässlich mit den Wünschen des Kindes um, so wird es Urvertrauen entwickeln.
Was direkt am Anfang nicht aufgebaut werden kann oder gar zerstört wird, ist kaum noch zu reparieren, denn: Die ersten 18 Monate entscheiden, ob das Kind im späteren Leben Beziehungsfähigkeit erlangt und beispielsweise Affekte angemessen regulieren kann.
Es muss nicht immer allein die Scheidung der Eltern sein, die massive Spuren hinterlässt. Mütter oder Väter, die selten anwesend sind, sowohl körperlich als auch geistig, sind am Ende auch dafür verantwortlich, wie sich das Beziehungsleben der Kinder entwickelt. Diese Verantwortung ist leider wenigen bewusst. Der Grundstein dafür, ob wir nun beziehungsfähig sind oder nicht, liegt leider nicht in unseren Händen, sondern in denen unserer Eltern.
Nun könnte man sagen: Verkackt! Und das war es dann. Ich würde immer sagen: Was für ein Unsinn! Du hast das Leben selbst in der Hand. Genauso wie deinen Schmerz, den Umgang mit Erfahrungen und nur du entscheidest für dich ganz allein.
Egal ob Liebesbeziehung, Freund:innen oder Menschen am Arbeitsplatz, überall gibt es verschiedene Formen von Beziehung. Mal gibt es mehr Nähe, mal ist es eher eine Zweckgemeinschaft. Wichtig ist aber, dass Beziehungen möglich sind, möglich sein müssen. Wer nicht gut Beziehung kann, wird recht schnell ins Abseits gelangen, was nachhaltig zu Problemen führen wird.
Depressionen haben häufig ihren Ursprung in der Einsamkeit. Ohne gute Beziehungen sind wir isoliert und es fehlt einfach alles.
Elementare Dinge für uns Menschen sind: Liebe, Wertschätzung, Nähe, Respekt, Austausch, Verständnis, Geborgenheit. Da hilft auf Dauer zum Beispiel eine reine Sex-Beziehung kaum weiter. Denn: Sex-Beziehungen haben normalerweise ihr Ablaufdatum. Entweder man hat irgendwann keine Lust mehr aufeinander oder es entwickelt sich mehr – die oben genannten elementaren Dinge – und man schlittert doch in eine Beziehung.
Geht’s nicht doch irgendwie um sowas Kitschiges wie Liebe? Dass wir gerne an echte Liebe glauben wollen? Ohne Hintergedanken? Klar geht’s darum. Immer wieder. Dieser Glaube ist aber nicht einfach in uns drin. Je mehr Erfahrungen wir sammeln, desto mehr Arbeit ist es, an Liebe und Beziehungen glauben zu können.
Völlig egal, in welchem Beziehungsbereich auch immer: Wir müssen zunächst immer und immer wieder an uns arbeiten. Auch das ist ohne Alternative. Wer dazu nicht bereit ist, wird für immer Single bleiben, selbst wenn man in einer festen Beziehung steckt. Dazu muss man zunächst einmal zulassen, eigene Seelenarbeit zu leisten. Egal ob in der Kindheit eine gute Beziehungsbasis gelegt wurde oder nicht: Wer sich nicht um sich selbst kümmert, kann nicht für andere da sein.
Ich versuche, mich mit Hilfe eines Coaches um meine Seelenarbeit zu kümmern. Und dieser setzte mich immer wieder auf den Pott. Ich hatte viele Themen, die meine Beziehungen immer und immer wieder kompliziert machten und all diese Themen brauchten ihren Raum, ihre Bearbeitung.
Ich haderte mit mir selbst und fragte mich in den Coachings immer wieder: Warum muss ich immer etwas für Beziehungen tun? Das ist so anstrengend. Das ist auch nicht fair, denn immer bin ich gefragt. Wenn ich es nicht mache, tut es einfach keiner.
Der Coach antwortete immer recht trocken: "Sie können es auch lassen. Nur ändert sich dann nichts. Das ist auch okay. Aber dann ist es vielleicht auch nicht wichtig. Müssen Sie halt überlegen." Und zack, war der Ball wieder bei mir.
Ich fühlte mich wahnsinnig erschöpft. Und eine Kernfrage zerquetschte mir das Hirn: Wie viel Nähe, wie viel Distanz ist in einer Beziehung wichtig und richtig? Weglaufen oder bleiben? Abbruch oder all in? Ständig ging es bei meinem Coach um denselben Mist. Und er wieder trocken: "Ihnen fehlt das mittlere Maß! Dabei geht es nicht darum, mittelmäßig zu sein. Das ist ein großer Unterschied. Außerdem müssen Sie entscheiden, ob es sich lohnt, Ihr Herz zu öffnen. Gerne auch mit einem mittleren Maß."
Anfangs dachte ich: Danke für den Kalenderblatt-Spruch.
Mehr und mehr konnte ich seine Kernsätze jedoch annehmen. Um ehrlich zu sein: Das war der Schlüssel dafür, dass ich heute erfolgreich und unheimlich gerne verheiratet und Vater bin. Ich habe das mittlere Maß gefunden, in so vielen Bereichen.
Ich muss nicht mehr Weltmeister in allen Disziplinen der Beziehung sein. Aber ich muss ständig daran arbeiten. Auch in allen anderen Beziehungen meines Lebens, ob bei Freund:innen oder bei mir in der Agentur gilt: Das Maß aus Nähe und Distanz macht die gute Beziehung aus und ob man Bock darauf hat.